MdL Hans-Martin Haller: „Wir wollen Baden-Württemberg zum Musterland für Verkehrssicherheit entwickeln“
ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner: „Dem Land stünde eine Spitzenstellung bei der Absenkung der Verkehrsopferzahlen gut zu Gesicht“
Nach dem Willen des ACE Auto Club Europa und der SPD-Landtagsfraktion soll Baden-Württemberg künftig eine Vorreiterrolle für mehr Sicherheit im Straßenverkehr übernehmen. „Wir wollen Baden-Württemberg zum Musterland für Verkehrssicherheit entwickeln“, erklärte SPD-Verkehrsexperte Hans-Martin Haller.
SPD und ACE forderten Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) auf, den Weg für neue Methoden der abschnittsbezogenen Geschwindigkeitsmessung (Section Control) frei zu machen und in Berlin endlich dafür zu sorgen, dass für eine Erprobung die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. „Dem Land stünde eine Spitzenstellung bei der Absenkung der Verkehrsopferzahlen gut zu Gesicht“, sagte ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner.
Bereits im vergangenen Sommer hatten sich der für die polizeiliche Verkehrsüberwachung zuständige Landesinnminister Reinhold Gall (SPD) und die ACE-Spitze für einen Test von Section Control in Baden-Württemberg ausgesprochen. Das auch vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) und dem Deutschen Verkehrsgerichtstag befürwortete neue Verfahren soll an unfallkritischen Autobahnabschnitten etwa im Bereich von Gefällstrecken ein-gesetzt werden. Baden-Württemberg wäre bundesweit das erste Land, in dem die neue Überwachungsmethode getestet würde. Nach Auffassung von ACE und SPD würde im Unterschied zu herkömmlichen Radarmessungen bei Section Control die gesellschaftliche Akzeptanz steigen. Gleichzeitig sei ein deutlicher Rückgang der Unfallzahlen zu erwarten.
Land in der Verkehrssicherheit unter Durchschnitt
Nach Angaben des ACE spielt Baden-Württemberg entgegen seiner sonstigen Ambitionen in der Verkehrssicherheit keine Rolle auf den vorderen Rängen. „Das Land bewegt sich hier unter dem Bundesdurchschnitt“, sagte ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner.
Unfallzahlen Baden-Württemberg: Getötete im Straßenverkehr 2010
Mit 46 Getöteten pro 1 Mio. Einwohner liegt das Land Baden-Württemberg aktuell (2010) auf Platz 9 der deutschen Länder. Dies bedeutet gegenüber dem bundesdeutschen Mittelwert von 45 / 1 Mio. einen Platz unter dem Durchschnitt.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wird die Zahl der Verkehrstoten im Jahr 2011 erstmals seit 20 Jahren wieder steigen. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis), die auf vorliegenden Eckdaten von Januar bis Oktober 2011 basieren, wird sich die Zahl der Verkehrstoten in diesem Jahr auf etwa 3 900 Menschen erhöhen. Das wären rund 7 Prozent mehr Todesopfer als im Jahr 2010. Damit hätte der Straßenverkehr in diesem Jahr durchschnittlich 11 Menschen pro Tag das Leben gekostet. 2010, dem Jahr mit der bis-her niedrigsten Zahl an Todesopfern, starben im Durchschnitt 10 Menschen pro Tag.
Verunglückte im Straßenverkehr 2010
Etwas besser sieht das Ergebnis bei der Betrachtung der Verunglücktenzahlen aus. Hier belegt BW Rang 6 mit 420 pro 100.000 Einwohner. Der deutsche Mittelwert liegt bei 458.
Rückgang der Unfallzahlen (Unfälle mit Personenschaden)
BW kann im Zeitraum 1991 bis 2010 auf einen Rückgang der Unfälle mit Personenschaden um 23,8 % verweisen. Damit ist das Bundesland auf dem zehnten Platz im Ländervergleich.
