Redemanuskript Daniel Born

Aktuelle Debatte: Gesetz zur Wiedereinführung einer verbindlichen Grundschulempfehlung

am 04.03.2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Übertritt von der Grundschule in die weiterführende Schule markiert einen zentralen Moment in der Bildungsbiographie unserer Kinder. Deshalb beschäftigt dieser die Eltern. Deshalb beschäftigt dieser auch die Politik. Und die Politik hat in der vergangenen Legislatur eine Entscheidung im Sinne der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Schulen getroffen, im Sinne der Kinder getroffen. Wir haben die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft und diese Entscheidung war und ist richtig.

Wir haben damit dafür gesorgt, dass die Grundschulempfehlung endlich ihrer Aufgabe gerecht werden konnte. Was ist die Aufgabe der Grundschulempfehlung? Mit der Grundschulempfehlung sollen die Eltern eine umfassende Grundlage bekommen, die Sie für die weitere Schullaufbahn ihres Kindes zu treffen haben. Es ist eben eine Empfehlung, es ist eine Grundlage für Beratungsgespräche, für ein kooperatives Zusammenwirken von Eltern und Lehrerinnen und Lehrern. Wenn sie dem jetzt eine Rechtsverbindlichkeit dahingehend verschaffen, dass die Beurteilung der Grundschule keine Empfehlung mehr ist sondern darüber entscheidet, wer auf welchen Bildungsgang darf, dann wird der Druck auf die Grundschule, die Empfehlung entsprechend der gewünschten weiterführenden Schule auszusprechen größer. Damit schränkt sich die Möglichkeit zu fruchtbaren Elterngesprächen ein. Und gerade dieses Zusammenwirken ist ein wichtiges Gut für die Kinder. Wenn es hier im Landtag keine Mehrheit für das Ansinnen der FDP gibt, dann deshalb, weil der Landtag nicht bereit ist, den Kindern dieses wichtige Gut zu nehmen.

Überhaupt: die FDP.  Sie drehen sich im Kreis. Immer wieder, immer wieder. Da wird mir schon beim Zuschauen ganz schwindlig. Dass die Kultusministerin mit ihnen dieses Tänzchen wagt, kann man nur dem vorzeitigen Wahlkampf zuordnen. Eine gute Figur machen CDU und FDP mit solchen unnötigen Tanzeinlagen jedenfalls nicht.

Und die Grundmusik, die in diesem Tänzchen mitschwingt, ist ja seit Jahren die immer gleiche Behauptung, dass die Eltern ihre Elternwahlfreiheit nicht verantwortungsvoll nutzen würden. Das traurige ist nur: sie tanzen hier weiter, während die Kapelle längst nicht mehr spielt. Eltern nutzen ihr Wahlrecht äußerst verantwortungsvoll. Erst Ende Januar lobt selbst die Ministerin wieder die über Jahre stabilen Übergangsquoten. Und das will bei der Ministerin was heißen, weil sie ja Spitzenkandidatin einer Partei ist, wo in den derzeitigen Landtagsbewerbungsrunden die Kandidierenden wildeste Phantasien darüber äußern, wie sie das Elternwahlrecht wieder abschaffen wollen.

Eltern sind in ihrer Entscheidung souverän – aber nicht alleingelassen. Das ist das kluge Konzept der Grundschulempfehlung. Und Gespräche mit der Schulleitung der weiterführenden Schule sind ebenfalls möglich und werden als konstruktiv empfunden.

Nun behaupten Sie, die weiterführenden Schulen bräuchten die verbindliche Grundschulempfehlung zur bestmöglichen Förderung der Kinder. Es sagt viel über das bildungspolitische Konzept der FDP aus, wenn sie ernsthaft glaubt, ein Kreuz auf einem Formblatt sei ein Förderinstrument.

Wir haben mit dem „Lernstand 5“ in Deutsch und Mathe ein wirksames Diagnoseinstrument eingeführt, anhand dessen die Lehrkraft der weiterführenden Schule genau erfassen kann, welche Stärken und Schwächen die Schülerinnen und Schüler haben. Eine solche zielgerichtete Förderung muss unser Ziel sein und nicht die frühestmögliche Selektion.

Das alte Schubladendenken, das weder FDP noch CDU ablegen können, hat ein Problem: Baden-Württemberg bekommt in Vergleichsstudien seit Jahren einen überdurchschnittlich starken Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg attestiert. Das ist ein Merkmal von Bildungsungerechtigkeit. Politik muss aber das Ziel haben, dass wir diese Bildungsungerechtigkeit überwinden. Dass jedes Kind in Baden-Württemberg alle und die gleichen Chancen hat, seine Talente zu zeigen und seinen Weg zu gehen. Ein Chancenland Baden-Württemberg mit bester Qualität, bester Ausstattung und Gebührenfreiheit von der Kita bis zum Meisterbrief und zum Studienabschluss. Und nicht mit dem Schubladendenken indem Sie von FDP und CDU immernoch festkleben.

Was sie mit dieser Haltung blockieren ist eine pädagogische Weiterentwicklung unserer Schulen: Gerade auch Realschulen und auch Gymnasien müssen und wollen Wege finden ihre Schülerinnen und Schüler besser zu fördern. Ein konkretes Beispiel: Wenn ein Kind fit fürs Gymnasium ist, muss es dort und nicht etwa auf der Hauptschule gute Sprachförderangebote bekommen. Es gibt kein „zurück in die Vergangenheit“, weil unsere Bevölkerung immer heterogener wird und sich das auch in den Klassenzimmern widerspiegelt.

Die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung kann keine Lösung sein, weil deren Abschaffung nie ein Problem war. Blicken Sie nicht zurück, sondern richten Sie die Augen nach vorne: Da stehen eine starke frühkindliche Bildung, individuelle Förderung von Anfang an und längeres gemeinsames Lernen. Da steht die Idee einer gelebten Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Schulen zum Wohle der Kinder. Ihre Schubladen stehen für Frust, Misstrauen und ungenutzte Talente. Die SPD steht für das Chancenland Baden-Württemberg. Das Chancenland Baden-Württemberg hat Zukunft. Ihre Schubladen sind Vergangenheit.

Es gilt das gesprochene Wort

Ansprechpartner

Daniel Born
Stellvertretender Landtagspräsident

Dr. Stefan Fulst-Blei
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender Bildungspolitischer Sprecher

Lisa Rößner
Beraterin für Bildung, Jugend und Sport