Wolfgang Drexler: „Unter dem Druck der CDU-Basis versprechen Oettinger und Schavan Dinge, die sie bisher strikt abgelehnt haben – und nähern sich immer mehr SPD-Positionen an“

Mit Erstaunen und Verärgerung wird in der SPD-Landtagsfraktion der Auftritt der potenziellen Teufel-Nachfolger bei den CDU-Regionalkonferenzen und bei Redaktionsbesuchen aufgenommen. Nahezu täglich könne man in den Medien Äußerungen von CDU-Fraktionschef Oettinger und Kultusministerin Schavan nachlesen, die an Heuchelei kaum zu überbieten seien. Beim Ausbau der Ganztagesschulen, bei den erneuerbaren Energien, bei der Ausweitung der Bürgerbeteiligung, dem Kampf gegen den Islamismus, aber auch bei den Kürzungen der Ministerpensionen würden von den beiden Kandidaten immer häufiger Dinge versprochen, die die beiden bisher im Landtag strikt abgelehnt hätten, so SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler. Offenkundig geschehe dies unter dem Druck der CDU-Basis, die auf vielen Politikfeldern weiter sei als die Führungsreserve der baden-württembergischen CDU. Oettinger, aber auch Schavan, wollten sich angeblich auch „besonders um den Mittelstand kümmern“, verschwiegen aber, dass sie die Förderung von Mittelstandsdarlehen radikal gekürzt und das Innovationsförderprogramm schon 2002 komplett gestrichen haben.

Drexler: „Wir reiben uns erstaunt die Augen, dass Oettinger und Schavan immer dann großen Beifall bekommen, wenn sie Positionen vertreten, die denen der SPD sehr nahe kommen, aber im Widerspruch stehen zur bisherigen Politik von Oettinger und Schavan.“

Es stehe deshalb zu befürchten, dass die vielen schönen Versprechungen unter der Rubrik „versprochen – gebrochen“ abgehakt werden, wenn das Schaulaufen der möglichen Teufel-Nachfolger beendet und die Nachfolgefrage entschieden sei. Die SPD werde allerdings im Landtag beide Bewerber um das Amt des Ministerpräsidenten unabhängig vom Ausgang der Basisentscheidung künftig an den Positionen messen, die sie jetzt im parteiinternen Wahlkampf vertreten hätten. „Schöne Sprüche und wolkige Versprechungen werden wir weder Herrn Oettinger noch Frau Schavan durchgehen lassen. Wir werden sie im Landtag zwingen, ihre Wahlkampfversprechungen auch einzuhalten.“

Dies gelte insbesondere auch für den Doppelhaushalt 2005/2006, von dem Oettinger nun selber sage, er sei ungerecht, weil mit der riesigen Neuverschuldung die Zukunft der Jugend verbaut werde. Durch die kritischen Äußerungen Oettingers zum Landeshaushalt (StZ vom 22.11.2004) beim Landestag der Jungen Union am vergangenen Wochenende fühle sich die SPD zudem in ihrer Forderung bestärkt, dass Teufel sein Amt noch vor Einbringung des Doppelhaushaltes aufgeben muss.

Versprochen – gebrochen: An einigen Beispielen zeigte SPD-Fraktionschef Drexler auf, wie sehr sich die Aussagen der Aspiranten auf das Amt des Ministerpräsidenten von ihrer bisherigen Politik unterscheiden, teilweise geradezu in diametralem Widerspruch dazu stehen.

Ministerpensionen
„Wir sollten entlang der Entwicklung in der freien Wirtschaft das Regeldatum 65 für Pensionen einführen“, sagte Oettinger mit Blick auf die aktuellen Ansprüche ehemaliger Regierungsmitglieder und „Mit mir wäre ein Abbau der Pensionen für Abgeordnete und Minister zu machen“ (STN 18.11.2004).

Drexler: „Das klingt gut, lässt sich aber mit der parlamentarischen Wirklichkeit nicht auf einen Nenner bringen.“ Oettinger wie Schavan hätten in der Vergangenheit alle Gesetzesentwürfe der SPD-Landtagsfraktion abgelehnt, die genau dies zum Ziel hatten. Im Dezember 2002 habe die SPD einen entsprechenden Gesetzesvorstoß unternommen, der dann von Regierung und Regierungsfraktionen ein halbes Jahr lang verschleppt und im Mai 2003 endgültig abgelehnt worden sei. Um Regierung und Regierungsfraktionen doch noch zum Handeln zu zwingen, habe die SPD im September 2003 ihren früheren Gesetzentwurf erneut eingebracht, sei damit aber am 26.11.2003 in zweiter Lesung im Parlament wiederum an CDU und FDP gescheitert. Die SPD wollte u. a., dass das Mindestalter für die Auszahlung des Ruhegehaltes von 55 auf 65 Jahre angehoben und der Höchstsatz der Pensionen von 75 auf 70 Prozent der Amtsbezüge abgesenkt wird.

