Claus Schmiedel: „Die Scheinalternative K21 ist schlecht geplant, sorgt für Dreck, Gestank und Lärm und ist nicht durchfinanziert“
Wolfgang Drexler: „S21 ist menschenfreundlich, umweltfreundlich und relativ schnell realisierbar. Am Ende wird das Vorhaben eine breite Zustimmung im Raum Stuttgart und im ganzen Land finden“
Für die SPD-Landtagsfraktion ist das Neubauprojekt Stuttgart 21 (S21) verkehrlich ohne Alternative und finanziell in trockenen Tüchern. Diese Position vertraten Fraktionschef Claus Schmiedel und der für S21 zuständige Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler am Montag vor der Landespresse. S21 ist nach ihren Worten die beste Lösung zur Neuordnung des Stuttgarter Knotens und komme „so sicher wie das Amen in der Kirche“.
Am Rande des Berliner Parteitags der SPD hatten Schmiedel und Drexler Gelegenheit zu einem längeren Gespräch mit Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Dabei erhielten sie von ihm das klare Signal, dass die Unterzeichnung der Finanzierungsvereinbarung zu S21 unmittelbar bevorstehe und da „nichts mehr anbrennt“.
Eine unmissverständliche Absage erteilten die beiden SPD-Politiker der von den S21-Gegnern angepriesenen vermeintlichen Alternative Kopfbahnhof 21. „K21 ist voll mit Pferdefüßen und streut den Menschen Sand in die Augen“, warnte Schmiedel. „Die Scheinalternative K21 ist schlecht geplant, sorgt für Dreck, Gestank und Lärm und ist nicht durchfinanziert“, fügte er hinzu.
Der Bahn wie der Landesregierung warf der SPD-Fraktionschef schwere Defizite bei der politischen Vermarktung von S21 vor. Bislang sei es beiden Projektträgern nicht gelungen, die unbestrittenen verkehrspolitischen, ökonomischen und ökologischen Vorteile von S21 in die Köpfe und Herzen der Menschen zu bringen.
„Der zuständige Verkehrsminister Rech ist bei S21 als PR-Mann ein Totalausfall“, sagte Schmiedel. Er forderte die Landesregierung auf, endlich in die Gänge zu kommen und einen Koordinator für Öffentlichkeitsarbeit zu benennen, „der das Projekt nach außen schwungvoll, sympathisch und überzeugend vertritt.“
Claus Schmiedel: „Wir müssen bei der politischen Vermittlung von S21 rasch in die Offensive kommen und den vielen falschen, bisweilen auch bösartigen Pseudoargumenten der S21-Gegner den Giftzahn ziehen.“
Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler: K21 ist verkehrlich und ökologisch Murks
Landtagsvizepräsident und S21-Experte Wolfgang Drexler machte deutlich, dass K21 im Vergleich zu S21 keinerlei Vorteile aufweise, ganz im Gegenteil: „K21 ist verkehrlich und ökologisch Murks.“
Um die Kapazität des Hauptbahnhofs zumindest ein wenig zu steigern, benötige K21 zwei neue Zulaufstrecken vom Bahnhof bis nach Wendlingen. In der Praxis bedeute dies einen Tunnel vom Hauptbahnhof bis Cannstatt, eine neue Neckarbrücke, zwei neue Gleise durch das dicht bebaute Neckartal nach Obertürkheim, mindestens eine weitere Neckarbrücke zwischen Obertürkheim und Mettingen und anschließend noch einen neun Kilometer langen Tunnel auf die Filder.
Nach Ansicht Drexlers führt K21 infolge der langen Bauzeit, die ja zu einem großen Teil oberirdisch stattfinden müsste, zu einer sehr hohen Lärm- und Schmutzbelastung. Zudem werde der Lärm für die Bewohner des Neckartals nach der Fertigstellung von K21 sogar noch zunehmen.
Wolfgang Drexler: „K21 kann nur gut finden, wer selbst davon nicht betroffen ist. Wer aber direkt an der Strecke wohnt, ist der Dumme.“ Drexler, der selbst viele Jahre lang direkt an einer Bahnlinie gewohnt hat, warf den K21-Befürwortern vor, die davon für die Anwohner ausgehende Lärmbelastung leichtfertig zu verharmlosen.
Ganz unabhängig vom K21-Lärm sieht Drexler in der vorgeschlagenen Trassenführung einen Haken, der hinter ihre mögliche Realisierung ein dickes Fragezeichen mache. Denn die bei K21 geplanten Neckarbrücken zwischen Obertürkheim und Mettingen würden über privates Gelände, beispielsweise das des Hafens, führen.
Als völlig haltlos bezeichnete Drexler auch die Argumente der S21-Gegner zum Energieverbrauch. S21 würde viel Energie verbrauchen, heißt es da, weil die Züge zwischen Hauptbahnhof und Flughafen eine starke Steigung überwinden müssten. Doch K21 sei mindestens genauso energieintensiv. „Jeder Zug, der einen Berg hochfährt, verbraucht mehr Energie. Das gilt auch für die die Strecke von K21 auf die Filder.“
Völlig unsinnig sei die Behauptung, man könnte das Geld besser für Bildung ausgeben. „Das ist das alte Verwirrspiel, bei dem man Äpfel mit Birnen vergleicht und etwas Gutes gegen etwas gleich Gutes ausspielt“, so Drexlers Vorwurf. Das Land Baden-Württemberg gibt für S21 insgesamt 371 Mio. Euro aus. Davon sind 285 Mio. Euro zweckgebundene Mittel für den Nahverkehr. Dies wiederum entspricht 12 Prozent der in diesem Zeitraum insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel.
