Eckpunkte von MdL Florian Wahl
Die von der rechtsextremistischen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) begangenen Terroranschläge haben grundlegende Fragen nach möglichen Schwächen in der deutschen Sicherheitsarchitektur aufgeworfen. Unabhängig von den Ergebnissen und Handlungsempfehlungen des „NSU-Untersuchungsausschusses“ auf Bundesebene schlagen wir für Baden-Württemberg folgende Maßnahmen vor, um verloren gegangenes Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wiederherzustellen sowie die Akzeptanz des Verfassungsschutzes in der Gesellschaft zu stärken:
1. Verschärfung der parlamentarischen Kontrolle
Bislang ist die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg in § 15 des Landesverfassungsschutzgesetzes (LVSG) geregelt. Danach ist der Ständige Ausschuss des Landtags durch das Innenministerium zumindest halbjährlich über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes zu unterrichten. Künftig soll – wie in allen anderen Bundesländern – ein eigenes Parlamentarisches Kontrollgremium (PKG) eingerichtet werden, um eine wirksamere Kontrolle der geheimdienstlichen Aktivitäten zu gewährleisten. Das PKG soll mit dem bisherigen G10-Gremium verschmelzen. Hier sollen sämtliche parlamentarischen Kontrollrechte gebündelt werden.
Über die bislang bereits normierte umfassende Unterrichtung des zuständigen Innenministers über die allgemeine Tätigkeit des Verfassungsschutzamtes über Vorgänge von besonderer Bedeutung hinaus sollten die Mitglieder im PKG im Landesverfassungsschutzgesetz ergänzend mit folgenden Befugnissen ausgestattet werden:
• Akteneinsichtsrecht;
• Angehörige und Mitarbeiter der Nachrichtendienste sowie Mitarbeiter und Mitglieder der Regierung befragen zu können;
• Zutrittsrecht zu den Diensträumen der Verfassungsschutzbehörde;
• Die Möglichkeit, mit einem einstimmigem Beschluss einen Sachverständigen
damit zu betrauen, im Einzelfall Untersuchungen zur Wahrnehmung der
parlamentarischen Kontrollaufgaben durchzuführen;
• Das Recht, den Datenschutzbeauftragten anzurufen (vgl. auch Ziffer 3.).
Den Angehörigen der Nachrichtendienste sollte das Recht eingeräumt werden, sich unmittelbar an das parlamentarische Kontrollgremium zu wenden soweit keine Abhilfe durch den Amtsleiter möglich war. Das PKG muss wie die übrigen Ausschüsse des Landtags entsprechend mit Sach- und Personalmitteln ausgestattet werden.
2. Gesetzliche Verankerung für den Einsatz von V-Personen
Im Bereich der Bekämpfung verfassungsfeindlicher und terroristischer Bestrebungen kann grundsätzlich nicht auf menschliche Quellen für die Erlangung von nicht offen zugänglichen Informationen aus extremistischen und terroristischen Organisationen verzichtet werden. Der Einsatz von V-Personen hat jedoch in der Vergangenheit mehrfach fragwürdige Ausmaße angenommen. Einsätze von V-Personen dürfen nicht mehr weiterhin auf der Grundlage untergesetzlicher, behördeninterner und geheimer Regelungen erfolgen. Ohne notwendige Geheimhaltungsbedürfnisse zu verletzen, ist es erforderlich, transparente gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Die bislang in Baden-Württemberg in Dienstvorschriften festgeschriebenen Voraussetzungen müssen deshalb künftig klar und verbindlich durch den Landtag in einem Gesetz geregelt werden.
Die Verpflichtung von V-Personen zur Informationsbeschaffung sollte wie bislang nur zulässig sein, wenn
• dies zur Aufgabenerfüllung nach § 3 Absatz 1 LVSG erforderlich ist;
• die betreffende Person volljährig ist;
• die betreffende Person keine Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen hat oder während des Zeitraums ihrer Verpflichtung begeht;
• Geld- oder Sachzuwendungen für die Tätigkeit als Vertrauensperson nicht auf Dauer die alleinige Lebensgrundlage sind und
• die betreffende Person nicht an einem Aussteigerprogramm des Bundes oder eines Landes teilnimmt.
3. Datenschutz
Bei einer Novellierung des LVSG sind auch entsprechende Maßnahmen zu treffen, um den Schutz personenbezogener Daten zu verbessern. Das PKG soll die Möglichkeit erhalten, im Rahmen einzelner personenbezogener Maßnahmen der Verfassungsschutzbehörde den Landesbeauftragten für Datenschutz zu konsultieren.
Die nötigen Voraussetzungen für Anträge zur Einholung von Informationen nach dem Artikel 10-Gesetz, die durch das Landesamt für Verfassungsschutz beim Innenministerium zu stellen sind, müssen klar geregelt werden. Im Einzelnen ist zu beachten, dass ein Antrag auch weiterhin enthalten muss:
• Angaben über die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet,
soweit möglich mit Name und Anschrift;
• die wesentlichen Gründe für die Maßnahme;
• eine Begründung, dass die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise
aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre;
• Art, Umfang und Dauer der Maßnahme unter Benennung des Endzeitpunktes.
Die Anordnung ist dabei zeitlich zu beschränken. Wurde die Einholung von Informationen von der G10-Kommission für unzulässig erklärt, ist diese Maßnahme unverzüglich zu beenden. Sämtliche bis dahin erhobenen Daten sind zu löschen.
Stuttgart, 17. Oktober 2013
Martin Mendler
Pressesprecher