Redemanuskript Andreas Stoch
Gewaltexzesse in Stuttgart – Solidarität mit unserer Polizei

am 24. Juni 2020

Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

als ich am vergangenen Sonntagmorgen die Nachrichten gehört habe, glaubte ich zunächst, meinen Ohren nicht trauen zu können. Und ich glaube, so ging es uns allen. Die Berichte über die Ereignisse der vorangegangenen Nacht und die Bilder, die wir mittlerweile gesehen haben, waren und sind schockierend, sie machen uns fassungslos, und sie machen mich auch wütend.

Ich möchte allerdings mit dem beginnen, was mir heute, am gerade mal vierten Tag nach den Ereignissen des Wochenendes, am allerwichtigsten scheint.

Ich wünsche allen Polizistinnen und Polizisten, die in der Nacht zum Sonntag bei ihrem Einsatz verletzt wurden, eine rasche und vollständige Genesung. Kommen Sie bitte alle schnell wieder auf die Beine. Gute Besserung aus diesem Haus!

Und ganz wichtig ist es mir auch, allen Polizistinnen und Polizisten, allen Einsatz- und Rettungskräften Danke zu sagen. Danke für Ihren Einsatz, danke für Ihren Mut, Danke dafür, dass Sie diese Stadt und Ihre Bürgerinnen und Bürger beschützt haben angesichts eines nie dagewesenen Ausbruchs sinnloser, bösartig aggressiver und brutaler Gewalt.

Und Danke für Ihre unglaubliche Fähigkeit, all dieser Gewalt, dieser Aggression, diesem grundlosen Hass mit einer bemerkenswerten Besonnenheit zu begegnen.

Einer Besonnenheit, die noch Schlimmeres verhindert hat. Als ich am gestrigen Tag mit meinem Fraktionskollegen Sascha Binder und der innenpolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Ute Vogt das Polizeipräsidium besucht habe, um den Polizeikräften unseren Dank und unsere Hochachtung auszusprechen, wurde uns geschildert, wie gefährlich die Situation war. Als sich 30 Polizeibeamte einer Menge von 200 bis 300 aggressiven Personen gegenübersahen, die sie mit Flaschen und Steinen beworfen haben. Hier war Leib und Leben der Beamtinnen und Beamtem gefährdet, der Einsatz von Schusswaffen wäre in einer solchen Situation polizeirechtlich zulässig. Dass es dazu nicht kam, ist allein der Besonnenheit dieser Kolleginnen und Kollegen zu verdanken.

Was wäre geschehen, wenn wir Sie nicht gehabt hätten, wenn sie nicht so besonnen reagiert hätten? Unsere Polizei, ihre Polizistinnen und Polizisten, sie haben nicht nur unseren Dank verdient, unsere Anerkennung, unsere herzlichen Genesungswünsche. Sie haben auch verdient, dass wir uns zu ihnen bekennen.

Und das möchte ich ausdrücklich tun. Wir stehen zu unserer Polizei, und damit meine ich nicht nur meine Fraktion und nicht nur die überwältigende Mehrheit in diesem Haus, sondern auch die überwältigende Mehrheit in diesem Land. Und egal ob Sie in der Nacht zum Sonntag von diesem wütenden Mob umstellt waren oder Ihnen das erspart blieb.

Egal ob man Sie in ihrem Dienst sonst schon beschimpft oder beleidigt hat, bedroht oder angeschrien: Glauben Sie mir, die überwältigende Mehrheit in unserem Land ist froh und dankbar für ihre Arbeit, für ihre Leistung für unsere Gesellschaft, für ihren Schutz und ihre Hilfe, für das, was Sie ganz bescheiden Ihren Dienst nennen. Bitte vergessen Sie das nicht, auch nicht in den schwärzesten Stunden.

Aber es gibt auch etwas, was wir alle nie vergessen dürfen. Polizistinnen und Polizisten schützen unsere Gesellschaft. Aber unsere Gesellschaft muss auch die Polizei schützen.

Denn die Ausschreitungen in der Nacht zum Sonntag, das war mehr als ein Krawall in Stuttgart, Das war mehr als eine widerliche Liste brutaler Attacken auf Polizistinnen und Polizisten. Das war ein Angriff auf uns alle, auf unsere Gemeinschaft.

Und es ist ein Angriff, der mich auch wütend macht. Diese Idioten legen es darauf an, unsere freiheitliche und tolerante Gesellschaft kaputt zu machen. Und das lassen wir uns nicht bieten! Wir alle sind gefordert!

