MdL Carla Bregenzer: „Dieses Ausbauprogramm ist eine der größten Innovationschancen unseres Landes und kann nur mit vereinten Kräften gestemmt werden“

SPD will per Parlamentsinitiative Offenlegung der Ziele und Entscheidungskriterien erzwingen und die rechtzeitige Einbeziehung des Landtags erreichen

Die SPD-Landtagsfraktion hält den Zeitplan und die Umstände für die Vorlage des Masterplans „Hochschule 2012“ durch den Wissenschaftsminister für völlig inakzeptabel. Das Parlament werde in eine reine Zuschauerrolle gedrängt und die Hochschulen hätten semesterferienbedingt ohne echte Beratungen entscheiden müssen. Wer sich mit eigenen Anträgen aus den Regionen an diesem Ausbauprogramm beteiligte, sei über die Kriterien der Entscheidungsfindung und der Finanzierung des Ausbauprogramms weitgehend im Unklaren gelassen worden, kritisiert die wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Carla Bregenzer.

„Dieses Ausbauprogramm ist eine der größten Innovationschancen unseres Landes und kann nur mit vereinten Kräften gestemmt werden.“ Angesichts der Tragweite der Weichenstellungen sei es nicht hinzunehmen, dass de facto zwei oder drei urlaubsgesperrte Beamte im Wissenschaftsministerium über die Zukunft der Hochschulen entscheiden, so die Wissenschaftsexpertin.

Die SPD hat deshalb mit einer Parlamentsinitiative auf die Ankündigung des Wissenschaftsministers reagiert, bereits am 9. Oktober 2006 auf einem Abschlusskongress den Masterplan ‚Hochschule 2012’ für das Land vorzulegen. Mit diesem Ausbauprogramm sollen an den Hochschulen und Berufsakademien im Land bis zum Jahr 2012 mindestens 16.000 zusätzliche Studienanfängerplätze geschaffen werden. Bis dahin wird mit einer Verdopplung der Zahl der Studienberechtigten gerechnet und 2012 drängen wegen der Verkürzung der Gymnasialzeit (G8) gleich zwei Abiturientenjahrgänge an die Hochschulen.

Nach Ansicht der SPD verspielt der Minister mit seinem Hau-Ruck-Verfahren die Chance, die in dieser Ausbauplanung liegt und damit auch die Möglichkeit, falsche Weichenstellungen aus der Vergangenheit zu korrigieren. Der Solidarpakt habe in den letzten 10 Jahren an den Universitäten einen starken Stellenabbau bewirkt und Studienplätze knapp gemacht, so Bregenzer (siehe Anlage 1). Viele NC-belegte Fächer erschwerten daher schon heute den Studienzugang für junge Leute. Da es aber unbestritten sei, dass wir mehr Berufsanfänger mit Hochschulausbildung brauchen, um unsere Zukunft zu meistern, müsse mit einem breit angelegten Ausbauprogramm den Hochschulen auch die Möglichkeit zur Weiterentwicklung gegeben werden.

Für falsch hält Bregenzer auch das erklärte Ziel des Wissenschaftsministers, mit dem Ausbauplan 2012 vorrangig auf die technisch-naturwissenschaftlichen Studiengänge zu setzen. Wie die prozentuale Verteilung der Studienanfänger zeige, verteilten sich die Interessen der jungen Menschen ziemlich gleichmäßig und über die Jahre recht gleich bleibend zwischen den Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie den Geisteswissenschaften und den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Anlage 2).

Mit Blick auf die steigenden Studierendenzahlen bis etwa 2015 von „Studentenbergen, die untertunnelt“ oder von „Studentenfluten, die überbrückt“ werden müssten, zu sprechen, hält die SPD-Wissenschaftsexpertin für unverantwortlich. „Junge, ehrgeizige, engagierte Menschen in unserem Land haben ein Recht und einen Anspruch auf gute Ausbildungsbedingungen.“

Bregenzer: „Monatelang hat der Wissenschaftsminister die im Juli 2005 vorgelegten Empfehlungen des von ihm einberufenen Beraterkreises ‚Hochschulentwicklung 2020’ vor sich hinschlummern lassen. Im Februar 2006 hat er dann mit einem Kongress den Prozess zur Entwicklung der Hochschullandschaft eröffnet und im Sommer im Schweinsgalopp durchgepeitscht: 12 Regionalkonferenzen in einem Monat, sechs Wochen für die konkrete Antragstellung durch die Hochschulen – und am 9. Oktober soll bereits der Masterplan vorgelegt werden. Ein transparentes, auf Mitwirkung und Einflussnahme angelegtes Programm sieht anders aus.“

Das gegenwärtige Szenario

Das gegenwärtige Szenario, das alles bisher Erlebte an hochschulpolitischen Gestaltungsvorhaben in den Schatten stelle, beschreibt Carla Bregenzer so:

  • In zwölf IHK-Regionen wurde bis Ende Juli das Angebot ‚Hochschule 2012’ präsentiert, verbunden mit der Aufforderung, sich mit Anträgen und eigenen Finanzierungsanteilen aus der Region zu bewerben. Nach Aussagen von Minister Frankenberg ist das Hochschulausbauprogramm eine „außerordentliche finanzielle Kraftanstrengung“, die nur im Schulterschluss mit der Wirtschaft zu bewältigen sei. Dementsprechend hätten sich Hochschulen, Wirtschaft und Politik vor Ort angestrengt und jede Menge Vorschläge entwickelt. Der Minister habe so Hoffnungen geweckt, die nun, so Bregenzer, in vielen Fällen enttäuscht würden.

