Der Ländliche Raum in Baden-Württemberg

POTENZIALE HEBEN UND DEFIZITE ABBAUEN

Ein Drittel der Menschen im Land leben im Ländlichen Raum. Dieser ist besonders in Baden-Württemberg durch seine mittelständisch geprägte Struktur wirtschaftlich stark aufgestellt. Zu seinen Vorteilen im Vergleich zu den urbanen Zentren zählen die geringere Siedlungsdichte, mehr Natur- und Rückzugsraum, weniger Lärm, eine geringere Arbeitslosigkeit sowie niedrigere Miet- und Grundstückskosten. Darüber hinaus weist er auf Basis von Vereinen und Ehrenamt eine dichtere soziale Struktur auf.

Gleichzeitig gehen mit seiner charakteristischen Lage abseits der Ballungszentren auch eine Reihe an Problemen und Herausforderungen einher.

Anders als in den Ballungsräumen spielen die Landwirtschaft und Forstwirtschaft, aber auch der Tourismus eine größere wirtschaftliche Rolle, bisweilen sind sie das Rückgrat der Wirtschaft in der dünn besiedelten Raumschaft. Im Zuge des Klimawandels, der Klimaschutzpolitik und Energiewende verfügt der Ländliche Raum über neue Stärken. Gemeinden sowie Bürgerinnen und Bürger können davon profitieren, durch Windkraft, Photovoltaik und Agri-PV, Biomasseerzeugung und Holzwirtschaft zur Energiewende überproportional beizutragen.

Es ist eine Aufgabe der Kommunal- wie auch der Landespolitik, die spezifischen Nachteile des Ländlichen Raumes durch gezielte Vorgaben, innovative Modelle und Fördermaßnahmen zu reduzieren.

Gleiche Lebensqualität in Stadt und Land

GUTE RAHMENBEDINGUNGEN UND GEZIELTE FÖRDERUNG DURCH DAS LAND

Die Lebensbedingungen in Stadt und Land sind naturgemäß unterschiedlich. Dabei sind die Unterschiede keineswegs einseitig nur Nachteile oder Vorteile. Es gibt jedoch typische Defizite fernab der städtischen Verdichtungsräume, die die Lebensqualität beeinträchtigen können. Dazu gehören schlechte Verkehrsanbindungen, gerade auch mit dem ÖPNV und SPNV, aber auch eine schlechtere Breitbandversorgung, weniger qualifizierte Arbeitsplätze, weniger Bildungsangebote und mancherorts auch zunehmend fehlende Angebote an Einkaufsmöglichkeiten, niedergelassenen Ärzten, Pflegediensten und sogar Gaststätten. Es ist eine Aufgabe der Bundes- und Landespolitik, diesen Nachteilen durch gezielte Förderung und geeignete Rahmenbedingungen entgegenzuwirken. So muss in der Summe der Vorzüge und Eigenheiten der unterschiedlichen Regionen und Gemeinden zwischen Stadt und Dorf eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse erreicht, bzw. erhalten werden.

Mehr Frauen in die Rathäuser – Demokratie stärken

KEIN BODENGEWINN FÜR RECHTSPOPULISTEN – MEHR FRAUEN IN DIE KOMMUNALPOLITIK

Nirgends wird Demokratie so direkt gelebt und erlebt wie in der Kommune, gerade auch in kleineren Gemeinden oder Ortschaftsräten. Gerade hier muss daher allen demokratisch Aktiven in der Kommunalpolitik der Rücken gestärkt werden, ob Bürgermeisterin und Bürgermeister oder Gemeinderätin und Gemeinderat. Auch im Ländlichen Raum dürfen rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte nicht an Boden gewinnen. Stattdessen müssen in der ganzen Fläche des Landes politische Bildungsangebote und demokratische Strukturen gestärkt werden. Leider sind Frauen in den Gemeinderäten noch immer unterrepräsentiert. Alle politischen Ebenen wie auch die Parteien sind hier aufgerufen, diesen Missstand zu beseitigen, denn es braucht alle klugen Köpfe.

Landwirtschaft und Landschaftserhalt

Agrarbetriebe als wesentliche wirtschaftliche Infrastruktur erhalten

Die Landwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt, die Erzeugung von Futter- und Lebensmitteln wurde immer effizienter und intensiver. Dabei sind die Betriebe im Zuge des Strukturwandels auch in Baden-Württemberg immer weniger und zugleich größer geworden. Hinzu kommt ein weitgehend geöffneter globaler Markt, in dem auch die heimischen Agrarerzeuger agieren müssen.

Die Betriebe in Baden-Württemberg sind besonders von den Problemen der Branche betroffen: Sie sind kleiner als im Bundesschnitt, weshalb sie im nationalen wie internationalen Wettbewerb schlechter mithalten können. Betroffen davon sind u.a. die milchproduzierenden Agrarbetriebe. Durch die EU- und weltweite Überproduktion sind sie stark unter Druck geraten. Daher haben sie mit starken Preissteigerungen zu kämpfen. Und nicht zuletzt bieten die Böden und teilweise höheren Lagen in Baden-Württemberg ebenfalls eine schlechtere Ausgangslage für eine auskömmliche Agrarproduktion als bspw. für Betriebe im nordwestdeutschen Tiefland.

Die bisherige Förderpolitik bot keine geeignete Grundlage, die Landwirtschaft aus diesem Dilemma herauszuführen. Sie muss deshalb reformiert werden, ganz weg von Direktzahlungen ohne Lenkungswirkung, hin zu Zahlungen für Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen.

