Gunter Kaufmann: „Die Kritik an Rau nimmt immer mehr zu. Er muss endlich reagieren“

Eltern, Lehrer und Schüler aus Realschulen und Beruflichen Gymnasien sind erbost über die Landesregierung, nachdem sich das Versprechen „kein Abschluss ohne Anschluss“ als haltlos erweise. Bei einer Veranstaltung der SPD-Landtagsfraktion am Samstag im Landtag schlossen die Teilnehmer sich deshalb der Forderung an, die Situation an den beruflichen Schulen zu verbessern. Die Landesregierung müsse als Sofortmaßnahme im kommenden Schuljahr mindestens 60 weitere Klassen an den beruflichen Gymnasien und 20 zusätzliche Klassen an den anderen beruflichen Vollzeitschulen einrichten, um den größten Druck durch die Bewerberzahlen abzufangen. Eltern, Lehrer und Schüler verlangten zudem, dass das Land jedem Bewerber, der die Voraussetzungen erfülle, einen entsprechenden Platz an einem Beruflichen Gymnasium garantiere.

Wie viel Kredit insbesondere Kultusminister Helmut Rau verspielt hat, zeigen die Äußerungen einzelner Teilnehmer aus der Veranstaltung.

Nuri Kiefer, Realschulrektor: „Ich fühle mich ein Stück weit von der Landesregierung betrogen, da ich den Schülern Möglichkeiten aufgezeigt habe, welche die Landesregierung zwar verspricht aber nicht einhält.“ Denn wenn er den Schülern mitteile, dass wie von der Landesregierung festgeschrieben, eine 3,0 in den relevanten Fächern für eine Aufnahme in ein Berufliches Gymnasium ausreichend sei, werden viele Schüler in der Realität von wesentlich strengeren Aufnahmekriterien überrascht, so Kiefer.

Den Grund nennt Gabriele Holtermann, Oberstudiendirektorin an einem Beruflichen Gymnasium: „Wir haben seit vielen Jahren wesentlich mehr Bewerber als Plätze. Dieses Jahr sind die Bewerberzahlen nun nochmals extrem gestiegen.“ Das führe dazu, dass oft schon eine 2,3 im Zeugnis nicht mehr ausreichend für eine Aufnahme an einem Beruflichen Gymnasium sei.

Somit entstehen Schulkarrieren wie die von Titos Hailom, baden-württembergischer Schüler in Bayern: „Obwohl ich die Kriterien der Landesregierung erfüllt habe, wurde ich an den weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg nicht aufgenommen. Da ich aber an der Landesgrenze zu Bayern lebe, konnte ich glücklicherweise dort auf eine Fachoberschule wechseln.“

Dass nicht alle so viel Glück haben, treibt Hans Gampe, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), um. Die Landesregierung gehe davon aus, das Problem rüttele sich bis Herbst schon irgendwie hin. Gampe: „Diese Annahme der Landesregierung ist Quatsch. Tatsächlich verweigert sie seit Jahren vielen Jugendlichen in Baden-Württemberg die ihnen zustehenden Bildungschancen.“

Diese Kritik der Teilnehmer sei verständlich, erklärte Gunter Kaufmann, Sprecher für Berufliche Bildung der SPD-Fraktion. Schließlich könne mehr als ein Drittel der Realschüler in Baden-Württemberg nicht wie gewünscht auf ein Berufliches Gymnasium wechseln, obwohl sie die Voraussetzungen dafür erfüllt hätten. Für mehr als 27.000 Schüler stünden hier gerade 17.000 Plätze zur Verfügung. Dies sei besonders deshalb empörend, da Kultusminister Rau schon im November 2008 festgestellt hatte: „Es ist damit zu rechnen, dass wegen der zu erwartenden hohen Bewerberzahl die Nachfrage nach Schulplätzen das bestehende Angebot übersteigen wird.“ Demgegenüber behauptet der Minister seit einigen Wochen, der Ansturm sei im Herbst des vergangenen Jahres noch nicht absehbar gewesen. „Die Kritik an Rau nimmt immer mehr zu. Er muss endlich reagieren“, sagte Kaufmann.

Stuzttgart, 9. Mai 2009
Dr. Roland Peter
Pressesprecher