Aua. Die jüngste Sonntagsfrage hat weh getan. Nicht nur der SPD, sondern auch mir persönlich. So wie wahrscheinlich allen Leuten, die sich mit Überzeugung und Herzblut für die SPD ins Zeug legen. Zehn Prozent? Das tut weh. Sehr weh sogar.
Was ist passiert? Wer ist da schuld? Was müssen wir ändern? Wir reden da drüber, sehr viel, in der Partei, im Landesverband, in der Landtagsfraktion. Das Thema lässt uns logischerweise keine Ruhe. Aber warum genau wir diesen Tiefschlag kassiert haben, wissen wir noch nicht.
Klar, es gibt Ansätze: Über den ganzen Bundestagswahlkampf wurde die Migration als Deutschlands allergrößtes Problem aufgeblasen, die CDU rannte dem Spuk hinterher und die Medien auch… und am Ende sogar die SPD. Ich habe immer wieder gewarnt, dass damit so viele wichtige Themen auf der Strecke blieben. Themen, bei denen die SPD Lösungen hat. Aber nein: Es wurde die Migration, die Migration, die Migration. Wir wissen: Das hat keine AfD-Wähler zur CDU gelockt (sondern umgekehrt), und keine CDU-Wähler zur SPD. Es hat nur die Linkspartei aus dem Keller geholt, die sich dem Spuk als einzige frontal entgegenstellte: Nein, Menschen aus anderen Ländern sind erst mal kein Risiko, sondern eine Chance. Das meinen wir in der SPD auch. Früher haben wir das aber noch laut gesagt.
Und ja, auch die Debatte um die Zukunft von Saskia Esken war nicht hilfreich. Wir wussten alle: Personaldebatten in der SPD verkaufen sich gut, und so wenig man uns sonst zuhören will, so sehr hängt man an unseren Lippen, wenn es nach „Knatsch bei den Genossen“ riecht.
Das erklärt ein Minus hier und ein Minus da. Aber es erklärt keinen Sturz auf zehn Prozent. Die Stimmung, die hinter den Ergebnissen solcher Umfragen (und auch Wahlen, leider) steht, ist erratisch, gefühlig, aus dem Bauch heraus. Und da scheinen wir als SPD ein ganz, ganz großes Problem zu haben. Denn tatsächlich verkaufen andere Parteien ja oft bloße Versprechen: „Wähle uns, dann hast Du was für das Klima getan!“ – „Wähle uns, dann wird alles wieder wie in der guten alten Zeit“. Die SPD ist die regierungsfähigste Partei Deutschlands, sie koaliert mit allen demokratischen Parteien, steht im Bund und in vielen Ländern und noch viel mehr Kommunen am Steuer. Die SPD liefert. Aber was verspricht die SPD? Ja genau – das scheint zu wenig zu sein.
Ich will das nicht akzeptieren. Ich kann es nicht akzeptieren. Weil ich mit Leib und Seele Sozialdemokrat bin. Und weil ich sehe, wie unsere Positionen oft dermaßen richtig sind, dass selbst politische Mitbewerber gar nicht anders können, als sie zu übernehmen. Wie lange hat die SPD dafür gestritten, endlich viel Geld in die Hand zu nehmen und den Investitionsstau in Deutschland zu überwinden? Immer gegen ein Pfeifkonzert der CDU, die dann aber ganz schnell unsere Position übernahm, als es ans Regieren ging.
Diese Woche hat CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel öffentlich die Frage gestellt, warum Kitas in Baden-Württemberg nicht kostenlos sind – das sei immerhin sehr wichtige Bildung. Sind es sieben oder acht Jahre, die wir als SPD genau das gefordert haben, immer gegen ein Pfeifkonzert der CDU?
Überall höre ich, die Leute wollten keine Plagiate, sondern die wirklichen Markenprodukte. Sie wollten keine Kopien, sondern das Original. Und überall höre ich, die Leute wollen Fortschritt. Und den bitte schnell.
Die SPD ist das Original, wenn es um Fortschritt geht. Und es würde viel, viel schneller gehen in unserem Land, wenn wir nicht immer lange Jahre warten müssten, bis auch die anderen Parteien einsehen, wo die SPD Recht hat.
Bis zur Landtagswahl im kommenden Frühjahr können wir keine neue SPD bauen. Das müssen wir aber auch gar nicht. Wichtig ist, dass wir zu einem klaren Profil und zu mutigen Aussagen finden, dass wir uns nicht restlos diktieren lassen, zu welchen Themen wir uns zu äußern haben. Und dass wir an neuen Orten auf neue Weise mit neuen Leuten ins Gespräch kommen. Eine Zehnprozent-Partei kann nicht in ihrer eigenen Blase bleiben.
Das müssen wir schaffen bis zur Wahl. Und das schaffen wir auch.