Redemanuskript Andreas Stoch
Aktuelle Debatte SPD „Karliczek bootet Baden-Württemberg aus – die Standortentscheidung zur Batteriezellenforschung muss revidiert werden“

am 10. Juli 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

dass ausgerechnet unser Automobilland Baden-Württemberg vom Bund keine Forschungsfabrik für Batteriezellen erhalten soll, ist eine herbe Enttäuschung. Und es ist nicht nur eine Enttäuschung, es ist eine der größten wissenschafts- und industriepolitischen Fehlentscheidungen!

Gerade für ein Land wie Baden-Württemberg, aber auch Deutschland insgesamt, stellt die Transformation im Bereich der Automobilindustrie, und dort insbesondere der Antriebstechnik eine der größten Herausforderungen dar.

Wir wissen doch alle, dass Batterien in der Elektromobilität entscheidend sind, dass sie bei einem vollelektrischen Fahrzeug über 40 Prozent der Wertschöpfung bedeuten und diese Wertschöpfung wiederum bis zu 90 Prozent in den Batteriezellen liegt. Wer Elektromobilität voranbringen will, der muss auch Batterien voranbringen.

Dass wir diese Forschungsfabrik nicht bekommen sollen, ist darum auch bitter, und es nützt nichts, wenn man uns aus Berlin nun Trostpflästerchen aufs Auge drücken will.

Fast alles, was wir seit der Absage zur angeblichen Förderung des Standortes Ulm gehört haben, sind längst bekannte Maßnahmen, denen man jetzt neue Etiketten verpasst hat.

Ich sage es schon jetzt: Verschonen Sie uns bitte später mit Hinweisen auf angebliche Zugeständnisse. Oder mit dem Verweis darauf, dass die Bundesministerin Ulm erst ausbootet und nun einen Besuch plant, um dort die Erbse aufzublasen.

Die Forschungsfabrik soll nicht nach Ulm kommen, nicht nach Baden-Württemberg. Das ist enttäuschend, das ist bitter.

Es ist vor allem aber nicht nachvollziehbar! Und es ist falsch!

Als sich Baden-Württemberg mit dem Standort Ulm beworben hat, haben wir einen der wichtigsten europäischen Hotspots der Batterieforschung ins Rennen geschickt. Allein das Zentrum für elektro-chemische Batteriespeicher Ulm & Karlsruhe (Celest) hat international bereits einen hervorragenden Ruf und einen gewaltigen Output.

Wir haben das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Ulm und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Fraunhofer-Institut, wir haben seitens der Wirtschaft eine ganze Reihe von Partnern, allen voran Varta in Ellwangen.

Und es waren seitens des Landes über 180 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln vorgesehen. Zusätzlich zu jenen über 100 Millionen Euro, die das Land im vergangenen Jahrzehnt bereits in Eigenregie für diverse Batterieprojekte ausgegeben hat.

Das Projekt DigiBattPro4.0 als Grundlage für die Massenfertigung großer Lithiumzellen ist da nur das jüngste Beispiel.

Wir haben all das, was ein Cluster ausmacht, wir haben Autohersteller und Automotive-Firmen, wir haben Batteriehersteller, wir haben Forschung, wir haben die Einrichtungen, die Labore.

Wir haben damit vieles, was es in Münster schlicht nicht gibt oder was man dort erst bauen muss. In Ulm können wir loslegen, und wir haben keine Zeit zu verlieren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ulm ist als klarer Favorit in diese Ausschreibung gegangen, das hat nicht nur die Landesregierung so gesehen. Nach allem, was bekannt wurde, hat die Gründungskommission Ulm klar auf den ersten Platz gesetzt, aufgrund der Vorleistungen, der Synergie und der Nähe zur Wirtschaft hatte Ulm praktisch uneinholbare Vorzüge zu bieten.

Entscheidend sein sollten die fachliche Expertise, die industrielle Anbindung, die finanziellen Zusagen des Landes und das mögliche Tempo beim Aufbau. Auch hier sammelte Ulm offensichtlich die meisten Punkte.

