MdL Claus Schmiedel: „Wir wollen eine zentrale Anlaufstelle, damit die Förderung von Zukunftsprojekten nicht länger an zersplitterten Zuständigkeiten und Eifersüchteleien unter den Akteuren scheitert“

Nach intensiver Beratung mit den an der Wirtschaftsförderung Beteiligten hat die SPD-Landtagsfraktion jetzt ein Konzept für eine schlagkräftige und zukunftsträchtige Wirtschaftsförderung vorgelegt. Nach den Worten des wirtschaftspolitischen Sprechers der Fraktion, Claus Schmiedel, hat sich die SPD-Landtagsfraktion dafür entschieden, die für das Land und seine weitere wirtschaftliche Entwicklung entscheidenden Zukunftsfragen nicht mehr allein von staatlichen Behörden oder allein von der privaten Wirtschaft entscheiden zu lassen, sondern hierfür eine neue, privatrechtlich orientierte „Wirtschaftsförderungsgesellschaft Baden-Württemberg mbH“ zu installieren.

Diese Wirtschaftsförderungsgesellschaft soll offen sein für alle schon bisher an diesem Themenbereich Beteiligten, in erster Linie also für das Land selbst, seine Förderbank, die Steinbeis-Stiftung, die Wirtschaft über die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern, die Gesellschaft für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (GWZ), den Tourismusverband Baden-Württemberg sowie die kommunalen bzw. regionalen Wirtschaftsförderer. Weitere Partner und Verbündete seien allerdings durchaus willkommen.

Die neue Wirtschaftsförderungsgesellschaft Baden-Württemberg (WFG) soll nach den Worten Schmiedels zentrale Anlaufstelle sein für alle wichtigen Zukunftsprojekte, die für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes von besonderer Bedeutung sind. Schmiedel nannte in diesem Zusammenhang u. a. die Brennstoffzellen-Technik und die Biotechnologie. Gerade auf diesen Zukunftsfeldern gebe es bisher zersplitterte Zuständigkeiten innerhalb der Landesregierung und lähmende Disharmonien zwischen den Akteuren auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung.

Schmiedel: „Die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes liegt in der Hand von Staat und Wirtschaft. Beide müssen zusammenarbeiten und sollen deshalb in der neuen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Baden-Württemberg als Gesellschafter zum Wohle des Landes zusammenwirken.“ Bisher jedenfalls sei von den am Fördergeschehen Beteiligten viel zu oft aneinander vorbei gearbeitet worden und es fehle der zentrale Ansprechpartner in Baden-Württemberg.

„Die neue Gesellschaft ist das Herzstück unserer Reformvorstellungen. Sie empfängt und gibt die Signale, stellt die Weichen“, führt der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion zur Bedeutung der zentralen Anlaufstelle weiter aus.

Personell und finanziell soll die neue Wirtschaftsförderungsgesellschaft aus den vielen bereits vorhandenen Ressourcen bedient werden. Der größte Teil könne dabei von den Ministerien des Landes, dem Landesgewerbeamt, Landesgesellschaften und –banken, der Rest von den übrigen Beteiligten aufgebracht werden. Angestrebt würden schlanke aber schlagkräftige Einheiten zur Wirtschaftsförderung, vernetzt über die neue Wirtschaftsförderungsgesellschaft.

Hier könnten und müssten dann endlich Entscheidungen darüber getroffen werden, wo welche Cluster im Land entstehen und unterstützt werden sollen und wo eben nicht. Schmiedel verband die Vorstellung der SPD-Vorschläge für eine zukunftsgerechte Wirtschaftsförderung in Baden-Württemberg mit einer deutlichen Kritik an der Landesregierung. So sei das vergangene Jahr für die Südwest-Wirtschaft ein Jahr ohne wirtschaftliches Wachstum gewesen. Beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner liege Baden-Württemberg mit etwa 28.539 Euro schon deutlich hinter Hamburg mit 42.607 Euro, Bremen mit 33.923 Euro oder Hessen mit 30.509 Euro. Vor Baden-Württemberg liege auch noch Bayern mit 28.980 Euro und gleichauf mit Baden-Württemberg Nordrhein-Westfalen mit 25.458 Euro. „Der ehemalige Vorsprung Baden-Württembergs ist aufgebraucht, wir sind bei der Wirtschaftskraft schon längst nicht mehr Spitze“, kritisiert Schmiedel.

Zurückzuführen sei die besondere Wachstumsschwäche Baden-Württembergs vor allem auf die mangelhafte Unterstützung notwendiger Strukturreformen durch die Landesregierung. So tragen nach Schmiedels Angaben insbesondere die großen Defizite im Dienstleistungsbereich zur aktuellen Wirtschaftsflaute bei. Genau in diese Wunde habe auch das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim im Auftrag des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums Anfang dieses Jahres in einem Gutachten seine Finger gelegt. Darin kommt das Institut zu einer strukturpolitisch wichtigen Wertung:

„Die starke Prägung von Unternehmensdichte und Neugründung durch das produzierende Gewerbe bewirkt, dass die Branchenstruktur gefestigt und gestärkt wird. Ein Strukturwandel hin zu einer eher dienstleistungsorientierten Wirtschaft ist (…) gegenwärtig nicht festzustellen. Die eindeutige Stärke Baden-Württembergs im Gründungsgeschehen liegt in den Branchen des verarbeitenden Gewerbes, während das Gründungsgeschehen in den Dienstleistungsbranchen durchaus schwach ausgeprägt ist (…). Vor diesem Hintergrund könnte Baden-Württemberg mittelfristig auch unter dem allgemein zu beobachteten Strukturwandel (also nicht nur der Konjunktur) leiden, der eine stetige Umstrukturierung hin zu den Branchen des Dienstleistungsgewerbes generiert. Trifft diese Hypothese zu, hätte Baden-Württemberg seine Stärken in einer schrumpfenden Branche. Dies könnte langfristig zu einem Problem für das Land werden.“

Schmiedel forderte die Landesregierung auf, die Warnungen des fundierten, aktuellen ZEW-Gutachtens, die entsprechenden Hinweise anderer Institute und die Signale aus dem Land selbst endlich ernst zu nehmen und als Aufforderung zu konkretem Handeln zu verstehen. Die Vorschläge der SPD-Landtagsfraktion seien eine gute Basis für die notwendige zukunftsgerechte Neuausrichtung des Landes. Die Landesregierung sei gut beraten, diese konstruktiven Reformvorschläge möglichst rasch aufzugreifen.

Helmut Zorell
Pressesprecher