Rückgang der Verkehrsopferzahlen 1991 bis 2010
Leichtverletzte BW: – 19 % = Rang 8 (D: – 17 %)
Schwerverletzte BW: – 41 % = drittletzter Rang (D: – 52 %)
Getötete BW: – 57 % = viertletzter Rang (D: – 68 %)
Bundesverkehrsminister Ramsauer mit neuer Kampagne „Runter vom Gas“
In Berlin will Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) an diesem Dienstag (13. Dezember) eine neue Runde für die Verkehrssicherheitskampagne „Runter vom Gas“ einläuten“ und unter anderem Maßnahmen gegen Raserei und unangepasste Geschwindigkeit vorstellen. Nach dem kürzlich beschlossenen nationalen Verkehrssicherheitsprogramm soll die Zahl der Verkehrstoten (3.648/ 2010) bis 2020 um mindestens 40 Prozent reduziert wer-den.
Erläuterungen zu Section Control
Das Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit, insbesondere mit Überschreitung der zu-lässigen Höchstgeschwindigkeit, ist eine Hauptursache für Verkehrsunfälle. Untersuchungen haben nachgewiesen, dass die Durchsetzung von Geschwindigkeitsvorschriften die Anzahl und die Schwere der Unfälle in den entsprechenden Abschnitten deutlich senkt.
Mit der abschnittbezogenen Geschwindigkeitsüberwachung ist es möglich, den durch punktuelle Kontrollen nur punktuell erreichbaren Effekt der Geschwindigkeitseinhaltung auf den gesamten überwachten Streckenabschnitt auszudehnen. Der Ansatz von Section Control besteht darin, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit sämtlicher den Überwachungsabschnitt passierender Fahrzeuge auf der gesamten Wegstrecke gemessen wird, und zwar unabhängig davon, ob der betreffende Fahrzeugführer eine Übertretung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit begangen hat oder nicht. Auf der Basis der Kennzeichenerfassung aller Fahr-zeuge machen digitale Videokameras per fotografischer Erfassung einen vollautomatischen Vergleich der Aufnahmen zu Beginn und am Ende des überwachten Abschnittes, in dem die Durchschnittsgeschwindigkeit errechnet wird (Weg-Zeit-Berechnung). Bei Übertretungen werden die Daten an die Zentrale der Polizei übermittelt. Alle anderen Aufnahmen werden sofort gelöscht.
Ziel dieser Maßnahme ist die durchgängige Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, so dass vor allem die Verkehrssicherheit erhöht wird. Diese Art der Überwachung stellt nach derzeit geltender Rechtsauffassung einen Eingriff in das Grundrecht auf "informationelle Selbstbestimmung" dar. Es ist daher erforderlich, dass der Gesetzgeber die entsprechende Rechtsgrundlage schafft.
Die bisherigen Erfahrungen im Ausland sind positiv: So wurden in den Niederlanden nach Installation des Systems an einer Autobahn im Jahre 2002 nur noch 0,5 Prozent Geschwindigkeitsübertretungen registriert. Die Zahl der Verkehrsunfälle sank um 47 Prozent. ln Österreich sind seit 2003 insgesamt vier Anlagen auf Autobahnen im Einsatz: eine ortsfeste Anlage an einem Tunnel, eine weitere auf einem alpinen Abschnitt sowie zwei mobile Anlagen. Seitdem liegt die Zahl der Geschwindigkeitsverstöße unter 1 Prozent.
Die gesetzliche Ermächtigung sollte u. a. folgende verfassungsrechtliche und prozessuale Maßgaben enthalten:
• Section Control ist nur an Unfallhäutungsstrecken mit Geschwindigkeitsbedingten Unfällen zulässig.
• Die erhobenen Daten dürfen ausschließlich für die Geschwindigkeitsüberwachung gespeichert werden. Eine Verknüpfung mit anderen Registern oder gespeicherten Daten ist unzulässig.
• Ein Zweckänderungsverbot ist vorzusehen. Es ist technisch sicherzustellen, dass Daten zu Fahrzeugen, mit denen die Geschwindigkeit nicht überschritten worden ist, nach Abschluss der Messung sofort automatisch und spurenlos gelöscht werden. Zugriffe auf die Daten während der Messung sind auszuschließen.
• Der überwachte Streckenabschnitt soll mit gut sichtbarem Hinweisschild angekündigt werden.
Stuttgart, 12. Dezember 2011
Martin Mendler
Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion
Rainer Hillgärtner
Sprecher ACE Auto Club Europa