Und darum noch einmal: Es ist enttäuschend, es ist bitter, es ist vor allem aber nicht nachvollziehbar, dass die Forschungsfabrik nun in Münster und Ibbenbüren angesiedelt werden soll, einer Gegend, die zwar zu Teilen den Wahlkreis der Bundesbildungs-ministerin bildet, angeblich aber nicht einmal unter den ersten drei Empfehlungen der Gründungskommission landete.

Man darf daher die schlichte Frage stellen: Warum Münster?

Aber da bekommt man keine Antwort. Die Experten sprechen sich klar für Ulm aus, zwei Tage später votieren die Ministerien für Wirtschaft und Forschung für Münster. Und die Ministerin Karliczek hätte viel zu erklären, erklärt aber nichts.

Irgendwie habe sie das Konzept zum Batterierecycling in Münster mehr überzeugt, hat sie am Anfang einmal gesagt.

Wo Münster da ein besseres Konzept haben soll als Ulm, darüber rätseln die Fachleute. Und dass Ulm gerade bei den umweltfreundlicheren Zellen mit kobaltfreien Elektroden absolut führend ist, fiel dabei offenbar auch unter den Tisch der Ministerin.

Frau Karliczek hat denn auch schnell die Strategie gewechselt und erklärt seither, sie habe sich aus der ganzen Entscheidung ja sowieso weitgehend herausgehalten. Es sei nur um den höchsten Grad an Exzellenz gegangen, den habe Münster gehabt.

Und als man die Ministerin dann nochmals gefragt hat, warum die Gründungskommission aus Experten die höchste Exzellenz aber so klar in Ulm sahen, hat sich die Ministerin nochmal eine neue Version ausgedacht: In Wahrheit habe sowieso das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier entschieden, sie habe das Ergebnis dann lediglich verkündet, könne aber eigentlich nichts dafür.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, riecht nach einem Skandal!! Nein, es stinkt bis zum Himmel!

Seit über einer Woche schüttelt man in diesem Land den Kopf über die Standortentscheidung für die neue Forschungsfabrik, und seit über einer Woche macht das Wort vom Skandal die Runde und wird immer lauter.

Seit einer Woche haben wir nichts, aber auch gar nichts von der Bundesbildungsministerin gehört, was diesen verheerenden Eindruck ändern könnte. Wir wissen ziemlich genau, was die Experten sagten, nämlich Ulm. Wir wissen ziemlich genau, was sie nicht sagten, nämlich nicht Münster. Nach allem was wir wissen, lag Münster nicht einmal unter den ersten drei der von der Gutachterkommission geprüften Bewerbungen.

Wir wissen aber nicht im Geringsten, wie es zu der Entscheidung für Münster kam und auf welcher Grundlage man sich so entschied.

Die Maßstäbe, die man offiziell angesetzt hatte, können es nicht gewesen sein. Denn nach diesen Maßstäben lag Ulm eindeutig vorne, und mehr als eindeutig weit vor Münster.

Und alles, was bisher aus den beiden CDU-Ministerien in Berlin kommt, ist Achselzucken und Stottern. Und auch das möchte ich jetzt schon den Kolleginnen und Kollegen von CDU und Grünen sagen: Nein, von dieser Entscheidung haben selbst Regierungsmitglieder der SPD und die SPD-Bundestagsfraktion lediglich aus den Medien erfahren, nicht anders als die Antragsteller in Stuttgart oder die Akteure in Ulm.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man darf erwarten, dass man unsere Entrüstung als baden-württembergische Standortpolitik missverstehen wird. Aber das wäre grundfalsch. Und es wäre in einem Maße kleinkariert, dass sich dies verbietet.

Denn wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, dann konkurrieren nicht Baden-Württemberg und Bayern und nicht Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen, sondern dann konkurriert Deutschland, dann konkurriert Europa gegen Asien oder Amerika.

Und bei diesem Wettbewerb muss man für ganz Deutschland eben den Stärksten ins Rennen schicken und nicht den, der auch mal was Schönes verdient hätte!

