SPD legt Konzept für Doppelhaushalt 2002/2003 vor


MdL Wolfgang Drexler
: „Die Zukunft unseres Landes entscheidet sich in den Köpfen unserer Kinder – deshalb setzen wir klare Signale für den Ausbau von Ganztagesschulen und familiengerechter Kinderbetreuung“

MdL Nils Schmid: „Wir verkaufen 14 Prozent der Landesanteile an der LBBW, tilgen damit Landesschulden und finanzieren mit den eingesparten Zinsen wichtige Zukunftsaufgaben“

Nach intensiver Vorbereitung hat die SPD-Landtagsfraktion auf ihrer Klausurtagung in Baden-Baden das Konzept für den Doppelhaushalt 2002/2003 beschlossen. Im Mittelpunkt stehen dabei nach Angaben von SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler zusätzliche Investitionen in Bildung und Betreuung in Höhe von insgesamt über 100 Mio Euro. Kernpunkt dabei sind die Erweiterung der schulischen Ganztagesangebote und der massive Ausbau der Betreuungsangebote für Kleinkinder.

Für die Umsetzung ihres Kinderbetreuungskonzeptes hat die SPD im Doppelhaushalt zusätzlich 46,4 Mio Euro eingeplant, damit in den beiden Haushaltsjahren kurzfristig 7.800 neue Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren in Baden-Württemberg geschaffen werden können. Für die Ausweitung der Betreuungsangebote hat die Fraktion über die haushaltspolitischen Eckpunkte hinaus zugleich auch ein detailliertes Umsetzungskonzept beraten und beschlossen, das heute erstmals der Presse vorgestellt wurde. Für den Ausbau der schulischen Ganztagesangebote hat die SPD im Doppelhaushalt Mittel für 600 zusätzliche Deputate eingestellt (25,6 Mio Euro), um 200 weitere Ganztagesschulen einrichten zu können sowie weitere 19,4 Mio Euro für kommunale Betreuungsangebote an den Schulen. Innerhalb von fünf Jahren will die SPD 500 zusätzliche Ganztagesschulen einrichten, in jedem Stadt- und Landkreis sollen bis 2006 demnach jährlich zwei neue Ganztagesschulen hinzukommen.

Klare Signale setzen will die SPD mit ihrem Vorschlag zum Doppelhaushalt auch für mehr Beschäftigung und Wirtschaftswachstum, und zwar durch die Unterstützung investiver und beschäftigungsfördernder Maßnahmen im Wohnungsbau und bei der Altbausanierung im Umfang von insgesamt rund 145 Mio Euro.

Auch bei der Inneren Sicherheit hält die SPD die von der Landesregierung in deren Haushaltsentwurf vorgesehenen Maßnahmen für unzureichend. Die SPD will deshalb u. a. 640 zusätzliche Stellen bei der Polizei schaffen, damit die Sicherheitsbehörden im Land den enorm gestiegenen Herausforderungen personell gewachsen sind.

Zusätzliches Geld im Doppelhaushalt will die Fraktion zudem bereitstellen für die Verbesserung der Pflege älterer Menschen und für den Umweltschutz, u. a. für erneuerbare Energien und Energieeinsparung.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Drexler bezeichnete das Haushaltskonzept seiner Fraktion als „klare Alternative“ zum Entwurf der Regierung: „Wir setzen ein deutliches Zeichen für bessere Bildung und mehr Kinderbetreuung, denn die Zukunft unseres Landes entscheidet sich in den Köpfen unserer Kinder. Eine ausreichende Anzahl schulischer Ganztagesangebote und genügend Betreuungsangebote gerade auch für Kleinkinder helfen zudem nicht nur den Eltern, Beruf und Familie zu vereinbaren – sie sind auch ein ganz wesentlicher Standortfaktor für unsere Wirtschaft.“

Demgegenüber bleibe der Haushaltsentwurf der Landesregierung weit hinter den Möglichkeiten des Landes zurück, „ein glatter Fehlstart in die Zukunft“, kritisierte Drexler. Ministerpräsident Teufel habe im Landtagswahlkampf „das Blaue vom Himmel herunter versprochen2, jetzt aber mit dem Haushaltsentwurf der CDU/FDP-Landesregierung seinen politischen Offenbarungseid geleistet.