Für große Teile des Ländlichen Raums sind die landwirtschaftlichen Betriebe oftmals ein wichtiges Rückgrat ihrer Wirtschaft. Handwerksbetriebe und Dienstleistungen hängen indirekt ebenfalls an diesen Betrieben. Zudem sorgen viele Agrarbetriebe mit ihren Vertragsarbeiten für Natur- und Landschaftsschutz für den Erhalt der Landschaft: Für Tourismus und Attraktivität als Wohnort spielt eine offene und gepflegte Landschaft eine erhebliche Rolle. Daher muss die Landespolitik sich, ergänzend zu den EU- und Bundesprogrammen, um Erhalt und Stabilisierung dieser Betriebe bemühen und die Aufgabe von Höfen durch eine gezielte und kluge Förderpolitik auf den sinnvollen Strukturwandel begrenzen. Im Zuge der Flächenkonkurrenz mit Siedlungs- und Verkehrsflächen müssen durch Ausweisung von Bodenschutzgebieten durch die Gemeinden wertvolle Böden vor Überbauung geschützt werden. Die Agrarbetriebe sind vielfältig zu unterstützen, auch in ihren Möglichkeiten und Funktionen der Energieerzeugung, des Natur- und Landschaftserhalts, der Direktvermarktung sowie des Tourismus. Die Errichtung von Agri-PV muss deutlich erleichtert werden. Unter anderem die Landschaftserhaltungsverbände sind eine wichtige Plattform für die Förderung und Entwicklung im agrarisch strukturierten Ländlichen Raum, die anstelle von Parallelstrukturen noch intensiver hierzu genutzt werden muss.

WALD ERHALTEN; ANPASSEN UND WEITERENTWICKELN

Auch der Wald muss in diesem Sinne erhalten und klimagerecht weiterentwickelt werden. Hierzu gehört neben der ökologisch vertretbaren Nutzung als Holzlieferant auch die nachhaltige und an den Klimawandel angepasste Verjüngung und der Schutz vor Übernutzung durch Freizeitbetätigungen. Insgesamt brauchen wir mehr Wald im Land und mehr Waldfläche muss als Bannwald oder Naturschutzgebiet aus der Nutzung genommen werden.

Wohnen im Ländlichen Raum

Altersgerechter Wohnraum in Ortsmitten im ländlichen Raum

Der demografische Wandel macht sich auch im Ländlichen Raum bemerkbar: Während in der Vergangenheit das Bevölkerungswachstum in ländlichen Gebieten eher abnahm, wird in Zukunft, auch aufgrund der stark gestiegenen Miet- und Immobilienpreise in den Städten, mit einem Anstieg der Bevölkerung in ländlichen Räumen zu rechnen sein. Gleichzeitig ist die für Wohnraum verwendete Fläche in ländlichen Räumen stärker gewachsen als dort, wo die Bevölkerung bisher zunahm. Ursache hierfür ist u.a. die große Anzahl an freistehenden Einfamilienhäusern in ländlichen Räumen. Die Nachfrage nach diesen Häusern wird durch den prognostizierten weiteren Zuzug junger Menschen und Familien weiterwachsen.

Menschen möchten im fortschreitenden Alter ihr bekanntes soziales Umfeld aus guten Gründen nicht verlassen: Gefestigte Beziehungen und soziale Bindungen, Gewohnheiten und das individuelle Lebensgefühl spielen hierbei eine große Rolle. Gleichzeitig sind klassische Einfamilienhäuser in der Regel nicht barrierefrei. Häufig würden ältere Menschen gerne in kleinere, altersgerechte Wohnungen umziehen – und häufig ist es der Mangel an äquivalenten Alternativen in ihren Heimatorten, der sie davon abhält.

Gerade in den Ortsmitten im Ländlichen Raum mangelt es an bezahlbarem, altersgerechtem Wohnraum und der notwendigen Nahversorgung. Durch Nachverdichtung und Umwandlung muss genau hier altersgerechter Wohnraum geschaffen werden. Wenn das gelingt, könnten auch Einfamilienhäuser am Ortsrand für Familien frei werden. Diese Innenentwicklungspotenziale in Kommunen im Ländlichen Raum müssen erhoben und ausgeschöpft werden, bevor neue Wohngebiete am Ortsrand erschlossen werden.

Unsere Forderung: Die Landesregierung muss auch die kleinen Kommunen beim Ausschöpfen von Potenzialen im Ortskern unterstützen. Sie muss kleine Kommunen beim Erwerb und der Entwicklung geeigneter Grundstücke oder Immobilien finanziell und mit Knowhow fördern. Es muss außerdem von Landesseite das gesamte Leerstandsmanagement unterstützt werden. So können beispielsweise Wohnungsbörsen, die Tauschwillige miteinander in Kontakt bringen, eine Lösung sein. Übergeordnetes Ziel muss es sein, zusätzlichen bezahlbaren und altersgerechten Wohnraum in Städten und Ortskernen im Ländlichen Raum zu schaffen. Dafür sollte immer auch die Nutzung der Erhebung der Grundsteuer C für bebaubare, aber unbebaute Grundstücke geprüft werden.

Einsamkeit vorbeugen – gemeinschaftliches Wohnen fördern

Es muss zunehmend daran gedacht werden, bei der Schaffung neuen Wohnraums altersgerechte und gemeinschaftliche Wohnformen zu schaffen, auch um der wachsenden Problematik der Einsamkeit entgegenzuwirken. Wir fordern die Landesregierung daher auf, soziale Aspekte wie Teilhabe, Zugänglichkeit und Versorgung bei der Gestaltung von Wohnraum im Ländlichen Raum zu berücksichtigen. Hierzu gehört zudem, gemeinschaftliche und altersgerechte bezahlbare Wohnformen in Ortsmitten zu begünstigen. Gemeinsame Projekte etwa von Kommunen, gemeinnützigen und kirchlichen Trägern müssen hierbei vom Land unterstützt werden. Altersgerechtigkeit und Bezahlbarkeit dürfen sich nicht ausschließen.

