Wolfgang Drexler: „Die vorgesehene Besetzung der Spitze des Verfassungsschutzes macht diese renommierte Behörde zum Opfer von Postengeschacher“
SPD verlangt sofortigen Stopp der geplanten Besetzung und neues Auswahlverfahren
Mit großer Empörung reagierte die SPD-Fraktion auf die Entscheidung der Landesregierung, einen völlig unerfahrenen FDP-Mann an die Spitze des Landesamtes für Verfassungsschutz zu hieven. Für SPD-Fraktionschef Drexler wird damit diese weit über Baden-Württemberg hinaus hoch angesehene Behörde zum Opfer des Postengeschachers zwischen CDU und FDP. Der von CDU und FDP vorgeschlagene Rannacher-Nachfolger habe keinerlei Erfahrung mit Nachrichtendiensten vorzuweisen und besitze keinerlei Qualifikation für die Führung eines so großen Amtes mit über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es sei ein „unerhörter Vorgang“, dass ausgerechnet dieser Behörde, der im Kampf gegen den Terrorismus so große Bedeutung zukomme, eine solche Besetzung zugemutet werde.
Drexler erinnerte daran, dass der von allen hoch gelobte frühere Verfassungsschutzpräsident Rannacher vom damaligen Innenminister Birzele zum Chef dieser Behörde ernannt wurde, obwohl er Mitglied der CDU ist. Drexler: „Damals wurde ausschließlich nach fachlicher Kompetenz entschieden, ohne Rücksicht auf parteipolitische Zugehörigkeit. Genau dies erwarte ich von der Regierung Oettinger auch jetzt.“
SPD-Fraktionschef Drexler forderte die Landesregierung auf, aus Respekt für die hochqualifizierte Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz die vorgesehene Besetzung mit einem Vertrauten des FDP-Spitzenkandidaten Goll umgehend zu stoppen und ein neues Auswahlverfahren einzuleiten. Das Spitzenamt für die Terrorbekämpfung müsse mit einem ausgewiesenen Fachmann bzw. einer ausgewiesenen Fachfrau besetzt werden. Dabei müsse selbstverständlich auch der bisherige LfV-Vize in die Überlegungen mit einbezogen werden.
Drexler verlangte von der Landesregierung auch, ihre zahlreichen Versprechungen zum Antiterrorkampf endlich in die Tat umzusetzen. Fakt sei, dass von den ursprünglich allein für Polizei- und Verfassungsschutz im Rahmen des Antiterrorkampfes zusätzlich versprochenen 12,53 Mio. € derzeit lediglich noch 35.000 € übrig geblieben seien. Auch die personalpolitischen Zusagen für mehr Stellen bei Polizei und Verfassungsschutz im Rahmen des Antiterrorprogramms seien teilweise schon wieder gebrochen worden.
Die Schläfrigkeit und Zaghaftigkeit der Landesregierung bei der Bekämpfung des Terrorismus komme auch darin zum Ausdruck, dass Baden-Württemberg als eines der letzten Bundesländer das vom Bund bereits im Januar 2002 verabschiedete Terrorbekämpfungsgesetz erst jetzt auf Landesebene umsetze. Drexler wörtlich: „Fast alle anderen Länder haben die verbesserte Terrorbekämpfung längst in Landesgesetze übernommen, nur diese Landesregierung hat jahrelang vor sich hingeschlafen. Das immer wieder vorgebrachte Argument, man wolle mit diesem Gesetzwurf zusätzlich noch einiges mehr regeln, ist kaum mehr als eine Schutzbehauptung.“
Mit dem Kuhhandel um die Besetzung der Spitze des Verfassungsschutzes hätten CDU und FDP wieder einmal unter Beweis gestellt, dass Pöstchenjägerei gerade bei wichtigen Positionen oberstes Leitmotiv der Personalpolitik dieser Landesregierung ist. Darin unterscheide sich die Regierung Oettinger keinen Deut von der Regierung Teufel.
Drexler erinnerte in diesem Zusammenhang an einige peinliche personalpolitische Entscheidungen: So war der FDP-Abgeordnete Hans Freudenberg als Amtschef nach Berlin in die dortige Landesvertretung wegbefördert worden, damit im Gegenzug im Staatsministerium eine Ministerstelle geschaffen werden konnte. Auch die Schaffung einer dritten Landtagsvizepräsidentenstelle für die FDP-Abgeordnete Beate Fauser (O-Ton: „Verlassen Sie sich nicht auf die Politik, sonst sind Sie verlassen“) sei ausschließlich dem Parteienproporz und der Pöstchenjägerei der FDP geschuldet, so Drexler.
Unter dem Stichwort „Ämterpatronage“ und „Pöstchenschieberei“ müssten auch die Besetzungen des Geschäftsführerpostens bei Toto-Lotto mit Ex-Minister Repnik und die Beförderung von Ex-Innenminister Schäuble zum Brauereichef bei der landeseigenen Rothaus angesprochen werden. Nicht ohne Brisanz seien auch die Neubesetzungen an der Spitze der Landeszentrale für politische Bildung mit einem Beamten aus dem Staatsministerium und die Neubesetzung eines Vorstandspostens bei der L-Bank mit einem nicht ausreichend dafür qualifizierten Beamten aus dem Umfeld des damaligen FDP-Wirtschaftsministers Döring gewesen. Auch der Versuch der Landesregierung, den damaligen Regierungssprecher zum Chef der Landesanstalt für Kommunikation zu machen und die berüchtigte „Lex Föll“, mit dem Gegengeschäft der Doppelkandidaturen bei Kreistagswahlen, gehörten in diese Kategorie, so Drexler. Nicht unerwähnt bleiben dürfe auch der peinliche Koalitionsstreit um die Nachfolge von Gerlinde Hämmerle an der Spitze des Regierungspräsidiums Karlsruhe.
Drexler: „Nach den Terroranschlägen in London haben der Ministerpräsident und der Innenminister noch großspurig angekündigt, den Kampf gegen den Terrorismus entschlossen weiterführen zu wollen. Wenn dies nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben sollen, dann muss das Spitzenamt beim Verfassungsschutz nach dem Kriterium der Fachkompetenz besetzt werden und nicht nach Parteizugehörigkeit oder Parteienproporz.“