Baden-Württemberg steht vor den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten: Transformation in der Wirtschaft, die Veränderungen in Automobilindustrie und Mobilität und die Aufgaben für den Schutz von Klima und Umwelt erfordern einen gewaltigen Wandel.

Die SPD ist davon überzeugt, dass ein handelnder und verantwortlicher Staat diesen Wandel in einem Maß mitgestalten muss, das in der gesamten jüngeren Vergangenheit nicht üblich und vielleicht auch nicht nötig war. „Wir sind davon überzeugt, dass der Zeitpunkt gekommen ist, an dem Baden-Württemberg einen aktiv gestaltenden Staat sehr nötig hat“, so Fraktionschef Andreas Stoch.

Wirtschaft braucht den handelnden Staat

„Baden-Württemberg wird die volle Breitseite der Transformation in der Wirtschaft treffen“, so Stoch weiter. Zur Digitalisierung kommt der gewaltige Wandel in der Automobilindustrie hinzu, die Baden-Württembergs Wirtschaft entscheidend prägt.

Die SPD setzt sich dafür ein, dass der Staat diese gewaltigen Aufgaben nicht allein der Wirtschaft überlässt, sondern in völlig anderen Dimensionen handelt als bisher.

Ganz offenbar sind viele Autohersteller vollkommen damit ausgelastet, Rückstände im Bereich der E-Mobilität aufzuholen. Weitere alternative Antriebsarten (Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe usw.) können nicht im notwendigen Maß von der freien Wirtschaft und den Autokonzernen erforscht werden. Hier sind staatliche Forschungsprojekte und der Transfer zwischen Wissenschaft, Hochschulen und Wirtschaft noch stärker zu fördern. Nötig sind auch Programme zur Gestaltung der Konversion im Bereich der Zuliefer-Industrie, die bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder helfen.

Stoch: „Hunderttausende Arbeitsplätze in einer ganzen Branche können nicht allein davon abhängen, ob ein Unternehmen bei der Transformation Glück hat oder nicht.“

Gefordert sind auch Programme, die Innovationen und Experimente junger Unternehmer ermöglichen, gerade in den von der Transformation betroffenen Bereichen.

Bildung braucht den handelnden Staat

Die Transformation wird alte Arbeitsplätze kosten und neue Arbeitsplätze in völlig neuen Berufen schaffen. „Qualifizierung und lebenslanges Lernen sind in der Transformation kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit“, so Stoch. Die SPD setzt sich darum für ein Recht auf Weiterbildung ein und spricht sich für die Schaffung eines Weiterbildungsfonds aus, der Weiterbildungen auch für Beschäftigte kleiner und mittlerer Betriebe ermöglicht.

Klar ist auch, dass gerade die wirtschaftlichen Herausforderungen eine immer bessere Bildung von Anfang an nötig machen. Die SPD setzt sich darum für eine grundsätzlich kostenlose Bildung ein: Von der Kita bis zum Meister oder Studienabschluss.

Digitalisierung braucht den handelnden Staat

Digitalisierung bedarf schließlich auch der nötigen Infrastruktur. Auch hier muss der Staat in gänzlich anderen Maßstäben eingreifen als bislang. Andreas Stoch: „Es zeigt sich überdeutlich, dass der Markt und die freie Wirtschaft keinen flächendeckenden Ausbau von Breitband-Internet oder Mobilfunk ermögliche können. Baden-Württemberg bleibt auch 2020 ein Land der Funklöcher.“ In Zeiten der Digitalisierung ist das ein Mangel in der Daseinsvorsorge, der vom Staat behoben werden muss. Gefragt ist ein staatlicher Masterplan zum Lückenschluss und eine Änderung bisheriger Fördermodelle: Ländliche Kommunen, die sich aus schierer Not vor Kurzem für Kupferkabel-Vectoring entscheiden mussten, dürfen nicht als „erledigt“ abgehakt werden.

Baden-Württemberg muss bei der Nutzung und Einführung des 5-G-Standards eine Spitzenposition erreichen. Dies bedeutet echte Testregionen und keine Testfelder in einzelnen Fabrikhallen oder Straßenzügen.

Neue Mobilität braucht den handelnden Staat

„Verkehr lässt sich nicht verbieten“, so Andreas Stoch. Für eine echte Mobilitätswende muss das Land Alternativen anbieten. Dazu gehört eine massive Förderung des ÖPNV und besonders des Schienenverkehrs.

Das Ziel muss eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 sein. Hierzu werden die Infrastruktur und die Leistungen im ÖPNV mit dem Schwerpunkt Ertüchtigung der Schiene massiv ausgebaut, die Fahrpläne werden optimiert, die Tarifgefüge werden einfacher und die Preise insgesamt werden gesenkt (365-Euro-Ticket). Die Zahl der Verkehrsverbünde wird von 22 auf vier bis maximal sechs reduziert, um leistungsfähigere Einheiten zu schaffen.

Innerhalb der zehn größten Städte in Baden-Württemberg (Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Freiburg, Heidelberg, Ulm, Heilbronn, Pforzheim, Reutlingen und Esslingen) müssen Busse und Bahnen im 5-Minuten-Takt fahren. Entlang der Haupt-Pendlerstrecken in die 30 größten Pendlerziele muss im Berufsverkehr mindestens ein 10-Minuten-Takt gelten. Alle Gemeinden müssen tagsüber im Stundentakt von Bus oder Bahn erreicht werden.