Wirtschaft abseits der Ballungsräume

KMU gezielt stärken, Fachkräftemangel entgegenwirken

Die Verbindung von urbanen Zentren und ländlichen Strukturen macht die wirtschaftliche Stärke Baden-Württembergs aus. Deswegen ist die Sicherstellung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Regionen Baden-Württembergs, ob urban oder ländlich geprägt, nicht nur ein wirtschaftliches Ziel, sondern auch eine soziale Verantwortung.

In Baden-Württemberg mit seiner dezentralen Struktur haben im ganzen Land erfolgreiche Unternehmen ihren Sitz oder Produktionswerke. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind auf das ganze Land verteilt. In der Transformation der Wirtschaft sind diese KMU besonderen Herausforderungen ausgesetzt, weil sie anders als große Unternehmen nicht auf eigene Forschungsabteilungen, große Budgets für Innovationsentwicklung und breit angelegte Qualifizierungsmaßnahmen für die Beschäftigten setzen können. Doch wer den Ländlichen Raum stärken will, muss ein besonderes Augenmerk auf die KMU richten. Daher will die SPD-Landtagsfraktion mit speziellen Maßnahmen die Transformation gerade dieser KMU unterstützen, beispielsweise durch die gezielte Förderung von Innovationen und Investitionen sowie durch die Förderung von Weiterbildung und Qualifizierung. Der Fachkräftemangel ist eine der großen Herausforderungen gerade auch im Ländlichen Raum, weshalb hier nicht nur die Unternehmen, sondern auch das Land in besonderer Weise gefordert ist. Dem kann Baden-Württemberg gerecht werden, indem es die 24 über das Land verteilten Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWs) und die Duale Hochschule Baden-Württemberg mit ihren zwölf Standorten und Campus stärkt. Denn diese beiden Hochschularten sind starke Partner der kleinen und mittleren Unternehmen im Land und eine feste Stütze bei der Fachkräftegewinnung. Dies betrifft auch den Bereich der Ausbildung: zurückgehende Bewerberzahlen und unbesetzte Ausbildungsplätze sind auch im Ländlichen Raum ein immer größer werdendes Problem. Unter anderem durch eine Stärkung der Berufsorientierung muss hier gegengesteuert werden.

Zudem ist die Kultur- und Kreativwirtschaft mit rund 53.000 Beschäftigten zu einem der wichtigsten Arbeitgeber auf dem Land avanciert. Gerade die Freiräume auf dem Land bieten vielfältige Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten für Kreativbetriebe. Auch sie gilt es weiter zu fördern.

Welcome-Center für in- und ausländische Fachkräfte zur Hilfe und Orientierung beim Zuzug können unterstützen, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Hier sind Betriebe, Kreise und Kommunen gefordert.

Energieversorgung auf dem Land sichern

KMU wie auch größere Unternehmen sind darauf angewiesen, Zugang zu regenerativen Energieressourcen zu haben – in ausreichendem Umfang und zu wettbewerbsfähigen Preisen. Die Landesagentur e-mobil BW wie auch die baden-württembergische Wirtschaft gehen davon aus, dass die Wasserstoffnachfrage in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren steil und exponentiell wachsen wird. Dabei muss von der Landesregierung sichergestellt werden, dass Wasserstoff in wenigen Jahren im ganzen Land verfügbar ist. Die Umstellung des Gastransportnetzes auf Wasserstoff, wie sie von Seiten der Terranets BW geplant ist, wird zwar ab dem Jahr 2030 nach und nach Teile des Landes abdecken, mitnichten aber flächendeckend das ganze Land. Es muss Anspruch sein, dass jeder Stadt- und Landkreis perspektivisch Anschluss an ein wasserstofffähiges Verteilnetz auch außerhalb der Hauptrouten hat. Keine Region darf abgehängt werden, auch weil es eine Stärke Baden-Württembergs ist, dass in allen Landesteilen erfolgreiche Unternehmen mit vielen (Industrie-)Arbeitsplätzen angesiedelt sind. Dabei muss es bleiben. Die Terranets BW soll daher zur Infrastrukturgesellschaft des Landes auf- und ausgebaut werden, um die Wasserstoffversorgung und den Aufbau von Verteilnetzen voranzutreiben, sowie perspektivisch um weitere infrastrukturelle Komponenten ergänzt werden.

Digitale Infrastruktur

Flächendeckenden Ausbau des Glasfasernetzes und Mobilfunknetze voranbringen

Ein schneller Internetzugang ist notwendig, um die digitale Teilhabe von allen Bürgerinnen und Bürgern an gesellschaftlichen und demokratischen Prozessen sicherzustellen. Auch die Unternehmen in Baden-Württemberg brauchen eine zukunftsfähige digitale Infrastruktur und schnelle, stabile und sichere Netze, um im internationalen Wettbewerb weiter mithalten zu können. Dies gilt insbesondere für den Ländlichen Raum, für den ein schnelles und sicheres Internet ein entscheidender Standortfaktor ist. Wir sind überzeugt davon, dass langfristig nur eine Glasfaserinfrastruktur hierzu in der Lage ist. Deswegen müssen wir den flächendeckenden Glasfaserausbau in Baden-Württemberg jetzt schnell voranbringen.

Gerade im ländlichen Bereich gibt es noch zu viele weiße und graue Flecken. In diesen Gebieten ist der Glasfaserausbau häufig nicht wirtschaftlich. Deshalb dürfen wir es nicht der Privatwirtschaft überlassen, den Ausbau voranzubringen. Öffentliche Förderprogramme sind dafür ein wichtiger Faktor.

Mehr als bisher müssen die bestehenden Förderprogramme von Bund und Land gebündelt und mit fachkundigen Ansprechpartnern ausgestattet werden, um die Gemeinden beim Ausbau zu unterstützen.

