Claus Schmiedel: „Die Eltern stellen G8 ein verheerendes Zeugnis aus und fordern Wahlfreiheit zwischen G8 und G9“

MdL Norbert Zeller: „Reduzierung der Stoff­fülle, weniger Unter­richtsausfall, zweite Fremdsprache erst in Klasse 6 und echte Ganz­tagsschulen – das sind weitere Konsequenzen der Umfrage“

Die Eltern stellen dem G8-Gymnasium in Baden-Württemberg auch vier Jahre nach seiner verbindlichen Einführung ein verheerendes Zeugnis aus. Dies ist das klare Ergebnis der von der SPD-Landtags­fraktion durchgeführten Elternbefragung. Auf ihrer Klausurtagung in Bad Mergentheim hat die Fraktion die Ergebnisse der G8-Umfrage beraten und die Konsequenzen beschlossen, die daraus zu ziehen sind. Der SPD-Fraktionsvorsitzen­de Claus Schmiedel lobte die hohe Beteiligung der Eltern an der Umfrage und wertete dies als Bestätigung, dass die SPD zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Fragen gestellt habe. Viele Eltern hätten offenkundig auf die Gelegenheit gewartet, ihren ganzen Frust über G8 „von der Seele zu schreiben“. Fast 10.000 Eltern hätten den Fragebogen schriftlich oder über das Internet beantwortet und damit die Erwartungen weit übertroffen. Das ganze Ausmaß an Wut und Ärger über die Belastungen ihrer Kinder und der gesamten Familie durch das G8-Gymnasium habe in dieser Dimension auch die SPD überrascht, so der SPD-Fraktions­chef.

73 Prozent der Eltern sind laut dieser Befragung mit G8 „sehr unzufrieden“ oder „eher unzufrieden“, nur 25 Prozent sagen, sie seien „eher zufrieden“ oder „sehr zufrieden“. Fast 80 Prozent kritisieren, dass die Belastung der Kinder durch G8 zu hoch sind. Und auf die „Gretchen-Frage“, für welchen Zug sie sich entscheiden würden, wenn es am Gymnasium ihres Kindes einen G8-Zug und einen G9-Zug gäbe, sagen drei von vier (72 %) Eltern: „G9“.

Schmiedel: „Das Zwangs-G8 ist gescheitert – das ist für uns das hervorstechendste Ergebnis dieser Elternbefragung.“

Konsequenzen aus der Befragung: Wunsch der Eltern auf Wahlfreiheit respektieren
Als Konsequenz aus der Elternbefragung fordert die SPD-Landtagsfraktion, dass künftig Anträge von Schulen auf Einführung eines zusätzlichen G9-Zuges genehmigt werden.

Schmiedel verwies auf ein Gymnasium in Mosbach, das genau diesen Weg gehen wollte und eine schlüssige Konzeption zur Einrichtung eines parallelen G9-Zuges erarbeitet habe. Der Antrag der Schule sei jedoch von der Schulverwaltung abgewiesen worden. Dieses Beispiel zeige, dass die Einrichtung von parallelen G8- und G9-Zügen in einer Schule organisatorisch und pädagogisch machbar seien.

Die Entscheidung über die Einrichtung eines parallelen G9-Zuges soll nach dem Willen der SPD die Schulkonferenz unter Mitwirkung des Schulträgers treffen.

Individuelle Förderung, G8 und G9 als Ganztagesschulen
Aus den Rückmeldungen der Eltern zur G8-Umfrage geht auch hervor, dass die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler im G8 dringend verbessert werden muss. Dies gelingt aus Sicht der SPD-Fraktion am besten in echten Ganztagsschulen. In einem guten Ganztagsschulkonzept gehörten die Hausaufgaben und Stoffwiederholungen zum Bildungsauftrag der Schule. Die Betreuung erfolge durch Lehrkräfte und die Hausaufgaben seien erledigt, wenn die Schülerinnen und Schüler nach Hause kommen. „So bleibt endlich wieder mehr Zeit für das Familienleben und für außerschulische Aktivitäten.“

Die SPD will, dass alle Gymnasien im Land innerhalb von vier Jahren zu echten Ganztagsschulen ausgebaut werden. Für die Finanzierung werde die Fraktion in den Eckpunkten zum Haushaltsplanentwurf 2009 Vorschläge unterbreiten, so der SPD-Fraktionschef. Die SPD werde dann auch konkret darlegen, wie das erforderliche pädagogische Personal für den Ausbau der anderen allgemein bildenden Schulen zu Ganztagsschulen finanziert werden soll.

Schmiedel erneuerte die Forderung der SPD an die Landesregierung, das Mittagessen als festen Bestandteil einer echten Ganztagsschulkonzeption mitzufinanzieren. Das Land soll all jenen Schulträgern einen Zuschuss von 1 Euro je Essen anbieten, die ihrerseits von den Kindern nicht mehr als 1 Euro für das Mittagessen verlangen.