  • Völlig unklar ist, wie jetzt konkret vorgegangen, wie beantragt werden soll, welchen inhaltlichen und formalen Kriterien diese Anträge genügen müssen, wie präzise und verpflichtend die eigenen Finanzierungsanteile der Hochschulen oder die der Wirtschaft dargestellt werden müssen, ob fehlende oder nicht ausreichende Finanzierungsbeteiligung den Antrag aus dem Rennen nimmt, ob Nachbesserungsmöglichkeiten eingeräumt werden.

  • Keine Klarheit auch über die Höhe der Finanzierungsbeteiligung des Landes. Vor der Wahl versprach Ministerpräsident Oettinger 30 Prozent mehr für die Hochschulen, der Wissenschaftsminister ein Plus von 300 Mio. Euro. Nach der Wahl war nur noch von 150 Mio. Euro die Rede und in jüngster Zeit gar nur noch von 100 Mio. Euro.

  • Bisher unbeantwortet auch die Frage, ob die Beiträge der Hochschulen durch ausgewiesene Einsparungen, Umschichtungen, Stellenstreichungen oder sonst wie erbracht werden sollen. Völlig offen auch, ob und wie die Zusatzfinanzierungen aus ‚Hochschule 2012’ im bevorstehenden Solidarpakt II berücksichtigt werden.

  • Völlig im Dunkeln: Wie flexibel ist der Masterplan? Erhält der Professor, der in 2007 im Rahmen des Masterplans ‚Hochschule 2012’ berufen wird, wie üblich eine Dauerstelle? Oder: Wie wird die eigentlich gebotene Befristung geregelt und wie sollen die qualifizierten Bewerberinnen und Bewerber für die bis zu 6.000 Stellen gefunden werden, wo doch alle Bundesländer Ausbauplanungen verfolgen?

  • Gibt es tatsächlich, wie kolportiert wird, vorfestgelegte Programmanteile für Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen, Kunst- und Musikhochschulen und Berufsakademien? Und wie wirkt sich die immer wieder verdeutlichte Präferenz des Wissenschaftsministers für technisch-naturwissenschaftliche Studiengänge auf die Themenpalette der Anträge aus? Woher kommt das Geld für den notwendigen Ausbau der Geisteswissenschaften?

  • Welche Bewertung erfahren Anträge von Städten, die sich mit großem – auch finanziellem – Aufwand dazu entschlossen haben, ihrer Entwicklung mit Außenstellen einer Hochschule oder einer Berufsakademie einen wirksamen Impuls zu geben und dafür auch die Unterstützung der örtlichen Wirtschaft haben?

  • Nach Informationen der SPD haben sich die zuständigen Gremien der Hochschulen semesterferienbedingt mit den Anträgen nur in den seltensten Fällen wirklich befassen können. Wie tragfähig sind aber Konzepte, wenn sie lediglich von den Rektoraten als ‚windfall profit’ mitgenommen und nicht von den Hochschulen insgesamt offensiv vertreten werden?
  • Warum lassen sich die Hochschulen das bieten?

    Die Frage sei, warum sich die Hochschulen solchen Bedingungen widerspruchslos beugen, so Bregenzer. Die Antwort darauf sei „so einfach wie bestürzend“: Mehrfach hätten Hochschulrektoren ihr gegenüber ihr völliges Unverständnis gegenüber diesem Entscheidungsverfahren ausgedrückt. Öffentlich aber Transparenz zu fordern verbiete sich den Rektoren, weil sie damit riskierten, zum Schaden ihrer Hochschulen mit ihren Anträgen zu scheitern.

    Bregenzer: „Es ist nicht hinnehmbar, dass der vielbeschworene Wettbewerb zwischen den Hochschulen in Wahrheit zu einem Buhlen um die Gunst des Ministers und seines Ministeriums wird. Mit unserem Parlamentsantrag verfolgen wir deshalb auch das Ziel, den antragstellenden Hochschulen und Städten ein Mindestmaß an verlässlicher Information über nachvollziehbare Entscheidungskriterien des Projekts ‚Hochschule 2012’ zu verschaffen.“

    Landtag darf sich nicht in die Zuschauerrolle drängen lassen

    Der Antrag der SPD-Fraktion verlangt auch eine Befassung des Wissenschaftsausschusses mit dem Masterplan 2012 noch vor der Abschlusskonferenz am 9. Oktober. Bregenzer erinnert dabei an die Forderung von Landtagspräsident Straub, der erst in den vergangenen Wochen angemahnt hatte, der Landtag solle früher an den europäischen Entscheidungen beteiligt werden.

    Solange der Landtag selbst in ureigensten Landeszuständigkeiten, wie in der Hochschulpolitik, von der Exekutive vor die Tür gewiesen werde, brauche er sich keine Gedanken um europäische Angelegenheiten zu machen.

    Carla Bregenzer: „Zwölf Regionalkonferenzen im ganzen Land, von überall her unterschiedlichste Anträge, das größte Ausbauprogramm für die Hochschulen auf absehbare Zeit: Diesen Prozess in den entscheidenden Strukturen mitzugestalten, gehört zu den ureigensten Aufgaben des Landtags. Es ist in keiner Weise hinnehmbar, dass darüber im stillen Kämmerlein des Wissenschaftsministeriums entschieden wird.“

    Helmut Zorell, Pressesprecher