Bildung und Kinderbetreuung

Zuverlässige und flächendeckende frühkindliche Bildung

Wir müssen allen Kindern faire Bildungschancen ermöglichen. Gleichzeitig ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch für den Ländlichen Raum ein entscheidender Faktor im Wettbewerb um Fachkräfte. Der Kampf gegen den Fachkräftemangel beginnt mit einer guten frühkindlichen Betreuung. Allein deshalb brauchen wir auch auf dem Land eine qualitätsvolle, zuverlässige und flächendeckende frühkindliche Bildung.

Dazu braucht es ausreichend Personal und Zugang zu den vielfältigen Förderprogrammen im frühkindlichen Bereich. Es gehört auch dazu, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, damit Inklusion gelingt. Im Hinblick auf die Qualität der frühkindlichen Bildung sollten bestehende Sprachförderangebote überall verfügbar sein. Bei der Einführung von Modellprojekten müssen zudem auch Kindertageseinrichtungen im Ländlichen Raum bedacht und eingebunden werden. Auch Ganztagesangebote müssen zur Verfügung stehen.

Um mehr pädagogisches Fachpersonal für die frühkindliche Bildung zu gewinnen, ist es außerdem notwendig, auch im Ländlichen Raum ausreichend Ausbildungskapazitäten bereitzustellen und zusätzliche Plätze für die praxisintegrierte Ausbildung zu schaffen. Nur durch attraktive Rahmenbedingungen können mehr Interessierte für die Arbeit in der Kindertagespflege oder einer Kindertageseinrichtung gewonnen werden.

Gleiche Chancen auf einen erfolgreichen Schulabschluss – an jeder Schulart

Auch auf dem Land müssen für alle Schülerinnen und Schüler gleiche Chancen auf einen erfolgreichen Schulabschluss bestehen wie in der Stadt. Das heißt, dass jede Schulart in angemessener Entfernung zur Verfügung stehen muss.

Die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 muss auch in ländlichen Regionen gewährleistet werden. Sowohl ausreichend verfügbare Angebote, den Weg zum Abitur in neun Jahren zu absolvieren, als auch das Angebot von G 8-Schnellläuferzügen, wenn G 9 zur Regelform wird, müssen allen Schülerinnen und Schülern offenstehen.

Gleichzeitig müssen wir auch die anderen Schularten stärken. Dazu gehört auch, an den Gemeinschaftsschulen weitere Oberstufen einzurichten und dort den Weg zum Abitur zu ermöglichen.

Einer besonderen Betrachtung bedarf der Ländliche Raum auch mit Blick auf die Standorte für berufliche Schulen. Es sollte verhindert werden, dass immer mehr Standorte schließen und die Schülerinnen und Schüler täglich unverhältnismäßig lange Wege auf sich nehmen müssen. Das Ergreifen eines Ausbildungsberufes nach der Schule wird so zunehmend unattraktiv und verschärft den Fachkräftemängel im Ländlichen Raum. Eine umfangreiche Bedarfsplanung und strategische Betrachtung zur Standortsicherung sind daher unumgänglich.

Hinsichtlich der dafür notwendigen Lehrkräfteversorgung muss darüber diskutiert werden, ob es weitere Anreize braucht, Lehrkräfte für die Arbeit an Schulen auf dem Land zu begeistern. Beispielsweise eine Prämie bei einem Wechsel in eine Schule im Ländlichen Raum, deren Lehrkräfteversorgung nicht ausreichend ist oder eine Referendariats-Prämie für angehende Lehrkräfte, die ihr Referendariat im Ländlichen Raum absolvieren. Auch eine Umzugsprämie könnte ein Anstoß für die Arbeit im Ländlichen Raum sein.

Diese Maßnahmen sollten in einem Modellversuch erprobt und nach fünf Jahren evaluiert werden.

Guter Ganztag im ganzen Land

Derzeit stagniert der Ausbau der Ganztagsschulen im Land. Daher braucht es dringend eine Offensive, die mit zusätzlicher Unterstützung und passenden Rahmenbedingungen dafür sorgt, dass sich mehr Schulen auf den Weg zur Ganztagsschule machen. Dieser Anspruch gilt auch für den Ländlichen Raum, wo es mit Blick auf Bildungsgerechtigkeit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebenso wichtig ist, ein zuverlässiges Ganztagsangebot bereitzuhalten. Dazu brauchen wir in Baden-Württemberg insgesamt wieder klare Zielmarken für den Ausbau der Ganztagsschulen.

Digitale Schulen auf dem Land

Digitalisierung, beispielsweise in Form der Einbindung digitaler Endgeräte in den Unterricht oder die Nutzung der digitalen Bildungsplattform, sollte heute fester Bestandteil des Schulalltags sein. Umso wichtiger ist es, dass alle Schulen in Baden-Württemberg, auch im Ländlichen Raum, über eine schnelle und zuverlässige Internetanbindung verfügen. W-LAN muss in allen Schulen zur Verfügung stehen. Dort, wo das bisher nicht der Fall ist, muss sich das Land verpflichten, noch in diesem Jahr Abhilfe zu schaffen und die notwendige Technik bereitzustellen.

SCHWIMMFÄHIGKEIT VON KINDERN UND JUGENDLICHEN STÄRKEN

Immer mehr Kinder lernen nicht mehr richtig schwimmen. Das liegt auch an fehlenden Möglichkeiten von wohnortnahen Schwimmgelegenheiten. An vielen Standorten ist ein aufwendiger Transfer zu den nächsten Schwimmbecken notwendig. Da viele Kommunen die Sanierung und Modernisierung der Schwimmbäder finanziell nicht alleine stemmen können, soll ein entsprechendes Landesprogramm in Höhe von insgesamt 50 Millionen Euro aufgesetzt werden. Dieser beinhaltet auch die finanzielle Förderung für die Umstellung von Schwimmbädern auf regenerative Energiequellen in Höhe von 10 Millionen Euro im Jahr.

