MdL Norbert Zeller: „Die Wiederholung einer Klasse verbessert die Schulleistung des Einzelnen nicht. Schwächen von Schülern können wirksam nur mit individueller Förderung beseitigt werden“

Die SPD-Landtagsfraktion hält Sitzenbleiben in der Schule für pädagogisch überholt und überdies für teuer. In dieser Kritik sieht sie sich durch die Befunde des aktuellen gemeinsamen Bildungsberichtes von Bund und Ländern bestätigt. Die Verfasser der Studie sprechen von „erheblichen Zweifeln“ am Nutzen des Wiederholens von Klassen und bekräftigen damit die Ergebnisse der PISA-Studie von 2000. „Die Wiederholung einer Klasse verbessert die Schulleistung des Einzelnen nicht. Schwächen von Schülern können wirksam nur mit individueller Förderung beseitigt werden“, lautet die politische Schlussfolgerung des SPD-Bildungsexperten Norbert Zeller.

Schülerinnen und Schüler, die eine Klasse wiederholen, hätten weiterhin signifikante Leistungsmängel gegenüber ihren Mitschülern derselben Jahrgangsstufe, die nicht sitzen geblieben sind. „Wer parken muss, holt in seinen Leistungen in der Regel nicht auf. Im Gegenteil: Sitzenbleiben erzeugt häufig nur Frust und weitere Demotivation“, so Zeller.

Obwohl Baden-Württemberg im Bundesländervergleich eine relativ geringe Quote an Wiederholern habe, muss nach den Vorstellungen der SPD auch hier zu Lande die Zahl der Sitzenbleiber durch bessere Unterstützungsangebote deutlich verringert werden. Ziel müsse es sein, das Sitzenbleiben und das im baden-württembergischen Bildungssystem vorherrschende Prinzip des Aussortierens von Kindern durch ein frühzeitig einsetzendes System individueller Förderung und Begleitung zu ersetzen. Zeller: „Frühe individuelle Förderung hat höhere Erfolgsaussichten, verzögerte Schullaufbahnen zu vermeiden.“

Inzwischen wachse auch in den Reihen der CDU, etwa bei Nordrhein-Westfalens Kultusministerin Barbara Sommer, die Einsicht, dass eine „Ehrenrunde“ nur in den seltensten Fällen dazu führt, Schulleistungen dauerhaft zu verbessern.

Nach Auffassung von Zeller ist das Sitzenbleiben nicht nur pädagogisch überholt, sondern auch eine Ressourcenverschwendung. Die Praxis des Sitzenbleibens sei bei weitem nicht so effektiv wie ein System der individuellen Förderung. Das PISA-Siegerland Finnland zeigt nach den Worten Zellers eindrucksvoll, wie die individuelle Förderung von Kindern und jahrgangsübergreifender Unterricht das Wiederholen von Klassen unnötig machen. „Das Sitzenbleiben zu überwinden, wäre ein erster wichtiger Schritt hin zu einer neuen Lernkultur an den Schulen in Baden-Württemberg“, betonte Zeller.

In Deutschland bleiben nach dem neuesten Bildungsbericht der Kultusminister jedes Jahr rund 253.000 Schüler sitzen. Das sind 2,8 Prozent aller Schülerinnen und Schüler – so viele wie in keinem anderen Industrieland. Baden-Württemberg hatte im Jahr 2004/2005 mit 1,9 Prozent Klassenwiederholungen den niedrigsten Wert. An der Spitze liegt Bayern: Dort mussten 4,1 Prozent aller Schülerinnen und Schüler eine Ehrenrunde drehen.

Hinweis: Den kompletten Bildungsbericht finden Sie unter www.bildungsbericht.de
als PDF zum Herunterladen.

Martin Mendler
Stellv. Pressesprecher