Die Forschungsfabrik ist kein Solidarzuschlag! Sie ist auch keine Strukturförderung! Es geht hier um die Zukunft und die Transformation eines der wichtigsten Industriezweige in diesem Land!!!

Wenn die Experten der Gründungskommission uns bescheinigt hätten, dass Ulm nicht an der Spitze liegt, dann müssten wir uns an der eigenen Nase fassen und uns anstrengen.

Wenn die Experten uns aber an der Spitze sehen und man sich für einen anderen Standort entscheidet, dann müssen wir uns wehren!

Vielleicht kann man der Landesregierung vorhalten, dass sie sich zu früh gefreut hat in Sachen Ulm. Die Zeichen war so klar, so deutlich, die Faktenlage scheinbar so unumstößlich, dass wir wohl alle gedacht haben, der Zuschlag sei in trockenen Tüchern und vielleicht auch zu viel Selbstzufriedenheit im Spiel war.

Ich muss der Landesregierung aber vorhalten, dass man sich seit Jahren der exzellenten Beziehungen nach Berlin rühmt und auf den großen Einfluss der Südwest-CDU in der Bundesregierung hinweist.

Wenn es so ist, dann machen Sie jetzt etwas draus! Ministerin Karliczek muss die Motive dieser Entscheidung öffentlich machen, wir wollen die Einschätzung der Gründungskommission sehen und wir wollen wissen, welche heute unbekannten Gründe dafür sprachen, sich gegen die Empfehlung der Experten zu entscheiden.

Und wenn die beteiligten Ministerien das nicht tun wollen und weiter um den heißen Brei herumstottern wie bisher, dann muss man sie zwingen – durch ein Machtwort der Bundeskanzlerin oder durch einen Untersuchungsausschuss im Bundestag.

Und sollte sich dann zeigen, dass die Entscheidung gegen den Rat der Experten, gegen alle drei Spitzenreiter, gegen alle Fakten und Maßstäbe, ein reiner politischer Kurzschluss war, dann muss Ministerin Karliczek zurücktreten.

Dann muss sie zurücktreten, weil sie ein großes und entscheidend wichtiges Verfahren zur Förderung des Automobilstandortes Deutschland ad absurdum geführt hat.

Weil ihr Haus ein Verfahren ansetzt, sich dann über die selbst aufgestellten Regeln hinwegsetzt und sie dafür nicht einmal die Verantwortung übernimmt.

Dann muss sie zurücktreten, weil sie die internationale Tragweite dieser Entscheidung nicht begriffen hat.

In anderen Nationen bedeutet Exzellenzförderung, die stärksten Standorte noch stärker zu machen für den weltweiten Wettbewerb. Niemand käme in den USA auf die Idee, Kalifornien würde es sicher auch alleine schaffen, weshalb man Hochtechnologie ja auch in Alaska fördern könne.

Und wir dürfen erwarten, dass eine Bundesministerin bei einem solchen Projekt nicht auf Tauchstation geht. Und wir dürfen erwarten, dass pro domo bei einer Bundesministerin „pro Deutschland“ heißt und nicht „pro Wahlkreis“.

Münster ist eine wunderschöne Stadt und wurde in der Vergangenheit immer wieder zur fahrradfreundlichsten Kommune Deutschlands gewählt. Gratulation. Aber die beste Stadt für Batterieforschung ist Ulm!

Noch einmal: Entweder die Bundesbildungsministerin legt wundersame Gründe auf den Tisch, warum sie sich bei einem eine halbe Milliarde Euro schweren Zukunftsprojekt erst angeblich kaum selbst beteiligte und dann offensichtlich entgegen aller Voraussetzungen entschieden wurde.

Oder sie räumt ein, dass sie aus politischem Kalkül entschieden hat, gegen den besten Standort in Deutschland und damit gegen den gesamten Automobilstandort Deutschland.

Und dann muss sie zurücktreten.

Das ist unsere Position, denn wenn es um Batterien geht, sind wir in Baden-Württemberg ganz schön geladen. Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Sven Plank
Berater für Wirtschaft, Arbeit, Tourismus