Daseinsvorsorge: Bank- und Postangebote, Einkaufsmöglichkeiten

Dienstleistungen, Handel und staatliche Verwaltung müssen erreichbar sein

Auch im Ländlichen Raum muss die Öffentliche Verwaltung stets verfügbar sein. Eine Verschlankung des Staates darf nicht dazu führen, dass öffentliche Stellen nicht mehr erreichbar sind. Bürgerämter müssen im ganzen Land auch ohne Auto erreichbar sein. Einen wesentlichen Beitrag für eine niedrigschwellig erreichbare Verwaltung kann die Verwaltungsdigitalisierung leisten. Verwaltungsprozesse müssen Ende-zu-Ende digitalisiert sein. Dabei muss die Benutzerfreundlichkeit im Vordergrund stehen.

Medizinische Grundversorgung und Pflege

FÜR EINE GLEICHWERTIGE GESUNDHEITSVERSORGUNG UND PFLEGE AUF DEM LAND

Baden-Württemberg braucht endlich einen wirksamen und zukunftsfähigen Krankenhausplan. In ihm muss sichergestellt werden, dass auch die Bevölkerung im Ländlichen Raum eine stationäre Notfallbehandlung einschließlich der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Schlaganfällen, Herzinfarkten oder Polytraumen in der Regel in höchstens 30 Minuten Fahrzeit erreichen kann. Zugleich muss auch eine leistungsfähige Geburtshilfe und Kindermedizin gewährleistet sein. Der ärztliche ambulante Notdienst ist dabei mit „Portalpraxen“ mit den Notaufnahmen der Krankenhäuser zu verknüpfen. Mindestens die Kliniken in den regionalen Oberzentren müssen die übrigen stationären Behandlungskapazitäten für die gesamte Region berücksichtigen. Die Investitionsförderung des Landes muss auf mindestens 750 Millionen Euro pro Jahr erhöht werden.

Die Bedarfsplanung für die ambulante ärztliche Versorgung soll eine bedarfsgerechte Zahl von Arztsitzen berücksichtigen. Die große Herausforderung dabei ist, dass insbesondere viele Hausarztsitze im Ländlichen Raum nur äußerst schwierig zu besetzen sind bzw. ältere Ärztinnen und Ärzte keine Nachfolge für die Praxis finden. Hier muss vor allem die Kassenärztliche Vereinigung mehr steuern als bisher und das Sozialministerium seine Aufsichtsfunktion dazu stärker wahrnehmen. Zwischen diesen beiden Partnern sind diesbezüglich verbindliche Zielvereinbarungen anzustreben. Aber auch Gemeinden und Gemeindezusammenschlüsse können Anreize für die Niederlassung bieten. Die Förderung soll in einer Versorgungsstiftung zusammengefasst werden. Kommunen können auch eigene medizinische Versorgungszentren als Alternative zur herkömmlichen Landarztpraxis gründen oder ihre Gründung unterstützen. Kommunale Krankenhäuser könnten zudem mit eigenem Personal medizinische Versorgungszentren betreiben. Das Land müsste dazu aber deutlich mehr steuern. Der Ausbau der telemedizinischen und telepsychotherapeutischen Behandlung kann gerade für die Bevölkerung im Ländlichen Raum weite und beschwerliche Wege in der Versorgung vermeiden. Dafür müssten allerdings die Behandlungs- und Breitbandkapazitäten erweitert werden. Insbesondere ältere oder beeinträchtigte Menschen müssten auch dabei unterstützt werden, mit diesen Vorteilen umzugehen. Ob Studierende, die sich zu Beginn ihres Studiums im Landarztprogramm auf eine spätere Tätigkeit im Ländlichen Raum verpflichten, wirklich dort tätig würden, wissen wir nicht. Zumindest würde es noch mindestens 10 Jahre dauern, bis die ersten Ärztinnen und Ärzte aus dem finanzintensiven Programm ihr Studium und ihre Facharztweiterbildung abgeschlossen hätten. Apotheken sind im Ländlichen Raum mitunter nur schwer wirtschaftlich zu betreiben. Bei langen Wegen zur Apotheke ist deshalb die Beratung auf andere Weise – etwa telefonisch – anzubieten und die Auslieferung von Medikamenten oder Hilfsmitteln abzusichern.

Es war ein Fehler, dass sich die grün-schwarze Landesregierung der Mitverantwortung für die Pflegeplanung entzogen hat. Denn gerade im Ländlichen Raum fehlt in der Pflege häufig das passende Angebot, um die Leistungsansprüche aus der Pflegeversicherung zu verwirklichen. Das gilt sowohl für die ambulante, die teilstationäre (Tagespflege und Kurzzeitpflege) als auch die stationäre Pflege in Pflegewohngemeinschaften oder Heimen. Insbesondere die Unterstützung für zu Hause lebende Pflegebedürftige bzw. ihre Angehörigen muss im Ländlichen Raum ausgebaut werden.

Gute Verbindungen: Mobilität und attraktiver ÖPNV

Mobilität im ländlichen Raum zeitgemäß verbessern

Mobilität ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, wirtschaftliche Entwicklung und persönliche Freiheit. Unsere Mobilität der Zukunft ist niederschwellig, bezahlbar, klimafreundlich, umfassend barrierefrei, digital und vernetzt.

Unser Ziel ist, dass alle Menschen einfach, zügig, zuverlässig und klimafreundlich von A nach B gelangen können – auf dem Land wie in der Stadt, zur Schule, zur Arbeit und in den Urlaub.

Die Mobilität im Ländlichen Raum steht dabei vor besonderen Herausforderungen. Im Gegensatz zum Verdichtungsraum ist das ÖPNV-Angebot nicht so ausgebaut, dass ein Verzicht auf das Auto ohne weiteres möglich wäre. Der Vernetzung zwischen dem motorisierten Individualverkehr mit den verschiedenen Verkehrsträgern des ÖPNV kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu, wenn wir die Verkehrswende auch im Ländlichen Raum voranbringen wollen.

