Redemanuskript von Andreas Stoch

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich möchte mit einem Zitat beginnen: „Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“

Dieses Zitat, liebe Kolleginnen und Kollegen, stammt aus Dem Jahr 1875 vom französischen Schriftsteller und Gelehrten Jules Verne. Und deswegen gab es bei dieser Regierungserklärung viel Grundsätzliches zu hören, das uns eigentlich längst bekannt ist. Die Frage, die uns heute doch vielmehr beschäftigen muss, ist die, wie wir aus der theoretischen Erkenntnis zur praktischen und vor allem ausreichend dimensionierten Nutzung dieses von allen mit großen Hoffnungen genannten Stoffes kommen.

Wasserstoff ist eine gute Antwort auf viele Fragen, die sich mit der Energiewende ergeben. Gerade, weil man ihn nutzen kann, um Energie aus erneuerbaren Quellen zu speichern und zu transportieren. Für die Schwerindustrie, für die Öfen zur Herstellung von Stahl oder auch Zement.

Aber auch als Ersatz für Kohle, Öl oder Erdgas in der chemischen Industrie. Mit Wasserstoff kann man energiereiche Kohlenwasserstoffe herstellen, auch sogenannte E-Fuels. Aber wenn das Stichwort schon fällt. Ja, der Einsatz von Wasserstoff ist ein Beweis für jene Technologieoffenheit, die angeblich so oft fehlt.

Aber Technologieoffenheit heißt eben nicht, dass man Technologien gegeneinander ausspielt. Es heißt, dass sich Technologien ergänzen. Als Ersatz für Erdgas taugt Wasserstoff in Hochöfen, aber nicht im Heizungskeller von Privatgebäuden. Wasserstoff wird vielleicht in Flugzeugen eine Rolle spielen, aber nicht im Rasenmäher. Und E-Fuels werden vielleicht dafür sorgen, dass einige Oldtimer auch in 50 Jahren noch mit Verbrennungsmotoren fahren werden. Aber Sie werden keine Renaissance des Dieselmotors einläuten.

Wasserstoff ersetzt keine Windräder, er ersetzt keine Solardächer und er ersetzt keine Wärmepumpen. Das muss auch in den konservativsten Kopf! Und Wasserstoff bedingt sogar mehr Ausbau erneuerbarer Energien, denn egal, wo er herkommt: Wen wir keinen braunen, sondern grünen Wasserstoff haben wollen, muss er aus erneuerbarer Energie hergestellt werden. Sie wissen selbst, wie lange dieses Thema im Bund im Hause Altmaier vernachlässigt wurde, ehe die jetzige Bundesregierung wieder Bewegung in die Sache brachte. Das haben Sie sicher nur deshalb nicht erwähnt, um ihren Koalitionspartner nicht zu betrüben.

Doch trotz aller Bewegung im Bund: Gerade in Baden-Württemberg sind zusätzliche, eigene Strategien besonders wichtig. Weil wir ein Industriestandort besonderer Bedeutung sind und das auch bleiben wollen. Und weil wir in Sachen Energie noch nie die beste Lage hatten, abseits von Küsten und Seehäfen. Wir tun gut daran, mehr zu tun als andere. Darum begrüßen wir auch Ihre ambitionierten Ziele.

Herr Ministerpräsident, Sie haben sicher nichts dagegen, wenn ich Ihnen beim Wasserstoff im Grundsatz Recht gebe. Und es wird Sie nicht stören, wenn ich auch Ihre Ziele ernst nehme. Aber dann muss ich auch Ihre Roadmap ernst nehmen. Und ich muss sie beim Wort nehmen. Es soll eine Straßenkarte sein. Und auf der gibt es nicht nur schöne Ziele am Horizont, sondern auch eine Beschreibung, wie man zu diesen Zielen kommt. Möglichst ohne Irrfahrten und ohne im Graben zu landen.