„Für ein Projekt dieser Größenordnung, von dem letztlich knapp die Hälfte aller Baden-Württemberger direkt profitiert, ist das ein angemessener Betrag.“ Die restlichen 86 Mio. Euro der Landesbeteiligung kämen aus dem Haushalt, pro Jahr also ca. acht Mio. Euro. „Das ist eine vertretbare Summe, die uns ein Infrastrukturprojekt dieser landespolitischen Bedeutung schon wert sein muss“, unterstrich Drexler.
Wer mit der Erzählung hausieren gehe, die Milliarden des Bundes und der Bahn flössen bei einem Verzicht auf S21 in andere Infrastrukturprojekte in Baden-Württemberg, werfe mit Blendkerzen um sich.
Wolfgang Drexler: „Wenn Stuttgart 21 nicht gebaut wird, dann passiert hier die nächsten 20 Jahre gar nichts, und die Gelder fließen in den Infrastrukturausbau im Norden oder Osten Deutschlands. Wer etwas anderes behauptet, verzapft schlicht Märchen.“
Gutachten von Vieregg-Rössler: Wenig Substanz, viel Panikmache
Nicht gerade zur Seriosität der K21-Befürworter habe auch das Gutachten von Vieregg-Rössler (VR) beigetragen. „Dieses angebliche Gutachten ist ein politisch motiviertes Schlechtachten“, spitzte Drexler zu.
VR hatte den hohen Preis von S21 unter anderem so erklärt: Normalerweise veranschlage man für ein Projekt wie S21 fünf Prozent Planungskosten. VR hatte 300 Millionen Euro an Planungskosten für Stuttgart 21 kalkuliert und somit Gesamtkosten von mindestens sechs Mrd. Euro für S21 gerechnet. Bis dato sind für Stuttgart 21 aber lediglich 170 Millionen angefallen, der Rest ist für die Planung der ICE-Trasse nach Ulm ausgegeben worden.
„Wenn das stimmt, wäre diese Annahme tatsächlich obsolet“, hat Martin Vieregg inzwischen eingeräumt. Die Höhe der Planungskosten hatte er einer Pressemitteilung von Stuttgarts OB Wolfgang Schuster entnommen. „Dieses Beispiel ist natürlich bezeichnend für die Art und Weise, wie dieses Gutachten zustande gekommen ist“, so Drexler.
Zudem habe VR nur 63 Maßnahmen in die Bewertung von S21 einfließen lassen, die DB AG indessen 10.000. Als bewusste Irreführung der Öffentlichkeit wies Drexler ferner die Behauptung von VR zurück, die abschnittsweise Längsneigung der Bahnsteige von bis zu 1,5 Prozent sei ein Mangel von S21.
Wolfgang Drexler: „Welchem Fahrgast ist es bisher aufgefallen, dass die S-Bahn-Haltestelle Feuersee eine Längsneigung von bis zu 2,0 Prozent aufweist? In 30 Jahren Betrieb hat sich dies zu keinem Zeitpunkt als kritisch oder problematisch erwiesen. Anstatt die Kirche im Dorf zu lassen, schürt VR Ängste und Vorurteile.“
Reine Panikmache sei überdies die Behauptung von VR, man habe nur mit zwei Minuten Haltezeit gerechnet. „Dies ist aber ein theoretischer Wert, der bedeuten würde, man jagt mit 72 Zügen pro Stunde durch den Bahnhof. Niemand will das tatsächlich. Die maximale Anzahl an Zügen pro Stunde wird seit jeher mit 51 angegeben“, stellte Drexler klar.
Bei der Inflation der Baukostenpreise veranschlage die Bahn 1,5 Prozent pro Jahr, der Mittelwert zwischen 1994 und 2007 habe im Tiefbau bei 1 Prozent gelegen. „VR rechnet hingegen mit 4 Prozent und hat sich so absichtlich seinen eigenen Teuermacher in die Kostenrechnung mit eingebaut“, kritisierte Drexler.
Verwundert die Augen reibt sich Drexler mit Blick auf den Umstand, dass S21 nach Angaben der Gegner immer teurer wird, K21 demgegenüber beim Preis stabil bleibt. „Haben die K21-Befürworter Geheimverträge mit der Bauwirtschaft abgeschlossen, damit die Preise bei ihren Berechnungen für K21 sich seit Jahren bis auf den Cent genau auf demselben Niveau halten, oder kalkulieren sie keine Kostensteigerungen mit ein, weil das für die eigene Propaganda abträglich wäre?“
Claus Schmiedel: Finanzierung für S21 auf gutem Weg
Zur Finanzierung von S21 gab Schmiedel bekannt, dass die Verhandlungen zwischen allen beteiligten Partnern auf einem guten Weg seien. Eine große Mehrheit im Landtag wolle das Projekt, daher sei die Landesseite gesichert. „Auch die Bahn steht wie eine Eins hinter dem Projekt und wird unterschreiben“, zeigte sich Schmiedel überzeugt.
Aus Berlin habe die SPD-Landtagsfraktion in den letzten Tagen deutliche Signale bekommen, dass sowohl die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm als auch S21 von Bundesseite durchfinanziert sind. Damit hat Bundesverkehrsminister Tiefensee aus Sicht Schmiedels die Möglichkeit, die Verträge zur Finanzierung von S21 bald zu unterschreiben.
Claus Schmiedel: „Auch wenn es die Gegner nicht wahrhaben wollen: Stuttgart 21 ist menschenfreundlich, umweltfreundlich und relativ schnell realisierbar. S21 wird kommen und am Ende eine breite Zustimmung bei den Menschen im Raum Stuttgart und in ganz Baden-Württemberg finden.“
Martin Mendler
Stellv. Pressesprecher