Das Straßennetz in Baden-Württemberg ist gut ausgebaut. Netzergänzungen sind daher aus unserer Sicht nur noch an wenigen Stellen notwendig. Der Schwerpunkt des Straßenbaus muss deshalb auf Sanierung und gezieltem Ausbau liegen. Das Land ist dabei gefordert, seinen finanziellen Beitrag zu leisten. Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf die Sanierung und Instandsetzung von Brücken, Tunneln und anderen Bauwerken.

Beim Ausbau der Radwege sollten Lückenschlüsse statt neuer und weiterer „Radautobahnen“ priorisiert werden. Lücken in Radwegenetzen sind ein hohes Sicherheitsrisiko und verschlechtern die Attraktivität und Akzeptanz des Radnetzes insgesamt.

Ein attraktiver ÖPNV

Der ÖPNV muss das Rückgrat der Mobilität werden – auch im Ländlichen Raum. Wir streben dabei folgendes Ziel an: Von jeder Gemeinde in Baden-Württemberg kommt man in maximal 30 Minuten zum nächsten Mittel- bzw. Oberzentrum. Es gibt überall eine mindestens halbstündliche Anbindung an den ÖPNV oder On-Demand-Verkehre. On-Demand-Verkehre sind dabei in die regionalen Tarifstrukturen und das Deutschland-Ticket zu integrieren. Sie sind für uns wichtige Ergänzung und nicht Konkurrenz zum herkömmlichen ÖPNV.

Die Bildung von Fahrgemeinschaften wird gefördert genauso wie der „Zubringerverkehr“ an den ÖPNV mit dem Fahrrad, E-Bike oder dem Auto über Park-and-Ride-Parkplätze. Die Digitalisierung bietet zahlreiche Möglichkeiten, z.B. mit einheitlichen Apps, die wir viel stärker nutzen wollen, um die Verkehrswende zu erleichtern und praktikabler zu machen.

Das Deutschland-Ticket hat gezeigt, dass die große Zahl an Verkehrsverbünden in Baden-Württemberg obsolet ist. Gerade kleinere Verbünde im Ländlichen Raum haben ihre Daseinsberechtigung verloren, weil sie nicht mehr in der Lage sind, ihre komplexer werdenden Aufgaben zu erfüllen. Das Land muss endlich Farbe bekennen und Verbundzusammenschlüsse aktiv vorantreiben. Die Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrssysteme, unterschiedlicher Anbieter und Aufgabenträger muss besser werden. Dabei muss stets das Kundeninteresse im Vordergrund stehen.

Bei Ausbauvorhaben des Schienenpersonennahverkehrs im Rahmen des GVFG und LGVFG sollte der kommunale Anteil deren finanzielle Leistungsfähigkeit, gerade im Ländlichen Raum, nicht überfordern.

Kultur und Freizeit im Ländlichen Raum

Kultur und Sport im ländlichen Raum stärken

Die Sportvereine im Land stellen die größten Vereine dar und fungieren als bedeutende Kulturträger. Ihre Förderung und der Bau und Unterhalt entsprechender Sportstätten sind deshalb essentiell. Der bestehende Solidarpakt Sport muss daher gut ausgestattet werden, damit Sportstätten und auch Schwimmbäder erhalten, modernisiert und gebaut werden können.

Die Kulturszene im Ländlichen Raum ist enorm reichhaltig. Die Vielfalt ist aber nicht auf den ersten Blick zu sehen. Brauchtums- und Musikvereine sowie Chöre gehören wie selbstverständlich zur Ausstattung vieler kleiner Gemeinden auf dem Land. Sie werden vom ehrenamtlichen Engagement vor Ort getragen. Deswegen ist das erste Gebot bei der Stärkung der Kultur im Ländlichen Raum die Stärkung des Ehrenamts, zum Beispiel mit einer Tanzleiterpauschale für die Brauchtumsvereine in Anlehnung an die Chorleiterpauschale.

Fernab von Staats- und Stadttheatern spielt sich das Bühnenleben im Ländlichen Raum auf vielen privat geführten Theatern ab. Damit diese auch angemessene Lohn- und Arbeitsbedingungen bieten können, muss verstärkt auch der Blick auf diese kleinen Häuser gelenkt werden. Die Unterstützung des Landes für private Theater ist derzeit noch sehr restriktiv. Sie darf sich nicht an der Formulierung „privat“ orientieren, sondern muss verstärkt in Rechnung stellen, was ein kulturelles Angebot leisten kann. Gerade in Zeiten sich verstärkender politischer Konflikte, die auch vor kleinen Gemeinden nicht Halt machen, ist Kultur nicht nur ein Freizeitvergnügen, sondern auch ein Angebot an Toleranz und Miteinander.

Unterstützung benötigen auch kleine, vorwiegend durch das Ehrenamt getragene Museen. Wenn diese sich, was ihr Archiv betrifft, ihre Ausstellung oder die Digitalisierung und die Vermittlungsarbeit weiterentwickeln wollen, finden sie rein theoretisch bei der Landesstelle für Museen in Baden-Württemberg geeignete Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner. Dieses Angebot kann aber im Sinne der Professionalisierung des Museumsangebots im Land noch ausgebaut und stärker unterstützt werden.

