Claus Schmiedel: „Der Bildungsaufbruch ist im Land angekommen – jetzt brauchen die Beteiligten vor Ort mehr Spielräume für innovative pädagogische Konzepte“

Dr. Frank Mentrup: „Die Kampagne zeigt: Die Eltern wollen eine bessere frühkindliche Bildung, eine bessere Unterrichtsversorgung, mehr Ganztagsschulen und längeres gemeinsames Lernen – doch die Landesregierung ignoriert den Handlungsbedarf“

Ein Jahr nach ihrem Start zieht die SPD-Landtagsfraktion eine erste Zwischenbilanz ihrer Bildungskampagne „Bildungsaufbruch in Baden-Württemberg – bessere Bildung für alle“. Die Kampagne, die im April 2007 mit einer zentralen Veranstaltung im Landtag ihren Auftakt hatte, habe sich mittlerweile durch zahlreiche Initiativen zu einer Bürgerbewegung in den Kommunen entwickelt, die auf das ganze Land ausstrahle, stellen SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel und der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Dr. Frank Mentrup, erfreut fest. Der Bildungsaufbruch sei im ganzen Land angekommen. Nur die Landesregierung verharre in ihrer ideologischen Wagenburg und ignoriere den großen Veränderungsbedarf in unserem Bildungssystem.

Um diesen Stillstand rasch zu überwinden, müsse den Kommunen und Beteiligten vor Ort mehr Spielraum für innovative pädagogische Konzepte eröffnet werden, fordert die SPD.

Schmiedel: „In den Kommunen gibt es heute spannende Ansätze für Bildungsprojekte, die auf unterschiedlichen Wegen mehr Bildungsgerechtigkeit zum Ziel haben und die Kinder länger gemeinsam lernen lassen wollen. Wir fordern, dass die Regierung diese Reformschritte vor Ort zulässt und unterstützt.“

Die SPD-Fraktion werde dazu schon bald einen entsprechenden Schulgesetzentwurf in den Landtag einbringen, kündigte der Fraktionsvorsitzende an.Ziel der SPD sei die 10-jährige gemeinsame Schule für alle Kinder. Für diese Forderung gebe es zwar im Landtag noch keine Mehrheit. Vor Ort aber hätten zahlreiche Schulträger dafür neue Konzepte entwickelt, die sofort umgesetzt werden könnten. Entsprechende Anträge, auch solche auf Einrichtung von Modellstandorten, würden vom Kultusministerium bisher jedoch allesamt abgelehnt. „Nach Gutsherrenart lässt die Landesregierung Schulträger wie Schulpraktiker einfach abblitzen.“

Schmiedel unterstrich, dass Bildungsangebote zunehmend zu einem wichtigen Standortfaktor für die Kommunen werden. Dies sei eine große Chance, um Kindergarten, Schule, Jugendhilfe, Wirtschaft und Eltern besser miteinander zu verzahnen und eine neue Qualität gemeinsamer Verantwortung für das Aufwachsen junger Menschen zu erreichen. Der Reformwillen vor Ort dürfe deshalb von der Landesregierung nicht länger abgewürgt werden.

Schmiedel: „Es kann nicht sein, dass unsere Jugend ihrer Bildungschancen beraubt wird und der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg Schaden nimmt, nur weil die Landesregierung handlungs- und reformunfähig ist.“

Landesregierung darf sich nicht in die Büsche schlagen
Mehr Spielräume für die Bildungsbeteiligten vor Ort heiße aber nicht, dass sich die Landesregierung in die Büsche schlagen dürfe. Im Gegenteil: Das Land stehe mehr denn je in der Verantwortung, eine gute Unterrichtsversorgung an allen Schulen in allen Landesteilen zu gewährleisten, die Ganztagsschulen auszubauen und sie endlich als Regelschule im Schulgesetz zu verankern. Sie müsse auch den Bildungsauftrag und die Qualität der Kindertageseinrichtungen im ganzen Land sicherstellen und dafür die notwendigen Ressourcen bereitstellen.

Schmiedel kündigte an, dass die SPD-Fraktion nach der Sommerpause ein umfassendes Finanzierungskonzept für die dringend notwendigen Reformen im Bildungsbereich vorlegen werde.