Eltern wollen kleinere Klassen – jetzt!
Die G8-Umfrage der SPD zeigt nach den Worten Schmiedels, dass vielen Eltern das Thema „Klassengröße“ unter den Nägeln brennt. ’Mein Kind sitzt in einer Klasse mit 33 Schülerinnen und Schülern – eine individuelle Förderung ist unter diesen Umständen schlicht nicht möglich’, lauten zahlreiche Rückmeldungen. Dies zeige, dass die von der Landesregierung angekündigte Senkung des Klassenteilers viel zu spät und viel zu zögerlich kommt, sagt Claus Schmiedel. „Auch in diesem Schuljahr werden in vielen Klassen noch 33 Schülerinnen und Schüler sitzen.“ Oft seien gerade in Klasse 5 die Klassen am größten, also dann, wenn die Kinder am meisten individuelle Förderung nach dem schwierigen Übergang von der Grundschule aufs Gymnasium bräuchten.

Norbert Zeller: Viel zu hohe Belastung der Kinder durch G8
Der Vorsitzende des Schulausschusses im Landtag, Norbert Zeller, präsentierte weitere Ergebnisse der G8-Befragung der SPD. Sehr deutlich hätten die Eltern die ernorme Belastung der Kinder im G8 kritisiert. Mehr als 60 Prozent der Eltern geben an, dass ihr Kind eine Gesamtstundenbelastung (Unterrichtsstunden, Hausaufgaben, Stoffwiederholung) von mehr als 40 Stunden pro Woche hat.

79 Prozent der Eltern klagen darüber, dass ihre Kinder im G8 unter zu großer Stofffülle, fehlender individueller Förderung und zu vielen Wochenstunden litten.

49 Prozent der Eltern geben an, dass ihr Kind aufgrund der schulischen Belastung im G8 außerschulische Aktivitäten aufgeben oder deutlich einschränken musste. Unter dem G8 leide das Familienleben, soziale Kontakte müssten spürbar eingeschränkt werden und für außerschulische Aktivitäten und ehrenamtliches Engagement bleibe kaum noch Zeit, kritisieren die Eltern.

Zeller: „Wenn Kultusminister Rau behauptet, in 85 Prozent der Fälle funktioniere das G8 in Baden-Württemberg problemlos, verschleiert er schlicht die Realität und redet an den tatsächlichen Erfahrungen der Eltern vorbei.“

16 Prozent der Eltern wünschen sich nach den Angaben Zellers zur Verbesserung des G8 eine Reduzierung der Stofffülle. Dies decke sich mit dem, was die SPD-Fraktion seit der Einführung des G8 fordere. „Die Bildungspläne müssen nochmals überarbeitet, die Stofffülle muss weiter reduziert und der Unterricht noch stärker auf die Vermittlung inhaltlicher Kern- und Methodenkompetenzen ausgerichtet werden“, so Zeller.

Zweite Fremdsprache generell erst ab Klasse 6 – Unterrichtsausfall bekämpfen
Eine weitere Forderung vieler Eltern, die zweite Fremdsprache später einzuführen, deckt sich nach Zellers Worten auch mit den Plänen der SPD. Der ohnehin schon schwierige Übergang von der Grundschule auf das Gymnasium werde noch schwerer, wenn die zweite Fremdsprache bereits in der 5. Klasse beginne, so die Eltern. Die SPD fordert deshalb, dass die 2. Fremdsprache im Gymnasium generell erst in der 6. Klasse beginnt.

Ein drängendes Problem in der Wahrnehmung der Eltern ist nach wie vor der hohe Unterrichtsausfall. Laut der letzten Stichprobenerhebung des Kultusministeriums vom November 2007 fielen an den Gymnasien 4,3 Prozent des Pflichtunterrichts aus. In der Realität liege der Unterrichtsausfall noch deutlich höher, da Klassenzusammenlegungen und Stillarbeit in der Statistik nicht auftauchten, obwohl der Fachunterricht nicht erteilt wurde. Als Sofortmaßnahme fordert die SPD-Fraktion deshalb zusätzliche Krankheitsstellvertreter. Auch dafür werde die Fraktion in ihren Eckpunkten für das Haushaltskonzept 2009 einen Finanzierungsvorschlag vorlegen.

Zeller: „Die Konsequenzen aus der Elternbefragung sind klar. Wir wollen unnötigen Druck von den Kindern nehmen, die pädagogischen Freiräume für eine bessere individuelle Förderung vergrößern und den Elternwillen stärken.“ Dadurch werde die Lernmotivation erhöht, die Lernleistung verbessert und der zeitliche Spielraum vergrößert, um die erforderlichen Kompetenzen und Standards zu erreichen.

Helmut Zorell
Pressesprecher