Der ACE Auto Club Europa und die SPD-Landtagsfraktion wollen die vom baden-württembergischen Innenministerium geplante erneute Verschiebung des Modellprojekts „Begleitetes Fahren mit 17“ nicht hinnehmen. Auf einer gemeinsamen Veranstaltung im Landtag mit Fahrlehrern, Schülern und Unfallverhütungsexperten forderten die SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Ute Vogt und ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner die Landesregierung auf, mit dem Modellprojekt und damit auch mit einer neuen Verkehrspädagogik unverzüglich an den Start zu gehen.

Baden-Württembergs Fahrschüler seien aufgrund politischen Zögerns und Zauderns bundesweit die einzigen, denen eine Teilnahme an dem neuen Fahrausbildungskonzept verwehrt bleibe. Damit werde die große Chance sträflich vertan, die Unfallverhütung bei Fahranfängern zu verbessern und das erhöhte Unfallrisiko der jungen Leute spürbar zu reduzieren.

Ute Vogt: „Die Hängepartie um die Einführung des Modellversuchs verunsichert Fahrschüler und Fahrlehrer gleichermaßen.“ Wer mehr Verkehrssicherheit propagiere, wie die Landesregierung, dürfe sich nicht länger stur gegen die Einführung neuer Methoden in der Fahrausbildung sperren.

ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner erinnerte an die Ankündigung von Ministerpräsident Oettinger vom Sommer 2006, zur Jahreswende mit dem Projekt „Begleitetes Fahren mit 17“ zu beginnen.

„Ohne dafür eine vernünftige Begründung zu liefern, soll jetzt ein in allen übrigen Bundesländern überaus erfolgreich verlaufendes Konzept gekippt und erneut auf die lange Bank geschoben werden“, kritisierte der Verkehrsexperte. Nach seinen Worten sind davon allein in Baden-Württemberg jedes Jahr potenziell mehr als 120 000 junge Leute betroffen. So viele machten hierzulande jährlich ihren Pkw-Führerschein (Fahrerlaubnisklasse B). Bundesweit setzen sich laut ACE jedes Jahr mehr als eine Million frisch gebackene Führerscheinnovizen hinters Steuer.

Auf der von 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besuchten Veranstaltung, zu der die SPD und der ACE in den Plenarsaal des Stuttgarter Landtags eingeladen hatten, wiesen namhafte Verkehrsexperten auf das erheblich erhöhte Unfallrisiko von Fahranfängern hin.

Begleitetes Fahren: Hohes Unfallrisiko junger Fahranfänger verringern
Obgleich der Anteil junger Erwachsener (im Alter von 18 bis 24) an der Gesamtbevölkerung lediglich acht Prozent ausmache, betrage ihr Anteil an den Verkehrstoten 23 Prozent. Damit entfalle nahezu jedes vierte tödlich verletzte Unfallopfer auf diese Altersgruppe. Überdurchschnittlich häufig würden Verkehrsunfälle von jenen Fahranfängern verursacht, deren Fahrprüfung noch keine sechs Monate zurückliegt.

Einen wesentlichen Grund für diese seit vielen Jahren anhaltende Entwicklung sehen Verkehrserzieher in der „fahrpraktischen Unerfahrenheit“ der Führerscheinneulinge. Mit dem international bereits erfolgreich erprobten Konzept „Begleitetes Fahren mit 17“ könne dem Erfahrungsmangel aber wirksam begegnet werden. Dazu müsse die Altersgrenze für den Beginn der Fahrausbildung gesenkt und die Lernzeit über den Fahrschulunterricht und den Fahrerlaubniserwerb hinaus verlängert werden. In dieser Zeit vermittle eine in dem Modellversuch vorgeschriebene ältere Begleitperson auf dem Beifahrersitz Sicherheit und Erfahrung.

MdL Hans-Martin Haller: Überaus positive Erfahrungen in den anderen Bundesländern mit dem „Führerschein ab 17“
Erste Studien und Erfahrungsberichte aus anderen Bundesländern geben nach Darstellung von Verkehrssicherheitsexperten begründeten Anlass, von einem bemerkenswerten Erfolg der neuen Verkehrspädagogik auszugehen: Absolventen des begleiteten Fahrens reduzieren demnach ihr Unfallrisiko um bis zu 40 Prozent, kassieren deutlich weniger Strafzettel und bewegen sich im Straßenverkehr eher vorbildlich.

„Alle Bundesländer haben verstanden, dass das begleitete Fahren mit 17 eine sinnvolle Sache ist“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Hans-Martin Haller. Deshalb dürfe auch Baden-Württemberg nicht länger im Abseits stehen und müsse noch vor der Sommerpause den Weg für eine neue Form des Erwerbs fahrpraktischer Erfahrungen auch rechtsverbindlich frei machen.

ACE-Sprecher Hillgärtner fügte hinzu: „Baden-Württemberg ist auf dem Gebiet moderner Fahrausbildung immer noch alles zugleich: Spätzünder, Nachzügler und Schlusslicht.“ Junge Leute hätten aber ein berechtigtes Interesse an mehr Sicherheit und Mobilität, dafür müsse jetzt politisch der Vorwärtsgang eingelegt werden, so der Sprecher des Clubs.

Auf der Veranstaltung von SPD und ACE hatte der Vertreter des Landesinnenministeriums, Polizeidirektor Ralph Papcke, Analysen über Unfallrisiken und Unfallursachen junger Fahrer vorgestellt. Diplomsoziologe und Fahrlehrer Michael Bahr von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) erläuterte die Vorteile für die Verkehrssicherheit, die eine längere fahrpraktische Vorbereitung bringe. Gebhard Heiler, Erster Vizepräsident der Deutschen Fahrlehrerakademie, der kurzfristig für den erkrankten Jochen Klima vom Fahrlehrerverband Baden-Württemberg einsprang, beschrieb die Sichtweise der Fahrlehrerschaft. Sie gehört ebenfalls zu den Befürwortern des Konzepts „Begleitetes Fahren mit 17“.

Helmut Zorell
Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion

Rainer Hillgärtner

Pressesprecher des ACE Autoclub Europa