Gegen den Widerstand der SPD hätten Oettinger, Schavan und Co. sogar die bis 1997 geltende Regelung verlängert, wonach amtierende Minister und Staatssekretäre von jeglichen Änderungen bei den Ministerpensionen ausgenommen werden.

Drexler: „Herr Oettinger und Frau Schavan sind mitverantwortlich dafür, dass Exminister Palmer, der sich selbst aus dem Amt geohrfeigt hat, schon mit 42 Jahren ausgesorgt hat und rein rechnerisch bis zu seinem 65. Lebensjahr rund 1,8 Mio. Euro brutto an Altersversorgung kassiert.“

Ganztagesschulen
Schavan ist für den bedarfsgerechten Ausbau „in allen Teilen des Landes“ und sieht darin „keinen Dissens“ mit Oettinger, der für „flächendeckende“ Angebote eintritt (Esslinger Zeitung 16.11.2004).

„Von daher brauchen wir so viel Familie wie möglich, aber auch so viel flächendeckende Ganztagsangebote für alle Altersgruppen wie nötig.“ (Oettinger in der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 13.11.2004)

SPD-Fraktionschef Drexler wies darauf hin, dass die CDU im Landtag in der Vergangenheit alle Anträge der SPD abgelehnt hat, Ganztagesschulen überall im Land bedarfsgerecht und damit flächendeckend einzuführen. Noch in der jüngsten Plenarsitzung am 11.11.2004 hätten Oettinger und Schavan im Landtag dagegen gestimmt, Ganztagsschulen zusätzliches Personal zur Verfügung zu stellen, wie dies die SPD seit langem fordert. Dieselbe Kultusministerin, die jetzt einem „bedarfsgerechten Ausbau von Ganztagesschulen in allen Landesteilen“, also einem flächendeckenden Ausbau, das Wort rede, habe erst unter dem Druck der Öffentlichkeit ihre ideologischen Blockaden gelockert und Mittel des Bundes zum Ausbau von Ganztageseinrichtungen angenommen.

Einem „bedarfsgerechten Ausbau“ steht nach den Worten von Wolfgang Drexler die Weigerung der Kultusministerin entgegen, zusätzliches Personal für Ganztagesschulen auch außerhalb von Brennpunkt-Hauptschulen zur Verfügung zu stellen. Weil aber die CDU-Basis immer mehr Ganztageseinrichtungen fordere, passten sich Oettinger und Schavan bei ihren Auftritten auf den Regionalkonferenzen jetzt populistisch diesen Wünschen an, obwohl sie in der Vergangenheit im Landtag das Gegenteil beschlossen hätten.

Drexler wörtlich: „Oettinger und Schavan reden der CDU-Basis nach dem Mund, versprechen den bedarfsgerechten Ausbau von Ganztagesschulen, wie dies die SPD seit langem fordert, verschweigen aber, dass sie im Landtag anders handeln. Die Unterschiede zwischen Oettinger und Schavan reduzieren sich fast nur noch darauf, dass Oettinger die Einführung der Schuluniform und Schavan die Abschaffung der Lernmittelfreiheit fordert.“

Deutsch in Moscheen / Sprachförderung
Aus purem Populismus habe Kultusministerin Schavan nach den Anschlägen auf einen niederländischen Filmemacher gefordert, in den Moscheen in Deutschland nur noch Deutsch als Sprache zuzulassen, sagte Drexler. Im Kontrast dazu stehe das Versagen der Ministerin bei der Sprachförderung. Sie selber habe in einer Debatte im Landtag über eine Große Anfrage der SPD am 17. Oktober 2004 eingeräumt: „Wir brauchen jährlich 6 Mio. Euro zusätzlich, um das Konzept der interministeriellen Arbeitsgruppe ‚Sprachförderung im Vorschulalter’ umzusetzen“.

„Fakt ist: Keinen einzigen Euro zusätzlich hat die Ministerin für die Sprachförderung bereitgestellt“, so Drexler empört. Vor diesem Hintergrund sei die Forderung nach Einführung der deutschen Sprache in den Moscheen „blanker Zynismus“ und ein „Ablenkungsmanöver“ vom eigenen Versagen.

Im Übrigen habe die Ministerin es bisher auch nicht geschafft, islamischen Religionsunterricht in Baden-Württemberg einzuführen oder islamische Religion als akademischen Ausbildungsgang an den Universitäten hier zu verankern.

Der vermeintliche Kampf Schavans gegen Hassprediger sei auch deshalb unglaubwürdig, weil sie im Kabinett die komplette Streichung der 50 Personalstellen und der finanziellen Mittel für den Anti-Terror-Kampf abgenickt und damit der Polizei und dem Verfassungsschutz zusätzliche Aufklärungsmöglichkeiten aus der Hand geschlagen habe.