Das Hauptübel liegt für Drexler darin, dass Teufel gegen den Widerstand der SPD und gegen alle Vernunft die Landesstiftung durchgedrückt habe, um im Wahlkampf „allen alles versprechen zu können2. Mehr und mehr zeige sich nun aber, dass über diese völlig verfehlte Stiftungslösung dem Landeshaushalt Geld entzogen wird, das dort an allen Ecken und Enden nun fehlt.

Drexler: „Das Notwendige kann Teufel nicht mehr finanzieren, vor allem bei Bildung und Kinderbetreuung, weil das Geld für teilweise höchst fragwürdige, parteipolitisch motivierte, teilweise nachrangige Projekte über die Landesstiftung ausgegeben wird. Eine solche Politik ist familienfeindlich, bildungsfeindlich, sie ist zutiefst unsozial und sie verbaut dem Land massiv die Möglichkeit, seine Zukunftschancen auch wirklich wahr zu nehmen.“

Das Kleinkindbetreuungskonzept der SPD im Doppelhaushalt 2002/2003:

7.800 neue Betreuungsplätze für Kleinkinder!

Die SPD beantragt im Vorgriff auf gesetzliche Regelungen im kommenden Doppelhaushalt Mittel für den Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes für Kleinkinder. Ziel ist es, kurzfristig in den nächsten beiden Jahren 7.800 neue Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren in Baden-Württemberg einzurichten.

Diese Plätze sollen zu zwei Dritteln in altersgemischten Gruppen (5.200 Plätze) und zu einem Drittel in Krippen (2.600 Plätze) geschaffen werden. Dies bedeutet eine massive Steigerung des bisherigen Platzangebotes um rund 86 Prozent. Die Landesregierung dagegen will nur rund 1.800 neue Plätze schaffen.

Mit dem Konzept der SPD zur Verbesserung des Betreuungsangebotes für Kleinkinder wird im Land eine Versorgungsquote von 5 Prozent erreicht. Rechnet man das Betreuungsangebot durch Tagesmütter hinzu, dann beläuft sich die Versorgungsquote auf 7,2 Prozent.

In Baden-Württemberg leben zurzeit 337.400 Kinder unter drei Jahren. Für sie gibt es nur 9.100 Betreuungsplätze (2.500 Plätze in Kinderkrippen und 6.600 Plätze in altersgemischten Gruppen). Die Versorgungsquote liegt damit derzeit bei nur 2,7 Prozent.

Eckpunkte des SPD-Konzeptes:

Der Ausbau erfolgt bereits ab 2002 und nicht wie von der Landesregierung geplant erst ab 2003.

Um die Kommunen wirksam beim Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes zu unterstützen, wird diese Erweiterung ganz überwiegend durch originäre Landesmittel finanziert.

Der Ausbau umfasst sowohl Kinderkrippen als auch altersgemischte Gruppen.

Die Kommunen werden spürbar entlastet, weil sich das Land nach dem SPD-Konzept künftig auch an der Finanzierung der bereits bestehenden Kinderkrippen mit originären Landesmitteln beteiligt.

Altersgemischte Gruppen

Durch die Umwandlung bestehender Kindergarten-Gruppen in altersgemischte Gruppen und durch die Schaffung neuer altersgemischter Gruppen will die SPD für 5.200 Kleinkinder neue Betreuungsplätze schaffen. Davon soll ein Viertel auf Ganztagsangebote (1.300 Plätze in 377 Gruppen) entfallen. Die übrigen 3.900 neuen Plätze werden in 1.032 altersgemischten Gruppen mit verlängerten Öffnungszeiten (mindestens sechs Stunden) oder in altersgemischten Halbtagsgruppen geschaffen.

Um die Kommunen beim Ausbau dieses altersgemischten Betreuungsangebotes zu entlasten, soll das Land nach dem Willen der SPD im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung 20 Prozent des Gruppenzuschusses für neu geschaffene altersgemischte Gruppen aus originären Landesmitteln übernehmen. Dafür sind Mittel in Höhe von rund 8,6 Mio. Euro pro Jahr vorgesehen. Die restlichen Mittel für die Gruppenzuschüsse werden – wie bisher – aus Mitteln aufgebracht, die der Finanzausgleichsmasse A vorweg entnommen werden.

