Wolfgang Drexler: „Was von Filbinger in den vergangenen Tagen als positives Signal und Chance zur politischen Versöhnung bezeichnet wird, trägt leider keinen Ansatz von Selbstkritik oder gar einer veränderten Haltung zur Schuldfrage“

Brief an Ministerpräsident a. D. Hans Filbinger

Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Drexler, wird nicht am Empfang der Landesregierung zum 90. Geburtstag von Ministerpräsident a. D. Hans Filbinger teilnehmen. Von der Fraktion, die sich derzeit zu einer Klausurtagung in Freudenstadt aufhält, wurde er in dieser Haltung einmütig unterstützt.

Drexler begründete seine Absage in einem Brief an Hans Filbinger damit, dass der frühere Ministerpräsident den von ihm selber gesetzten Maßstäben anlässlich des Geburtstagsempfangs nicht gerecht geworden sei. Filbinger habe in den vergangenen Tagen diesen Empfang als Chance zur politischen Versöhnung bezeichnet. Gleichwohl habe Filbinger in seinen öffentlichen Äußerungen „leider keinen Ansatz von Selbstkritik oder gar einer veränderten Haltung zur Schuldfrage“ erkennen lassen, so Drexler. Im Gegenteil: Indem sich Filbinger als einzigen Fehler seinen „zu wenig offensiven Kampf um die Wahrheit“ attestiere, erneuere er selbst im Zusammenhang mit seinem Geburtstagsempfang noch einmal die Rechtfertigung seiner Handlungen als Marinerichter. Vor diesem Hintergrund bat Fraktionschef Wolfgang Drexler in seinem Brief an Filbinger um Verständnis für sein Fernbleiben vom Empfang der Landesregierung zum 90. Geburtstag Filbingers.

Der Brief von SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler an Ministerpräsident a. D. Filbinger hat folgenden Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Dr. Filbinger,

die Einladung zum Empfang, mit dem die Landesregierung Ihren 90. Geburtstag würdigt, hat mich in dieser Woche erreicht. Ich möchte Ihnen nun mit diesem Schreiben meine Entscheidung erläutern, warum ich als Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion nicht an diesem Empfang am 16. September in Ludwigsburg teilnehmen werde.

Zunächst aber gratuliere ich Ihnen, auch im Namen meiner Fraktion, herzlich zu Ihrem Geburtstag. Wir freuen uns mit Ihnen über Ihre anhaltende Vitalität und wünschen alles Gute für die bevorstehenden Jahre. Wir erinnern uns, trotz häufig unterschiedlicher politischer Positionen, mit Respekt und Anerkennung an Ihre landespolitischen Leistungen, mit denen Sie zum Wohl unseres Landes und seiner Menschen beigetragen haben, und wollen uns bei dieser Gelegenheit ausdrücklich dafür bedanken.

Auch deshalb hegte ich die Hoffnung, am Empfang der Landesregierung zu Ihren Ehren teilnehmen zu können. Denn es gab ja Anzeichen dafür, dass die Zäsur des neunten Lebensjahrzehnts Anlass für Sie sein könnte, Ihre Rolle in den Ereignissen der letzten Kriegstagen selbstkritischer zu sehen, als Ihnen das in der Vergangenheit offenbar möglich war. Diese Hoffnung ist nun aber leider zu begraben. Denn was von Ihnen als positives Signal und Chance zur politischen Versöhnung bezeichnet wird, trägt leider keinen Ansatz von Selbstkritik oder gar einer veränderten Haltung zur Schuldfrage. Im Gegenteil: Indem Sie sich als einzigen Fehler ihren ‚zu wenig offensiven Kampf um die Wahrheit’ attestieren, erneuern Sie selbst im Zusammenhang mit Ihrem 90. Geburtstag noch einmal die Rechtfertigung Ihrer Handlungen als Marinerichter. Überdies sollen Sie nach öffentlichen Berichten bis heute die Kontaktversuche der Schwester eines der verurteilten Opfer zurückgewiesen haben.

Ich bitte Sie deshalb um Verständnis für mein Fernbleiben.

Mit freundlichem Gruß
Wolfgang Drexler

Helmut Zorell
Pressesprecher