Und an dieser Stelle muss ich Ihnen keinen Wasserstoff, aber etwas Wasser in den Wein gießen. Ich fange mal mit dem Transport an. Da gibt es Pläne, das Gastransportnetz auf Wasserstoff umzustellen. Terranets BW wandelt da auch Pläne um, so auch für seine Süddeutsche Erdgasleitung SEL, die man sonst gar nicht mehr bauen müsste. Aber wie sieht es denn dann mit der Energieversorgung abseits der Hauptrouten aus? In einem Land, in dem die Wirtschaft in der Fläche verteilt ist? Was ist mit denen, die nicht an Hauptrouten liegen, die keinen Großverbraucher zum Nachbarn haben? Sie meinen, das regelt sich von alleine? Das haben Sie vor 20 Jahren auch beim schnellen Internet gedacht. Und von alleine hat sich gar nichts geregelt.

Ungeklärt ist auch noch, woher genau der Wasserstoff kommen soll. Es ist wahr, wir müssen das Hauptaugenmerk auf den Import richten, denn die eigene Produktion wird für lange Zeit nicht genügen. Auch hier wird der Bund helfen und das seine tun, aber der Schwerpunkt Import sollte keine Ausschließlichkeit bedeuten. Ein weiteres Problem ist hausgemacht, genauer gesagt Häuser-gemacht. Wasserstoff ist ein zentrales Thema für die Wirtschaft. Da stellt sich dann die Frage, warum das Thema Wasserstoff in ihrer Regierung federführend beim Umweltministerium liegt.

Und da geht es eben nicht nur um Türschilder. Da werden vom Wirtschaftsministerium Reisen unternommen nach Brasilien und nach Chile, und es geht da auch um Wasserstoff, aber das Umweltministerium schickt nicht einen einzigen Vertreter mit. Das macht solche Gespräche nicht eben konkreter. Wir haben weiß Gott genug Hürden zu nehmen, bis dieses Land eine zukunftsfähige Wasserstoffversorgung hat. Wir brauchen keine unnötigen Hürden, keine unklaren Kompetenzen und schon gar keine Eifersüchteleien zwischen grünen und schwarzen Ministerien.

Und wer für Wasserstoff sorgt, der muss eng mit der Wirtschaft zusammenarbeiten. Sie sollten bei den Unternehmen im Land also nicht nur Unterschriften für Erklärungen einsammeln, sondern auch die Forderungen und Anregungen aus der Industrie. Denn Einiges von dem, was die Firmen wollen, wird das Land bereitstellen müssen. Sie brauchen nicht zu denken, es sei umgekehrt, sie fordern und die Wirtschaft liefert.

Wasserstoff und Wirtschaft muss man gemeinsam denken und übergreifend planen. Aus diesem Grund fordern wir als SPD für unser Land Baden-Württemberg eine wirklich konsistente Strategie zum Thema Wasserstoff. Und eben nicht nur eine Aufzählung von Einzelmaßnahmen.

Und dazu gehört eben auch die Bereitschaft, Geld für diese Umstellung auf Wasserstoff in die Hand zu nehmen. Andere Länder, auch andere Bundesländer, mit denen wir im Wettbewerb stehen, nehmen hier Geld in erheblichem Umfang in die Hand. Geld, um Infrastrukturmaßnahmen voranzutreiben, aber auch Geld, um Unternehmen auf diesem Weg der Umstellung auf neue Energieträger zu unterstützen.

Auch, weil wir an die Veränderungen denken müssen, die die neuen Technologien für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land mit sich bringen werden. Dass es Hilfen und Qualifizierungen brauchen wird, bei den auch das Land gefragt ist.

Ich darf auch auf die Klimastudie verweise, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in unserem Auftrag erstellt hat. Dabei wurde auch die Roadmap untersucht. Ich zitiere: „… Das Maßnahmenpaket ist unscharf: Es werden Möglichkeiten dargestellt und es wird angestrebt, Reformen und Förderungen voranzutreiben bzw. zu prüfen, aber es werden keine konkreten und sofort umsetzbaren Maßnahmen formuliert.“

Ist Ihnen das zu SPD? In Ihrem eigenen Beirat zur Wasserstoff-Roadmap sitzen 25 wichtige Vertreterinnen und Vertreter, gerade aus Wirtschaft und Wissenschaft. Was sagt dieser Beirat in seinem Impulspapier?Ich zitiere wieder: „Baden-Württemberg nimmt mit Ausnahme der Brennstoffzellentechnologie bei Wasserstoffthemen im deutschen und im europäischen Vergleich derzeit keine führende Position ein.“ Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wieder sind wir an einem Punkt, den wir seit Jahren wieder und wieder ansprechen.