Kinderkrippen

Die SPD will in Kinderkrippen insgesamt 2.600 neue Plätze schaffen (260 neue Gruppen). Die dafür erforderlichen Mittel werden durch originäre Landesmittel in Höhe von rund 7,4 Mio. Euro pro Jahr finanziert. Die neuen und die bereits bestehenden 250 Gruppen in Kinderkrippen erhalten zukünftig einen Zuschuss in Höhe von 28.632,3 Euro pro Gruppe (56.000 DM). Dieser Zuschuss wird nicht durch eine Vorwegentnahme aus der Finanzausgleichsmasse A, also zu Lasten der Kommunen, sondern durch originäre Landesmittel finanziert. Dafür sind Mittel in Höhe von rund 7,2 Mio. Euro pro Jahr vorgesehen.

Kommunaler Finanzierungsanteil

Das Kinderbetreuungskonzept der SPD sieht pro Jahr Mittel in Höhe von rund 23,2 Mio. Euro vor. Hinzu kommen 14,4 Mio. Euro aus Mitteln der Finanzausgleichsmasse A. Im Gegensatz zum Konzept der Landesregierung trägt im SPD-Konzept das Land mit fast zwei Dritteln der Gesamtkosten den Löwenanteil der Ausbaukosten

Landesregierung

Landesanteil 4.020,0 Tsd. Euro 27,5 Prozent

Kommunalanteil 10.600,0 Tsd. Euro 72,5 Prozent

SPD-Konzept

Landesanteil 23.210,8 Tsd. Euro 61,8 Prozent

Kommunalanteil 14.362,0 Tsd. Euro 38,2 Prozent

Stellt man in Rechnung, dass die Kommunen durch die vorgesehene neue Landesförderung für bestehende Krippengruppen in Höhe von rund 7,2 Mio. Euro nachhaltig entlastet werden, dann beläuft sich der von der Kommunen zu erbringende tatsächliche Finanzierungsanteil auf jährlich rund 7,2 Mio. Euro.

Finanzierung von Kinderbetreuung und Ganztagesschulen im Doppelhaushalt

Zur Finanzierung der Mehrausgaben für die Ausweitung von Ganztagesschulen und Kinderbetreuungsangeboten in Höhe von rund 72 Mio Euro im Doppelhaushalt 2002/2003 will die SPD-Fraktion 14 Prozent von derzeit 39,5 Prozent der Landesanteile an der LBBW verkaufen, die Sperrminorität aus strukturpolitischen Gründen jedoch behalten.

Die Verkaufserlöse in Höhe von rund 1,8 Mrd. Euro sollen voll zur Schuldentilgung genutzt, die eingeparten Zinsen in Höhe von jährlich rund 78 Mio Euro (nach Abzug der anteiligen Ausschüttungen) insbesondere für zukunftssichernde Investitionen in Bildung, Ausbildung und Kinderbetreuung verwendet werden.

Drexler: „Anders als die Landesregierung mit ihrer unsäglichen und unverantwortlichen Stiftungslösung nutzen wir die Verkaufserlöse gleich in doppelter Hinsicht dazu, dem Land und seinen Menschen neue Zukunftschancen zu eröffnen. Mit der Tilgung von Landesschulden nehmen wir eine schwere Hypothek von den nachfolgenden Generationen und mit der Verwendung der ersparten Zinsen, vor allem für Bildung und Kinderbetreuung, verbessern wir nachhaltig die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für mehr Wohlstand in unserem Land. Diese Politik ist damit zugleich auch eine erste notwendige Antwort auf die jüngst veröffentlichten Ergebnisse der Pisa-Studie.“

Nils Schmid: Teufel drückt sich vor Finanzplanung

Scharfe Angriffe richtete Nils Schmid, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, gegen die Landesregierung, weil sie die Mittelfristige Finanzplanung bisher immer noch nicht vorgelegt hat. Trotz klarer gesetzlicher Vorgaben drücke sich Teufel davor, dem Parlament diese Finanzplanung vorzulegen, die nach dem Haushaltsgrundsätzegesetz von Bund und Ländern schon mit dem Entwurf zum Doppelhaushalt im Dezember des vergangenen Jahres hätte vorgelegt werden müssen. Teufel habe ganz offenkundig kein seriöses Konzept, wie die von ihm versprochene Netto-Null-Verschuldung bis zum Jahr 2006 erreicht werden soll.

