Ute Vogt: „Eltern dürfen nicht länger als Ersatzlehrer herhalten, sie müssen stärker in Bildungsprozesse einbezogen werden“

Prof. Wassilios E. Fthenakis: „Wir brauchen eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft von Elternhaus und Bildungseinrichtung“

Über 200 Elternbeiräte aus ganz Baden-Württemberg kamen am Samstag in den Land-tag nach Stuttgart zum traditionellen „Elterntag“ der SPD-Landtagsfraktion. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Frage der Elternbildung und Elternmitwirkung als Vorausset-zung pädagogischer Bündnisse zwischen Eltern und Schule. Hauptredner beim Elterntag der SPD war der international anerkannte Experte für Primar- und Elternbildung, Prof. Wassilios E. Fthenakis von der Universität Bozen. Die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft von Eltern und Schule dürfe nicht nur auf dem Papier stehen, sie müsse auch von allen Seiten gewollt und aktiv betrieben werden, so der einhellige Tenor der Beiträge auf dem Elterntag der SPD-Landtagsfraktion.

Die SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Ute Vogt forderte, Eltern stärker in Bildungsprozesse einzubeziehen und ihre Entscheidungskompetenzen insbesondere in der Schu-le zu stärken. In der Schulkonferenz etwa sollten Lehrer, Eltern und Schüler paritätisch vertreten sein und z. B. auch über die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern und die Verwendung von Haushaltsmitteln entscheiden dürfen. Die Verantwortlichkeit der Lehrer für die tägliche Unterrichtsarbeit wird dabei nicht in Frage gestellt.

Die Vorschläge der SPD für eine Stärkung der Mitwirkungsrechte der Eltern wurden von CDU und FDP im Landtag abgelehnt. Stattdessen würden Eltern angesichts überhastet eingeführter Reformen, Vogt nannte als Paradebeispiel das G8, immer mehr zu „Ersatzlehrern“ ihrer Kinder.

Vogt unterstrich, dass Kinder in der Schule so unterrichtet und gefördert werden müssen, dass sie nicht noch zuhause stundenlang mit ihren Eltern den Lernstoff nacharbeiten müssen. Dafür biete die Ganztagsschule die beste Voraussetzung. „Gute Ganztagsschulen koordinieren Lernen, Erholungs- und Bewegungsphasen, Hausaufgaben und Projektarbeit sinnvoll miteinander. Kinder und Jugendliche können so unabhängig von ihrer sozialen Herkunft individuell gefördert werden.“

Die Umsetzung pädagogischer Reformen erfordert nach den Worten von Ute Vogt gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, die sich auch regelmäßig fortbilden. Dass die Landesregierung die Mittel für die regionale Lehrerfortbildung gekürzt habe, sei vor diesem Hintergrund unverantwortlich. Statt Weiterbildung der Lehrkräfte zu fördern, beschränke sich das Kultusministerium auf die Herausgabe bunt aufgemachter Handreichungen.

Prof. Wassilios E. Fthenakis erläuterte in seinem Referat die veränderten Anforderungen an die Eltern von heute und veränderte Rollenbilder von Frauen und Männern. Der international anerkannte Experte für Primar- und Elternbildung forderte differenzierte Informations- und Bildungsangebote für Eltern, damit sie sich die nötige Erziehungs- und Bildungskompetenz für die verschiedenen Entwicklungsphasen ihrer Kinder erwerben können. Entscheidend sei, die Väter und Mütter als gleichwertige Partner in der Bildungslandschaft anzuerkennen.

„Wir brauchen eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft von Elternhaus und Bildungseinrichtung“, so sein Plädoyer. Pädagogische Bündnisse könnten nur gelingen, wenn die Eltern aktiv in den Bildungsprozess einbezogen und ihnen geeignete Bildungsangebote unterbreitet werden. Väter und Mütter müssten zu „Ko-Konstrukteuren“ der Bildungspolitik werden. Unterschiedliche kulturelle Hintergründe sowohl der Eltern als auch der Kinder müssten dabei als Bereicherung gesehen werden und entsprechende Wertschätzung erfahren.

Die Wortmeldungen auf dem Elterntag der SPD machten deutlich, dass einige Schulen schon gut vorangekommen sind auf dem Weg zur Bildungspartnerschaft von Schule und Eltern. Einen speziellen Aspekt, die interkulturelle Elternbildung, beleuchteten Yeşim Böttle und Inge Mugler von der Diakonischen Bezirksstelle Ludwigsburg. Im Rahmen dieses Projektes in Ludwigsburg initiierten sie Seminare für Eltern zu Erziehungs- und Gesundheitsfragen in türkischer Sprache, Themenabende für türkische Eltern zu schulischen Fragen in Zusammenarbeit mit den Schulen vor Ort und sie bieten den Schulen und Kindergärten Unterstützung bei Elternabenden und Elterngesprächen an.

„Die Beteiligung der Eltern im Kindergarten und in der Schule unterstützt die Integration und fördert den Lernerfolg der Kinder“, so ihr Fazit.

In den Werkstattgesprächen diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Fachleuten darüber, wie viel Mitwirkung von Eltern und Schülern die Schulen heute brauchen, welche Rechte Eltern in der Schule haben und wie eine Erziehungs- und Bildungspart-nerschaft von Eltern und Bildungseinrichtung organisiert werden kann. Eine gute Schule lege schon heute großen Wert auf eine konstruktive Zusammenarbeit von Lehrkräften, Eltern und Schülern, war auf dem Elterntag oft zu hören.

Für Dr. Frank Mentrup, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, hat die Veranstaltung deutlich gemacht, dass Eltern bereit sind, ihre Rechte wahrzunehmen und Verantwortung für die Schule zu übernehmen.

Die SPD-Landtagsfraktion werde die vielfältigen Anregungen der Elternbeiräte und der Fachleute zur weiteren Verbesserung der Beteiligungsmöglichkeiten von Eltern und Schülern aufnehmen, sicherte Dr. Mentrup zu. Er kündigte zugleich an, seine Fraktion werde dazu weitere parlamentarische Initiativen in den Landtag einbringen.

Helmut Zorell
Pressesprecher