Sie haben schon manches ambitionierte grüne Ziel ausgegeben. Aber dann haben Sie sich zurückgelehnt und gehofft, dass die Ziele von alleine zu Ihnen kommen. Unser Staatsverständnis ist das nicht. Noch einmal: Im Grundsatz sind wir bei Ihnen. Aber wenn es darum geht, Ziele nicht nur zu formulieren, sondern sie auch zu erreichen, müssen Ihren richtigen Worten auch die richtigen Taten folgen. Ihre Wasserstoff-Roadmap muss regelmäßig fortgeschrieben werden, und die Anforderungen müssen zu konkreten Maßnahmen führen.

Und da geht es um mehr als Wasserstoffleitungen. Was ist mit der Stromversorgung für Elektrolyseure? Was ist mit den großen Stromtrassen, deren Bau sich durch den Entscheid für Erdkabel um mehrere Jahre verzögert? Es ist gut und richtig, die Bedarfe in der Wirtschaft abzufragen. Aber es muss auch klar sein, dass es diese Bedarfe dann auch zu erfüllen gilt. Erst Recht, wenn sie höher ausfallen als von Ihnen erwartet. Bei all unserer Zustimmung – mit diesen Mahnungen müssen Sie leben. Denn wir haben erlebt, dass eben nicht alle schönen Ziele auch wirklich angegangen werden.

Wenn der Wasserstoff so verstolpert wird wie bisher die Windkraft, vertun Sie eine riesige Chance für unser Land. Und wenn Sie Ihre Ziele einkassieren, wenn sie Mühe machen, wie bei der Photovoltaik auf den Landesgebäuden, wo ja sogar die CDU, und das sollte jedem Grünen hier im Land doch mal zu denken geben, ambitioniertere Ziele hat als sie selbst, dann haben Sie Ihre Roadmap umsonst gezeichnet.

Nehmen Sie also genug Geld in die Hand. Zusätzlich zu den Anstrengungen der Bundesregierung muss sich das Land selbst Projektpartnerschaften und Investoren im Ausland bemühen. Und weil wir nicht von einer Wasserstoff-Opec abhängen wollen, müssen wir diversifizieren. Das bedeutet auch eigene Erzeugungskapazitäten im Land, das bedeutet Infrastruktur und es bedeutet viel mehr Aufwuchs bei den Erneuerbaren.

Und einmal mehr appellieren wir als SPD an diese Landesregierung, bei Zukunftsthemen nicht an Sparbücher, sondern an Investitionen zu denken. Sie sagen, dass Greentech wie die Wasserstofftechnologie enorme Chancen für unser Land und seine Wirtschaft bietet? Dann handeln Sie auch entsprechend. Jeder Euro, den wir in diese Zukunft stecken, wird sich zehnfach bezahlt machen. Bewahren Sie sich eine Weitsicht über den Tellerrand Ihrer Jahresbudgets.

Wer Ziele hat, dem kann eine Roadmap nützen. Wer Ziele erreichen will, muss sich aber auch in Bewegung setzen. Tun Sie das Zeigen Sie Mut zum Wachstum, zeigen Sie Mut zur Wachstumspolitik. Dann wird aus Ihrer Roadmap eine Fahrkarte in eine gute Zukunft. Dann können Sie auf die Unterstützung der SPD zählen.

Chancen erkennen, neue Technologien meistern. Anpacken. Schaffen. Das ist der Stoff, aus dem dieses Land gemacht wurde.

Und beim Wasserstoff ist das nicht anders

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Opitz-Leifheit Fraktion
Nils Opitz-Leifheit
Berater für Energie und Umwelt, Ländlicher Raum, Verbraucherschutz

Sven Plank
Berater für Wirtschaft, Arbeit, Tourismus