Erneuerbare Energien / Energiestandort Baden-Württemberg
Bei Redaktionsbesuchen und bei ihren Auftritten auf den CDU-Regionalkonferenzen betonen Oettinger und Schavan, wie wichtig es sei, „Firmenzentralen im Land zu halten“ (Oettinger in der StZ vom 16.11.2004). Beide fordern, dass „wir unabhängig bleiben müssen in unserer Energieversorgung“ und „die nachhaltige Förderung regenerativer Energien brauchen“ (Schavan-Rede in Heilbronn am 17.11.2004). Und vor allem Schavan beklagt, dass „Baden-Württemberg die höchsten Strompreise hat“ (Rede in Heilbronn).

Schavan verschweige, so Drexler, dass sie im Kabinett nichts dagegen unternommen hat, als das Wirtschaftsministerium im Jahre 2000 die Strompreisprüfung bei den Energieversorgungsunternehmen im Land abgeschafft hat. Drexler: „In Baden-Württemberg gibt es als einzigem Bundesland keine Preisaufsicht mehr und dies ist eine wesentliche Ursache dafür, dass bei uns die Strompreise so extrem hoch sind.“

Unglaubwürdig sei auch das Bekenntnis Oettingers und Schavans zu den erneuerbaren Energien, da sie in der Vergangenheit im Landtag sämtliche Anträge zur Erhöhung der Landesfördermittel für erneuerbare Energien abgelehnt hätten. Die SPD-Fraktion habe dafür in den letzten Haushalten jeweils etwa 10 Mio. Euro beantragt, alle Anträge seien mit den Stimmen von Oettinger und Schavan abgelehnt worden. Und weder Oettinger noch Schavan hätten es in der Vergangenheit gewagt, dem Ministerpräsidenten in den Arm zu fallen, um Teufels Windkraftblockade zu verhindern, so Drexler.

Entgegen einem Votum des Landtags habe die Landesregierung im Bundesrat sogar das „Erneuerbare Energien Gesetz“ blockiert und erst unter dem Druck der Energiewirtschaft wegen der sog. „Großen Wasserkraft“ schließlich doch noch eingelenkt.

Die Forderung der beiden Teufel-Nachfolgebewerber, die EnBW als eigenständiges Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe zu erhalten, stehe im Widerspruch zu dem von beiden im Landtag unterstützten Verkauf der Landesanteile an der EnBW an die EdF. Gerade die jüngste Entwicklung mache deutlich, so Drexler, dass damit der Ausverkauf des Energiestandortes Baden-Württemberg eingeleitet und der erste Schritt zur vollständigen Übernahme von EnBW durch den französischen Staatskonzern EdF gemacht worden sei.

Ausbau der Bürgerbeteiligung
Schon vor über vier Jahren, im April 1998, hatte die SPD-Landtagsfraktion im Landtag einen Gesetzentwurf für mehr Bürgerbeteiligung eingebracht. Seitdem hat die SPD immer wieder versucht, der Landesregierung und den Regierungsfraktionen bessere Regelungen für mehr Bürgerbeteiligung abzutrotzen, bisher allerdings ohne jeden Erfolg. Im August 2002 etwa und dann wieder im April 2004 hat die SPD sogar bewusst auf weitergehende eigene Forderungen verzichtet und im Plenum nur jene Forderungen zur Abstimmung gestellt, die auch vom Gemeindetag vertreten wurden. Ergebnis: Abgeblockt!

Stets aufs Neue wurde die SPD mit dem Hinweis abgespeist, die Regierung erarbeite selber einen umfassenden Gesetzentwurf, der noch in diesem Jahr 2004 in den Landtag eingebracht werde. Aber nichts sei bisher geschehen, so Drexler.

Drexler: „Die CDU sonnt sich an der aus taktischem Kalkül erzwungenen Mitgliederbefragung, verweigert aber allen anderen Bürgerinnen und Bürgern im Land bis heute die Teilhabe an wichtigen Entscheidungen.“

Versprochen – gebrochen: Oettinger und Schavan nicht glaubwürdig
Beim Schaulaufen der möglichen Teufel-Nachfolger gehe es nicht um CDU-Interna, sondern um die Nachfolge im Amt des Ministerpräsidenten, sagte Drexler. „Die parteiinterne Auseinandersetzung betrifft alle in Baden-Württemberg, nicht nur die CDU-Mitglieder. Wir verlangen deshalb ehrliche Aussagen darüber, wie sich Oettinger und Schavan die Zukunft dieses Landes vorstellen und warum sie bisher anders gehandelt haben. Genau diesem Anspruch auf Glaubwürdigkeit genügen beide Aspiranten bisher in keiner Weise.“

Helmut Zorell
Pressesprecher