Weitere Einzelheiten zum Haushaltskonzept der SPD für den Doppelhaushalt

Schmid erläuterte vor der Presse auch die Einzelheiten zum Haushaltskonzept der SPD für den Doppelhaushalt (siehe Anlage) mit Einsparungen und Mehrausgaben in Höhe von jeweils rund 340 Mio Euro.

Der Finanzexperte nannte zudem auch weitere Details zu dem von der SPD geplanten Verkauf von Landesanteilen an der LBBW. Die Brüsseler Entscheidung zu Gewährträgerhaftung und Anstaltslast bei öffentlichen-rechtlichen Banken und die absehbare Neuregelung der Eigenkapitalregeln bei der Kreditvergabe der Banken nach Basel II mache zwar eine Strukturreform der LBBW nicht unmittelbar zwingend notwendig, sagte Schmid. Mittelfristig jedoch sei davon auszugehen, dass der öffentlich-rechtliche Bankenbereich seine Möglichkeiten zur Eigenkapitalbeschaffung über den heutigen rechtlichen Rahmen hinaus ausdehnen müsse.

Auch die Vorhaben bei den Landesbanken in anderen Bundesländern wiesen in diese Richtung. So sehe etwa Bayern bei seiner Landesbank eine privatrechtliche Holdingskonstruktion über der öffentlich-rechtlichen Landesbank vor, deren Anteil zu knapp 50 Prozent für Dritte, auch nicht öffentlich-rechtliche Investoren, geöffnet werden soll. Auch die Überlegungen beispielsweise bei der West-LB und der Landesbank Kiel zielten auf eine teilweise privatrechtliche Lösung ab.



Der Wert der LBBW werde auf rd. 12 bis 13 Mrd. Euro geschätzt, der Wertanteil des Landes betrage demnach bei einem Anteil von 39,5 Prozent rd. 5 Mrd. Euro. Die SPD beabsichtige, 14 Prozent der Landesanteile zu veräußern, so dass die Sperrminorität für das Land nach wie vor erhalten bleibe. Der Verkaufserlös, der bei 1,7 bis 1,8 Mrd. Euro liegen werde, solle in vollem Umfang zur Tilgung von Landesschulden eingesetzt werden, um mit dem Erlös aus positivem Landesvermögen das negative Landesvermögen, also die Schulden des Landes, zu verringern.



Mit den jährlichen Zinseinsparungen aufgrund dieser außerordentlichen Schuldentilgung sollen wichtige landespolitische Aufgaben finanziert werden. Bei einem geschätzten Zinssatz von 5 Prozent und bei Gegenrechnung einer um ein Drittel reduzierten jährlichen Ausschüttung der LBBW an das Land (von 30 Mio Euro auf 20 Mio Euro) rechnet Schmid künftig mit einem zusätzlichen finanziellen Spielraum von 75 bis 80 Mio. Euro jährlich.

Da eine Veränderung der Eigentumsstruktur bei der Landesbank Baden-Württem-berg sorgfältig vorbereitet werden muss, setzt die SPD-Fraktion die Zinseinsparungen erst ab dem Haushaltsjahr 2003 ein.

Für die Veräußerung der Landesanteile sieht Schmid derzeit zwei Möglichkeiten: Entweder der 14-prozentige Anteil wird direkt an die Sparkassen, die bereits Kaufinteresse signalisiert haben, abgegeben – oder man geht den strukturverändernden bayerischen Weg und öffnet durch eine landesgesetzliche Änderung die Landesbank für weitere Investoren.

Nils Schmid: „Die SPD-Fraktion will den konkreten Veränderungsweg bewusst nicht vorschreiben, wir wollen aber definitiv – auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen in den anderen Bundesländern – bis zum nächsten Jahr eine Veränderung in der Eigentümerstruktur der Landesbank herbeiführen. Den zusätzlichen finanziellen Spielraum, gewonnen durch dauerhafte Entlastungen beim Schuldendienst, will die SPD nachhaltig für politische Schwerpunktaufgaben der Landespolitik einsetzen.“

gez. Helmut Zorell

Fraktionssprecher