Und ja, deswegen hoffen wir darauf, dass alle verantwortlichen Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Dass sie merken, dass diese freiheitliche und tolerante Gesellschaft nicht wehrlos ist. Und wir vertrauen auf unsere Justiz, wie wir auf unsere Polizei vertrauen. Wer in der Nacht zum Sonntag randalierte, wer plünderte, wer Steine warf und Scheiben zertrümmerte und vor allem unsere Polizistinnen und Polizisten brutal angriff und verletzte, wer all das getan hat, der muss merken, dass die Härte des Gesetzes eine Realität ist und nicht nur eine Redensart.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn alle betroffenen Einsatzkräfte wieder gesund sind, alle Täter gefasst und verurteilt, alle Schäden in der Stadt so gut wie möglich abgewickelt sind, dann sind wir einen wichtigen Schritt weiter.

Aber dann dürfen wir nicht stehen bleiben.

Denn wenn ich vorhin sagte, dass nicht nur die Polizei die Gesellschaft schützt, sondern auch die Gesellschaft die Polizei schützen sollte, dann meine ich, dass wir die Polizei mit diesem gesellschaftlichen Problem nicht alleine lassen dürfen.

Und dann kommen wir zur entscheidenden Frage. Wie konnte so etwas passieren, was sind die Ursachen? Und vor allem, was können und müssen wir tun, um diese Entwicklungen zu stoppen?

Und diese Fragen sind zu wichtig und auch zu komplex, um sie schon wenige Stunden und Tage abschließend beantworten zu können. Und wir sollten uns auch nicht dazu verleiten lassen, um eines vermeintlichen parteitaktischen Vorteils mit billigen politischen Schuldzuweisungen zu agieren oder einfachste Erklärungsmuster zu verwenden.

Denn diese Entwicklungen, die am Samstagnacht zu diesem Gewaltausbruch geführt haben, die gibt es schon längere Zeit in unserer Gesellschaft. Was sich am Wochenende in Stuttgart Bahn gebrochen hat, ist ein Phänomen, das in dieser Dimension völlig neu ist. In seiner Qualität leider nicht.

Was Polizistinnen und Polizisten, aber auch Feuerwehrleute, Rettungskräfte, kommunale Angestellte seit Jahren zunehmend erleben müssen, ist eine wachsende Respektlosigkeit.

Mehr noch, eine fast krankhafte Unfähigkeit mancher Zeitgenossen, das eigene Ego mit den Regeln des Zusammenseins in Einklang zu bringen. „Ich mache was ich will, mir hat keiner etwas zu sagen, und wer an seine Mitmenschen denkt, kann nur ein Schwächling sein.“

Ganz ehrlich, dieses Phänomen beobachten wir seit Langem, nicht erst seit Corona, nicht erst seit weltweiten Rassismus-Debatten, längst nicht nur in Stuttgart. Bleiben wir da bitte alle bei der Wahrheit.

Denn gegen dieses Phänomen helfen keine gestanzten Phrasen, keine politischen Beißreflexe. Dagegen hilft nur eine gesellschaftliche Debatte, eine gemeinsame Anstrengung, nachhaltig, über den Tag und seine Schlagzeilen hinaus. Und nein, Prävention wird nie alles verhindern, aber wir wissen und haben bewiesen, dass sie wirken und dass sie helfen kann.

Und natürlich hat das, was am Samstag passiert ist, auch mit einer Entwicklung zu tun, dass der Staat in einem Teil der Gesellschaft nicht mehr den Respekt genießt, den er als Sachwalter des Gemeinwohls verdient. Und deswegen wird es im Kern darum gehen, dass wir denen, die sich, wie am Samstag geschehen, ganz bewusst außerhalb des Rechts stellen, mit aller Härte dieses Rechts klarmachen, dass sie sich damit gegen die große Mehrheit dieser, unserer offenen und freien, Gesellschaft stellen. Eines muss vollkommen klar sein: Das Gewaltmonopol liegt allein beim Staat und seinen Organen und dabei insbesondere bei unserer Polizei.

Und gerade, weil sie an der vordersten Front für die Einhaltung dieses Rechts kämpft, hat unsere Polizei unseren Dank verdient, unsere Solidarität und unsere Unterstützung.

Und genau darum hat sie verdient, dass wir alles, wirklich alles unternehmen, damit sich eine Nacht wie am vergangenen Wochenende nie wiederholen wird.

Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Melbeck Fraktion
Malin Melbeck
Parlamentarische Beraterin für politische Planung und Strategie, Parlamentsrecht, Stellvertretende Fraktionsgeschäftsführerin