„Bessere Bildung für alle gibt es nicht zum Nulltarif. Wir geben für Bildung nicht zu viel, sondern seit Jahren zu wenig aus. Wer an der Bildung spart, sägt am Ast, auf dem wir sitzen.“

Dr. Mentrup: Bevölkerung hat kein Vertrauen in Bildungspolitik der Regierung
SPD-Bildungssprecher Dr. Frank Mentrup unterstrich, dass die SPD-Abgeordneten bei bisher rund 200 Veranstaltungen im Rahmen der Bildungskampagne viel positive Resonanz auf die bildungspolitischen Reformschläge der SPD bekommen hätten. Über 350 Interessierte seien inzwischen in einem „Innovationsnetzwerk“ registriert und mischten sich aktiv in die bildungspolitische Debatte ein. Die von der SPD-Fraktion geschaltete Sonderseite im Internet https://bildungsaufbruch.bawue.spd.de/ besuchten im Durchschnitt monatlich über 2100 Nutzer.

Die Auswertung der bisherigen Veranstaltungen und sonstigen Rückmeldungen zur SPD-Bildungskampagne zeige deutlich, welche Themen den Menschen unter den Nägeln brennen: Die Stärkung der frühkindlichen Bildung, die Verbesserung der Unterrichtsversorgung, der Ausbau der Ganztagsschulen und das längere gemeinsame Lernen der Kinder über die 4. Grundschulklasse hinaus. Die SPD-Abgeordneten hätten im Rahmen der Bildungskampagne häufig auch den Eindruck vermittelt bekommen, dass die Menschen kein Vertrauen mehr haben, dass die CDU/FDP-Landesregierung die Probleme im Bildungsbereich lösen kann, hob Dr. Mentrup hervor.

Bildungsaufbruch von unten
Stattdessen habe sich eine breite Bewegung im Land für einen „Bildungsaufbruch von unten“ herausgebildet. So spreche sich nun auch das Katholische Landvolk für den Ausbau der Ganztagsschulen und die Verlängerung der Grundschule auf sechs Jahre aus. Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) fordere eine einheitliche Schulform für ein längeres, gemeinsames Lernen. Der Landesjugendring Baden-Württemberg werde noch deutlicher und fordere in einem neuen Positionspapier die 10-jährige gemeinsame Schulzeit sowie gebundene Ganztagsschulen.

Dr. Mentrup: „Das dreigliedrige Schulsystem hat in der Gesellschaft immer weniger Rückhalt – dies kann die Landesregierung nicht länger ignorieren.“

Die SPD-Fraktion werde auf ihrer Herbstklausur ein Konzept vorlegen, wie die zentralen Forderungen der SPD zur frühkindlichen Bildung und zur Schulpolitik finanziert werden können. „Wir werden klare Umsetzungs- und Finanzierungsschritte festlegen und damit die Landesregierung stellen – sowohl in fachlicher Hinsicht wie auch mit Blick auf die Finanzierung im nächsten Doppelhaushalt“, unterstrich der SPD-Bildungsexperte.


Bessere Bildung für alle – jetzt!
Mit diesem Finanzierungs- und Umsetzungskonzept wolle die SPD den „Bildungsaufbruch von unten“ weiter beflügeln. Zahlreiche Initiativen von Eltern, Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern setzten sich für kleinere Klassen, zusätzliche Lehrkräfte und eine bessere individuelle Förderung der Kinder ein. Besonders hervorzuheben seien die Initiative einer Familie aus dem Enzkreis sowie die Initiative „Schule mit Zukunft“, die am Küchentisch in Freiburg entstanden sei und sich mittlerweile zu einem landesweiten Netzwerk entwickelt habe.

Der Ruf nach Veränderungen sei nicht nur im Schulbereich unüberhörbar. Nun hätten sich auch Erzieherinnen und Erzieher sowie Eltern aus rund 650 Kindertageseinrichtungen in Baden-Württemberg zu Wort gemeldet. Sie forderten höhere Zuschüsse des Landes an die Kommunen, um die Ziele des Orientierungsplanes für den Kindergarten überhaupt erreichen zu können. Außerdem müssten die Gruppen verkleinert und die Erzieherinnen und Erzieher müssten regelmäßig fortgebildet werden.

„Die Menschen in Baden-Württemberg wollen nicht länger warten, bis es endlich mehr Bildungsgerechtigkeit gibt, gleiche Bildungschancen und damit bessere Bildung für alle“, so Dr. Mentrup.

Der Boom bei den Privatschulen müsse bei der Landesregierung alle Alarmglocken läuten lassen, so der SPD-Bildungsexperte. Diese Flucht aus dem öffentlichen Schulsystem sei ein deutlicher Hinweis auf den Reformstau und verstärke noch die in Baden-Württemberg ohnehin sehr ungleich verteilten Bildungschancen. „Gegen die immer tiefer werdende Bildungskluft hilft nur der Bildungsaufbruch von unten“, so Dr. Mentrup.

Helmut Zorell
Pressesprecher