Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte mit einem Zitat beginnen: „Eine Notfallmedizin zu verlangen, aber selbst jeden konstruktiven Voirschlag wahlweise mit dem Verweis auf Berlin, einen Koalitionspartner oder europäisches Beihilferecht wegzuwischen ist wohlfeil. Die Landesregierung reagiert in keinster (!) Weise mit der notwendigen Entschlossenheit auf den Ernst der Lage. Wenn das Land weiter untätig ist, wird die Wohnungswirtschaft und in der Folge die Baubranche in die tiefste Krise seit Jahrzehnten rutschen.“

Dies sagte der Präsident der Architektenkammer von Baden-Württemberg in diesen Tagen. Herr Ministerpräsident: Es ist nicht 5 vor zwölf, sondern bereits 5 nach zwölf. Wann handeln sie endlich? Die Lage auf unserem Wohnungsmarkt ist für viele Menschen schon seit Jahren bedrohlich, die sich mit ihren kleinen und auch mittleren Einkommen schwer tun, überhaupt noch eine bezahlbare Wohnung zu finden. Viele andere müssen einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für das Wohnen aufwenden. Das ist sozialer Sprengstoff für unser Land, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Von den deutschen Städten mit den teuersten Mieten liegt inzwischen jede dritte in unserem Land. Und nur in Baden-Württemberg sind Städte von der Größe Heidelbergs oder Freiburgs teurer als Millionenstädte wie Hamburg oder Köln.

Das ist nicht nur eine ungeheuerliche Belastung für hunderttausende Familien. Das schadet dem ganzen Land, das schadet der Wirtschaft. Denn ein Standort, an dem Wohnraum fehlt oder zu teuer ist, kann kein attraktiver Standort sein. Auch nicht für die Fachkräfte, die wir so dringend suchen.

Und es kommt noch schlimmer: Bereits im Frühjahr letzten Jahres haben wir sie hier im Parlament gewarnt, dass in der zweiten Jahreshälfte 2023 die Auftragslage im Baubereich abzureißen droht. Und leider hat sich dies bestätigt. Wir von der SPD haben uns vor wenigen Tagen mit Spitzenvertretern von Architektenkammer und Baugewerbe beraten.

Der Markt droht, zusammenzuklappen, hunderte Betriebe sind in ihrer Existenz bedroht. Und es gibt schon erste Insolvenzen. Dadurch sind hunderte, wenn nicht gar tausende Arbeitsplätze bedroht. Aber auch unsere Möglichkeit, auf diese dringend benötigten Kapazitäten im Baubereich zukünftig zugreifen zu können.

Und wenn Sie mir sagen, Sie wüssten das alles schon – dann müssen Sie sich fragen lassen: Warum tun Sie dann so wenig? Ja, vor einem Jahr haben Sie sich gebrüstet, Sie hätten 463 Millionen Euro für die Wohnraumförderung freigegeben. Das stimmt auch. Aber da kamen 326 Millionen Euro vom Bund. Und auf jeden Euro aus Berlin legt diese Landesregierung gerade mal 35 Cent aus der eigenen Kasse drauf.

Andere Bundesländer VERDOPPELN die Bundesmittel, es gibt Länder, die legen auf jeden Euro aus Berlin ZWEI EURO aus der eigenen Kasse. Und das, obwohl in Baden-Württemberg mehr Sozialwohnungen fehlen als in jedem anderen Bundesland.  206 000 Wohnungen, 11.000 mehr als im größeren Bayern, dem zweitschlechtesten Land.

Allein dieser Abstand zu Bayern, diese 11.000 Sozialwohnungen – so viele fehlen in Nordrhein-Westfalen. Und in Hamburg. ZUSAMMEN!

Die Wohnungsbauministerin ist trotzdem stolz und weist darauf hin, das Land gebe ja sogar etwas mehr als das vom Bund geforderte Minimum. Vielleicht sind Sie auch stolz darauf, dass Ihre Mittel für das vergangene Jahr bereits im Mai vollständig belegt waren.

Vielleicht können Sie auch einfach nicht rechnen. Immer wieder verkünden Sie Tausende neuer Sozialwohnungen, aber sie vergessen, dass jedes Jahr Tausende Wohnungen aus der Bindung fallen.

Ende 2022 hat die Ministerin eine „Trendwende“ angepriesen, damals hat der BESTAND nämlich erstmals etwas zugenommen. Um eineinhalb Prozent. Um 730 Wohnungen. In einem Land, in dem über 200 000 Wohnungen fehlen. Frau Ministerin, ich gratuliere, in diesem Tempo haben sie Wohnungsnot in etwas mehr als 280 Jahren beseitigt.

Wir müssten MEHR für den Wohnbau tun als andere, VIEL MEHR. Sie tun aber weniger. VIEL WENIGER.

Und immer, wenn Sie über Mittel und Hilfen und Förderungen, dann reden Sie nicht über IHRE Arbeit, sondern über die Arbeit der Bundesregierung. Und dann müssten sie wahrheitsgemäß zugeben, dass die Bundesregierung so viel in den sozialen Wohnungsbau steckt, wie keine andere Regierung vor ihr. Dass diese Woche, auf ausdrückliche Bitte von Olaf Scholz eine weitere Milliarde fürs Thema bezahlbarer Wohnraum vom Bundestag beschlossen wird.

Aber nur um Nachrichten aus Berlin zu überbringen, oder diese nur schlechtzureden braucht es hier eigentlich keine Bauministerin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen heute wissen, ob diese Landesregierung wirklich glaubt, es REICHE, was sie tut. Der Wohnungsnot zugucken, auf Berlin zeigen, auf die Kommunen… Wir wollen wissen, warum Ihnen selbst nichts einfällt, Sie aber auch stabil ignorieren, was Ihnen die Branche, die Wirtschaft, auch die Opposition an Vorschlägen anbietet. Und wir wollen wissen, was Sie sich dabei gedacht haben, in diesen Zeiten, in dieser Lage, einen runden Tisch mit der Branche scheitern zu lassen. Was für ein katastrophales Signal!

Es gibt einen berühmten Spruch, den auch Nichtschwaben kennen: „Schaffe, schaffe, Häusle baue“.

Und leider gilt für diese Landesregierung: „Wer nix schafft, baut auch koi Häusle“

Ansprechpartner

Emilia Keller
Parlamentarische Beraterin für Landesentwicklung und Wohnen