In vielen Orten und Gemeinden sind Musikspielstätten und Clubs noch gar nicht als Kultur auf dem Schirm der politisch Verantwortlichen. Das muss sich ändern und auch diese Orte müssen unter den Orten für kulturelle Zwecke eingeordnet werden. Wenn auf Bundesebene die Anpassung der Lärmschutzregelungen und der Baunutzungsverordnung anstehen, erwarten wir von der Landesregierung eine unterstützende Haltung im Bundesrat. Danach werden Clubs und Gemeinden vor neuen Herausforderungen stehen, die nur mit Flankierung des Landes zu lösen sein werden. An vielen kleinen Rädchen kann für diesen speziellen Kulturbereich aber jetzt schon gedreht werden. Das betrifft Sperrzeitregelungen, die zu einer Entspannung bei der Lärmbelästigung führen oder den ÖPNV. Der Ausbau von Ruftaxi-Angeboten, speziellen Frauen-Ruf-Taxis oder auch überregionale Nachtbusse machen den Clubbesuch sicherer und den Ländlichen Raum kulturelle attraktiver.

Tourismus

Arbeits- und Fachkräftemangel begegnen – Erreichbarkeit nachhaltig ausbauen

In Baden-Württemberg spielt der Tourismus eine große Rolle – auch für die mehreren Hunderttausend Menschen, die in der Branche beschäftigt sind. Nach DEHOGA-Angaben sind alleine im Gastgewerbe in Baden-Württemberg rund 25.500 Betriebe mit rund 134.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und rund 5.800 Auszubildenden zu verzeichnen. Laut einer Mitte 2023 veröffentlichten BWIHK-Umfrage konnten jedoch im Jahr 2022 über 60 Prozent der baden-württembergischen Betriebe im Gastgewerbe nicht genügend Auszubildende finden. Dies ist ein Alarmzeichen, denn der Fachkräftemangel wird für immer mehr gastronomische Betriebe zu einem immer größer werdenden Problem. Eine Kürzung der Öffnungszeiten ist in immer mehr gastronomischen Betrieben und touristischen Einrichtungen immer häufiger ein Thema. Daher müssen nicht nur die Unternehmen, sondern muss auch das Land alles daransetzen, mehr Fachkräfte für die Gastronomie und den Tourismus zu gewinnen, andernfalls ginge das zulasten insbesondere des Ländlichen Raum mit seinen vielen attraktiven touristischen Angeboten. Zur Fachkräftesicherung braucht es daher unter anderem gute Arbeitsbedingungen, eine Stärkung der Berufsorientierung, Unterstützung bei der Ausbildung, mehr Fort- und Weiterbildung sowie eine gezielte Fachkräfteeinwanderung. Auch die Arbeits- und Lebensbedingungen der in der Tourismusbranche beschäftigten Saisonarbeiter müssen sozial und fair ausgestaltet werden.

Der Tourismus in Baden-Württemberg und damit auch in den Ländlichen Räumen muss noch stärker nachhaltig, klimabewusst und modern ausgerichtet werden. Dafür benötigt es Förderprogramme des Landes für neue Technologien, Initiativen und Standards. Das Tourismusinfrastrukturförderprogramm, die einzelbetrieblichen Förderung und die Förderung des regionalen Tourismusmarketings müssen hierzu ausgebaut und ergänzt werden. Ein gut ausgebauter und gut funktionierender öffentlicher Personennahverkehr ist für die gute Zukunft des Tourismus in der ganzen Fläche des Landes ebenso von Bedeutung wie moderne und attraktive Tourismusangebote vor Ort. Die Aktivitäten des Landes müssen sich auch darauf konzentrieren.

Der Ländliche Raum steckt voller Energie

Energiepotenziale im Ländlichen Raum heben

Der Ländliche Raum ist aus vielen Gründen bestens geeignet, klimafreundliche Energie über seinen Bedarf hinaus zu erzeugen. Es gibt Flächen für Photovoltaik, insbesondere auch als Agri-PV auf landwirtschaftlichen Flächen, auf denen zugleich Tierhaltung, Obstbau oder Gemüseanbau oder auch Weinbau möglich sind. Auch Windenergieanlagen stehen aufgrund der erforderlichen Abstände zu Wohnbebauung naturgemäß im Ländlichen Raum. Hinzu kommt die Erzeugung aus biogenen Stoffen wie Holz, Stroh, die große und kleine Wasserkraft und die Biogaserzeugung. Damit ist die Energieerzeugung auch heute schon und zunehmend eine Möglichkeit, Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Einkommen im Ländlichen Raum zu generieren. Insbesondere für die Nutzung von Agri-PV und Windenergie sind die Genehmigungsverfahren weiter zu straffen und zu vereinfachen und andere Hürden für die Errichtung weiter zu minimieren. Die Errichtung zusätzlicher Speicherkraftwerke wäre energiepolitisch wünschenswert und sinnvoll und ist daher prioritär zu prüfen.

BÜRGER UND GEMEINDEN BETEILIGEN – Wertschöpfung VOR ORT SCHAFFEN

Wichtig ist, dass die regionale und lokale Bevölkerung gute Möglichkeiten hat, sich an Energieprojekten vor Ort zu beteiligen. Auch müssen die Gemeinden erheblich mehr als bisher den Fokus auf die Energieerzeugung richten, indem sie über Flächennutzungs- und Bebauungspläne den Weg für mehr Agri-PV, Windkraft und PV-Freiflächenanlagen freimachen. Auch die Geothermie ist eine neue Energiegewinnungsform, die gute Chancen bietet, Öl- und Gasverbrauch durch moderne Wärmenetze zu ersetzen. Die meist nur mittelgroßen Anlagen sind keine nennenswerte optische Belastung und daher gerade auch für die Energieversorgung von Dörfern und Kleinstädten bestens geeignet, wo die geologischen Rahmenbedingungen stimmen. Dies gilt ebenso für Flusswärmepumpen, wo Gemeinden an größeren Fließgewässern liegen. Die Energieerzeugung muss viel mehr als Chance statt als Belastung betrachtet werden, auch wenn sie natürlich immer mit Augenmaß ausgebaut werden muss.