Bis 2030 soll in den Innenstädten 50 Prozent weniger Kfz-Verkehr unterwegs sein. Dies muss zuerst durch die Verbesserung des Angebots im ÖPNV angestrebt werden. Erst parallel dazu kann der Individualverkehr erschwert bzw. erheblich verteuert werden.

Auf Landesebene sollen Kommunen die rechtlichen Möglichkeiten erhalten, passgenau für die Situation vor Ort neue Finanzierungsquellen für den ÖPNV zu erschließen, wie z.B. die Einführung einer Nahverkehrsabgabe oder von ÖPNV-Erschließungsbeiträgen. Die Einnahmen hierdurch müssen zur Finanzierung des ÖPNV herangezogen werden.

Wo man wirklich gar nicht auf das Auto verzichten kann, werden emissionsarme Antriebsformen genutzt. Es sind nicht allein Elektroautos, die gefördert werden und fahren. Genutzt werden auch Autos mit Gasantrieb, Brennstoffzellen, Verbrennungsmotoren für alternative Kraftstoffe oder sonstige emissionsarme Antriebsformen.

Güterverkehr auf die Schiene verlagern

Damit die Zahl der Lkw abnimmt muss die Schienen-Infrastruktur so ausgebaut werden, dass sie eine ernstzunehmende Alternative zum Transport über die Straße darstellt. Dies bedeutet massive Investitionen auch in das Schienen-Fernnetz. Hier ist in erster Linie der Bund gefragt. Wo man auf Lkw nicht verzichten kann, werden emissionsarme, umweltfreundliche Antriebsformen gefördert. Auf Landesebene wird zum Beispiel die Einrichtung unabhängiger Logistik-Hubs am Rand der Städte gefördert. Von dort aus, wird die Lieferung in die Innenstädte mit Lastenrädern oder emissionsarmen Transportern und LKW erledigt. Vermieden wird so auch, dass in einer Straße sechs Päckchen von sechs verschiedenen Lieferwagen angeliefert werden.

Tempolimits

Andreas Stoch: „Die SPD fordert, Tempolimits in Ortschaften und auf Autobahnen an die Lebenswirklichkeit anzupassen.“

In Ortschaften erleben wir, dass Kommunen die Tempo-30-Zonen immer weiter ausdehnen, sei es aus Lärmschutzgründen oder zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Dies ist für die Kommunen mit einem erheblichen Aufwand bei der Markierung und Beschilderung dieser Zonen verbunden. Es ist an der Zeit, diesem Zustand Rechnung zu tragen: Wenn innerorts generell Tempo 30 gilt, müssen nur noch die Durchgangsstraßen beschildert werden, auf denen weiter Tempo 50 gelten soll. Diese Umkehrung würde auch den Ortsbildern nutzen.

Auf Autobahnen muss das Ziel ein generelles Tempolimit von 130 km/h sein. Dies ermöglicht stressfreieres, umweltschonenderes und sicheres Fahren und ermöglicht eine höhere Verkehrslast bei fließendem Verkehr ohne Staugefahr.

Ebenfalls setzt sich die SPD dafür ein, dass für Lieferwagen („Sprinter“ und Co.) ein Tempolimit von 100 km/h eingeführt wird.

 Kommunen brauchen den handelnden Staat

Baden-Württemberg erlebt ein Bädersterben, gerade viele kleinere Kommunen können die nötigen Sanierungen oder gar Neubauten ihrer Hallenbäder nicht mehr stemmen. Gleichzeitig beklagen wir eine zunehmende Zahl tödlicher Badeunfälle, weil Menschen nicht schwimmen können.

Ob als Teil des Schwimmunterrichts oder des Gesundheitssports im Alter sind gerade viele kleinere Hallenbäder keine „Spaßbäder“ und kein Luxus. Andreas Stoch: „Wenn Lehrschwimmbecken zu Leer-Schwimmbecken werden, ist das nicht hinnehmbar“.

Die SPD fordert ein Aktionsprogramm des Landes, das die grundlegende Sanierung bzw. Erneuerung von Schwimmbädern mit 20 Prozent der Gesamtkosten unterstützt und die Kommunen als Träger der Bäder entlastet. Stoch: „Wir gehen von einem Gesamtvolumen der Landesförderung in Höhe von mindestens 30 Millionen Euro aus“.

Bezahlbares Wohnen braucht den handelnden Staat

Der zunehmende Mangel an bezahlbarem Wohnraum kann und wird von der privaten Wirtschaft nicht behoben werden. Das ist kein „Marktversagen“, sondern ein legitimer Marktmechanismus der Gewinnmaximierung.

Andreas Stoch: „Wenn Stuttgart zur teuersten Stadt Deutschlands ,gekürt‘ wird und auch in Mittelstädten viele Menschen die Hälfte ihres Nettoeinkommens für Wohnen ausgeben müssen, ist das Wort Wohnungsnot nicht übertrieben.“

Die Wohnungsnot der Nachkriegszeit wurde nicht vom Markt behoben, sondern vom Staat, das war damals Konsens aller Parteien. Stoch: „Darum ist staatlicher Wohnbau auch heute nicht links, sondern schlicht nötig und geboten.“

Die SPD fordert, dass es neben dem kommunalen auch einen staatlichen Wohnbau gibt, der über eine Landesentwicklungsgesellschaft gestaltet werden kann. Dieser Wohnbau muss an Brennpunkten die Bemühungen der Kommunen unterstützen.

Stuttgart, 16. Januar 2020

Achim Winckler

Stellvertretender Pressesprecher