MdL Dr. Frank Mentrup: „Wohlklingende Projekte gibt es genügend, doch der Bildungsauftrag der Kindertagesstätten ist nicht flächendeckend sichergestellt“

Prof. Dr. Nina Kölsch-Bunzen: „Frühkindliche Bildung braucht eine qualitativ hochwertige Aus-, Fort- und Weiterbildung, nachhaltige Fachberatung, kleinere Gruppen und eine bessere Bezahlung des Personals“

Über 300 Erzieherinnen und Erzieher sowie Elternbeiräte aus ganz Baden-Württemberg kamen am Samstag in den Landtag zum „Kindergartentag“ der SPD-Landtagsfraktion. Gemeinsam mit den Bildungspolitikern der SPD und weiteren Fachleuten diskutierten sie über die Ziele und künftigen Herausforderungen der frühkindlichen Bildung. Zwar seien in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte angestoßen worden. Um diese Projekte aber erfolgreich umsetzen zu können, müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden, so zahlreiche Anmerkungen aus den Reihen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Erzieherinnen und Erzieher sowie Eltern forderten von der Landespolitik, die Anstrengungen bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals deutlich zu verstärken, andernfalls leide die Umsetzung des Orientierungsplans und der Sprachförderung in den Einrichtungen. „Die Schere zwischen den Anforderungen an die Erzieherinnen und Erzieher, den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung klafft weit auseinander“, so eine Teilnehmerin. Außerdem wurde gefordert, die Eltern stärker in die Arbeit vor Ort einzubeziehen und ihnen entsprechende Bildungsangebote zu machen.

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Frank Mentrup, hob die große Bedeutung der frühkindlichen Bildung für den weiteren Bildungsweg hervor. „Kindertagesstätten haben einen eigenständigen Bildungsauftrag. Der muss gestärkt werden und alle Kinder erreichen.“ Er forderte ein größeres Engagement des Landes bei den Sprachstandsdiagnosen und der Sprachförderung. Nur wenn das Sprachvermögen der Kinder festgestellt und bei Defiziten professionelle individuelle Förderangebote landesweit bereitgestellt würden, hätten alle Kinder von Beginn an gleiche Bildungschancen. Die Sprachstandsdiagnosen müssten deshalb rasch eingeführt und vom Land finanziert werden.

Auch bei der Einführung eines beitragsfreien letzten Kindergartenjahres müsse Ministerpräsident Oettinger seinen vollmundigen Ankündigungen endlich Taten folgen lassen. „Der beitragsfreie Kindergarten eröffnet allen Kindern die gleichen Chancen, am Bildungsprozess teilzuhaben – von Anfang an und unabhängig von ihrer sozialen Herkunft“, unterstrich Dr. Mentrup. Zudem könnten dadurch Familien mit Kindern entlastet werden.

Schließlich müsse die Ausbildung und Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher schrittweise an europäische Standards angepasst werden, um den gestiegenen Anforderungen an diesen Beruf und der besseren Förderung der Kinder gerecht werden zu können.

Die Hauptreferentin des Kindergartentages, Prof. Dr. Nina Kölsch-Bunzen von der Hochschule Esslingen, hob hervor, dass die Kindertagesstätten vor neuen Herausforderungen stehen. So sollten sie sich verstärkt zum Sozialraum hin öffnen. Beispielhaft sei das Konzept der „Early-Excellence-Centers“, in denen sich Kitas zu gemeinwesenorientierten Servicezentren weiterentwickeln. Hier stehe die Elementarbildung im Mittelpunkt, gleichzeitig würden den Eltern auch Bildungs- und Beratungsangebote gemacht sowie Unterstützung durch medizinische und soziale Dienste direkt vor Ort angeboten.

Bei den Gesamtausgaben für frühkindliche Bildung liege Deutschland mit 0,42 Prozent des BIP deutlich hinter anderen OECD-Staaten zurück. Da die entscheidenden Weichen für den weiteren Bildungsweg in den ersten Lebensjahren gestellt werden, müsse in den Bereich der Elementarbildung deutlich mehr investiert werden. Prof. Kölsch-Bunzen forderte eine hochwertige Aus-, Fort- und Weiterbildung, nachhaltige Fachberatung, kleinere Gruppen und eine bessere Bezahlung des Personals.

Sie plädierte außerdem dafür, in die frühkindliche Bildung konsequent alle Kinder einzubeziehen. „Die Verschiedenheit der Kinder ist ein Reichtum. Frühkindliche Bildungsangebote sollten sich deshalb auf alle Kinder beziehen: auf Kinder aus bildungsnahen und -fernen Familien, auf Kinder mit und ohne Behinderung, auf Kinder mit und ohne Migrationshintergrund.“

In den Arbeitsgruppen am Nachmittag diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Fachleuten über den Stand der Umsetzung des Orientierungsplans, die Sprachförderung und die Reform der ErzieherInnenausbildung. Bei aller Notwendigkeit, Weiterentwicklungen einzuleiten, dürfe nicht vergessen werden, dass bereits heute in den Kindertagesstätten sehr gute Arbeit geleistet werde, war auf dem SPD-Kindergartentag oft zu hören. Gleichzeitig wurde angemahnt, die Rahmenbedingungen in den Einrichtungen zu verbessern, um den gestiegenen Anforderungen gerecht werden zu können. „Bei Gruppengrößen von bis zu 28 Kindern ist eine individuelle Förderung kaum möglich“, so eine Teilnehmerin.

Für Dr. Frank Mentrup hat die Veranstaltung die große Bedeutung der Elementarbildung deutlich gemacht. Die CDU/FDP-Landesregierung müsse ihr Engagement in diesem Bereich deutlich erhöhen. „Wohlklingende Projekte gibt es genügend, doch der Bildungsauftrag der Kindertagesstätten ist nicht flächendeckend sichergestellt. Wer so die frühkindliche Bildung vernachlässigt, verweigert den 3- bis 6-Jährigen wichtige Bildungschancen.“

Die SPD-Landtagsfraktion werde die vielfältigen Anregungen der Erzieherinnen und Erzieher sowie der Elternbeiräte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und zur notwendigen Fortbildungsoffensive aufnehmen und dazu weitere parlamentarische Initiativen in den Landtag einbringen, sicherte Dr. Mentrup zu.


Helmut Zorell
Pressesprecher