Position und Forderungen:

  1. Die ländlichen Räume abseits der städtischen Verdichtungszonen müssen weiterhin gesondert und gezielt unterstützt werden, um die spezifischen Nachteile abzubauen und Potentiale zu heben. Die dementsprechenden Landesprogramme (Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum u.a.) sind weiterzuentwickeln.
  1. Neue Chancen im ländlichen Raum, Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu schaffen, sind konzeptionell und durch Förderung des Landes zu begleiten, dazu zählen u.a. der Tourismus, die Landschaftspflege und der Vertragsnaturschutz, aber auch der Ausbau von Windkraft und Freiflächen-Photovoltaik und Agri-PV.
  1. Landwirtschaftliche Betriebe im ländlichen Raum sind mit dem Ziel des Erhalts und der Stabilisierung zu fördern, da sie ein Rückgrat der wirtschaftlichen Infrastruktur mit vielfältigen Aufgaben, wie oftmals auch Landschaftserhalt oder Energieerzeugung, darstellen.
  1. Die Landesregierung muss auch die kleinen Kommunen beim Erheben von Potenzialen für den Wohnungsbau im Ortskern unterstützen.
  1. Gemeinschaftliche und altersgerechte bezahlbare Wohnformen in Ortsmitten sind von Land und Kommunen zu begünstigen. Gemeinsame Projekte etwa von Kommunen, gemeinnützigen und kirchlichen Trägern müssen vom Land unterstützt werden.
  1. Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im ländlichen Raum sind durch die gezielte Förderung von Innovationen und Investition und durch die Förderung von Weiterbildung und Qualifizierung zu unterstützen.
  1. Die Terranets BW soll zur Infrastrukturgesellschaft des Landes auf- und ausgebaut werden, um die Wasserstoffversorgung und den Aufbau von Verteilnetzen voranzutreiben, sowie perspektivisch um weitere infrastrukturelle Komponenten ergänzt werden.
  1. Jeder Stadt- und Landkreis muss perspektivisch Anschluss an ein wasserstofffähiges Verteilnetz auch außerhalb der Hauptrouten des bislang geplanten Wasserstoffbasisnetzes haben.
  1. Die gesundheitliche Infrastruktur (Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen und –dienste, Apotheken und Krankenhäuser) muss gesichert werden und notfalls auch durch innovative neue Modelle oder Fördermittel bereitgestellt werden. Auch für die Versorgung mit schnellen Hilfseinsätzen des Rettungsdienstes muss ein gutes Niveau sichergestellt werden.
  1. Einrichtungen der Grundversorgung und Geschäfte für Dinge des täglichen Bedarfs müssen vorhanden und abgesichert sein, damit Menschen im ländlichen Raum leben und arbeiten können. Hierzu gehören neben der öffentlichen Verwaltung u.a. auch Post, Bank, Lebensmittelgeschäfte und Drogerien sowie Schulen und Kindertageseinrichtungen, ebenso die gesundheitliche Infrastruktur.
  1. Wir wollen einen Glasfaseranschluss für jedes Haus – nicht zwei oder drei Anschlüsse, aber auch kein Haus ohne Glasfaseranschluss. Ziel muss es sein, bis 2030 jedes Haus mit einem Glasfaserkabel zu versorgen. Dies bedeutet auch den Rückbau der Kupferkabelinfrastruktur, denn erst so lässt sich Komplexität im Netz abbauen und erheblich Energie einsparen.
  1. Wir brauchen auch auf dem Land eine qualitätsvolle, zuverlässige und flächendeckende frühkindliche Bildung. Für die Fachkräftegewinnung im Bereich der frühkindlichen Bildung ist es notwendig, auch im ländlichen Raum ausreichend Ausbildungskapazitäten bereitzustellen und zusätzliche Plätze für die Praxisintegrierte Ausbildung zu schaffen.
  1. Das Land muss sich verstärkt der Förderung der Kultur im ländlichen Raum zuwenden, wie der Stärkung des Ehrenamts, zum Beispiel mit einer Tanzleiterpauschale für die Brauchtumsvereine in Anlehnung an die Chorleiterpauschale. Auch ist der Solidarpakt Sport zu verstetigen.
  1. Livemusikspielstätten und Clubs sind bei der Mobilitätsplanung durch die Schaffung oder gegebenenfalls den Ausbau von Ruftaxi-Modellen oder überregionalen Nachtbussen (auch für Frauen), die an das Modell von REGIObussen anknüpfen können, zu berücksichtigen.
  1. Das Land muss weiterhin seinen finanziellen Beitrag zur Sanierung und zum Ausbau von Straßen im ländlichen Raum leisten.
  1. Das Land muss seinen finanziellen Beitrag für die Mobilitätsgarantie leisten und nicht nur auf den Bund und die Kommunen verweisen. Verbundzusammenschlüsse sind aktiv vorantreiben.
  1. Das Land ist gefordert, für eine einheitliche und landesweite Digitalisierung des ÖPNV zu sorgen.
  1. Es ist wichtig sicherzustellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer finanziellen Situation, von einem Glasfaserausbau profitieren. Daher brauchen wir eine Anschlusspflicht beim Glasfaserausbau. Das bedeutet, dass alle Gebäude mit einem Anschluss versorgt werden sollen und nicht nur die, bei denen sich die Nutzer die Kosten für den Hausanschluss leisten können. Hier muss das Land eine entsprechende Förderkulisse schaffen.
  1. Windkraftausbau, Nahwärmenetze, PV-Freiflächenanlagen und Agri-PV sowie Geothermie sind so zu fördern, insbesondere durch Genehmigungserleichterungen, dass sie ihren Beitrag zur Stärkung des ländlichen Raums und zur Energiewende leisten können.

Ansprechpartner

Opitz-Leifheit Fraktion
Nils Opitz-Leifheit
Berater für Energie und Umwelt, Ländlicher Raum, Verbraucherschutz