MdL Johannes Stober: „Erbbaunehmer werden vom Land in Angst und Schrecken versetzt. Sie sollen auf diese Weise zum Kauf der Grundstücke genötigt werden“

MdL Nils Schmid: „Die Landesimmobiliengesellschaft ist eine koalitionspolitische Missgeburt ohne vernünftige Aufgabe. Sie sollte deshalb aufgelöst werden“

Die SPD-Landtagsfraktion wirft der landeseigenen Landesimmobiliengesellschaft Baden-Württemberg (LIG) ein rücksichtsloses Geschäftsgebaren im Umgang mit Erbbaunehmern auf landeseigenen Grundstücken vor. Nils Schmid, Fraktionsvize und finanzpolitischer Sprecher, und Johannes Stober, Landtagsabgeordneter aus Karlsruhe, kritisierten auf einer Pressekonferenz zusammen mit Johann Leibersperger von der Karlsruher Bürgerinitiative Binsenschlauch die unseriösen Praktiken der LIG gegenüber Erbbaunehmern.

Die LIG setze seit Monaten Bewohner auf unanständige Weise unter Druck, damit diese ihre Erbbaurechte ablösen und das Grundstück kaufen. Die SPD will die LIG auflösen, da sie keine vernünftige Aufgabe mehr habe.

Erbbauberechtigte sind nach den Worten Schmids heute insbesondere ältere Menschen, häufig auch Heimatvertriebene, die in den Jahren der Nachkriegszeit mit Hilfe des Erbbaurechts Wohneigentum erwerben haben. Dabei hatte das Land gegen einen jährlichen Erbbauzins, der niedriger lag als die alternativen Finanzierungskosten eines Grundstückkaufes, den Erbbauherren die Nutzungsrechte für Wohnzwecke auf einem Landesgrundstück überlassen. Das Land besitze derzeit noch rd. 2.000 dieser Erbbaugrundstücke zur Wohnnutzung. Diese Grundstücke konzentrieren sich vor allem auf Karlsruhe und Umgebung mit 1.275 Grundstücken und auf Mannheim mit 305 Grundstücken.


Johannes Stober: Die Landesimmobiliengesellschaft setzt Erbbaunehmern in Vogel-Friss-oder-Stirb-Manier unter Druck


Nach Angaben Stobers bieten das Land und danach die LIG im Auftrag des Landes diese Grundstücke den Erbbauberechtigten seit einiger Zeit mit einem Abschlag zum Kauf an. Gegen diese Verkaufsangebote sei prinzipiell auch nichts einzuwenden. Auf diese Weise seien in den vergangenen drei Jahren bereits rd. 500 landeseigene Erbbaugrundstücke veräußert worden.

Nicht akzeptabel sei allerdings die Vorgehensweise des Landes und der LIG für den Fall, dass die Erbbauberechtigten nicht kaufen wollen oder können. Dann, so lauteten die Schreiben des Landes und der Landesimmobiliengesellschaft an die Erbbauberechtigten seit Ende 2006, würden – so wörtlich – „alle diejenigen Erbbaugrundstücke an Investoren veräußert, bei denen nicht mit dem Erbbaurechtsnehmer Einigung über den Erwerb in einem überschaubaren Zeitraum erzielt wird.“

Johannes Stober: „Die LIG setzt Erbbaunehmern in Vogel-Friss-oder-Stirb-Manier das Messer auf die Brust. Ein solches Geschäftsgebaren können wir nicht durchgehen lassen – erst recht nicht einer landeseigenen Einrichtung.“

Seit Ende Mai 2007 habe der Druck der LIG auf die Nutzer von Erbbaugrundstücken des Landes weiter spürbar zugenommen. Mit Anschreiben an alle Erbbauberechtigten habe man eine Frist von zwei bis drei Wochen gesetzt, in der diese sich entscheiden sollten, ob sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen wollen. Danach werde das Erbbaugrundstück anderweitig verwertet. Viele der Erbbauberechtigten seien aber aus den verschiedensten Gründen derzeit gar nicht in der Lage, das Grundstück zu den von der LIG genannten Bedingungen zu kaufen. Ihnen drohe deshalb der Verkauf der Grundstücke an andere und die Vertreibung aus ihrem Haus zum Ende des Erbbauvertrages.

Johannes Stober: „Diese unbedingte Verwertungsstrategie des Landes ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten und Wünsche der Erbbauberechtigten ist unsozial und schäbig. Die heute überwiegend älteren Menschen werden in Angst und Schrecken versetzt und zum Kauf geradezu genötigt.“

Zwar bleibe das Erbbaurecht für die verbleibende Restlaufzeit auch nach einem Verkauf an private Investoren erhalten. Die Erbbauberechtigten hätten aber für den Fall, dass sie das Grundstück nicht kaufen können, auch in Zukunft auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Land gebaut. Diese Menschen seien nun angesichts der rüden Geschäftspraxis der LIG zu Recht verunsichert, enttäuscht und empört.

Stober forderte die Landesregierung auf, die Verkaufsabsichten von Erbbaurechten des Landes an private Investoren ohne Berücksichtung der Interessen der langjährigen Erbbauberechtigten umgehend zu beenden. Das Land dürfe nicht allein auf bloß kurzfristige Verwertungsinteressen schauen, sondern müsse auch soziale Verpflichtungen und wohnungsbaupolitische Aspekte berücksichtigen.


Nils Schmid: Landesimmobiliengesellschaft hat keine vernünftigen Aufgaben und deshalb auch keine Existenzberechtigung mehr


Die rigorose, unsoziale Verwertungsstrategie bei Erbbaugrundstücken des Landes sieht SPD-Fraktionsvize Schmid im Zusammenhang mit der angestrengten Suche nach einem Betätigungsfeld für die LIG, die aus koalitionspolitischen Erwägungen auf Betreiben der FDP mit privater Beteiligung im Jahr 2005 gegründet wurde.

Schmid erinnerte daran, dass die ursprünglich für die LIG vorgesehenen Aufgaben allesamt weggefallen seien: „Heute hat die LIG eigentlich nichts Sinnvolles mehr zu tun. Ihre schon immer dünne Daseinsberechtigung ist erloschen.“

Ursprünglich sollte die LIG in großen Stil Immobilienverkäufe für das Land durchführen. Hierzu sollten Landesimmobilien im Wert von 300 Mio. Euro in die Gesellschaft eingebracht werden. Es habe sich aber gezeigt, dass die Staatliche Hochbauverwaltung mit dem Landesbetrieb „Vermögen und Bau Baden-Württemberg“ die für das Land entbehrlichen Liegenschaften selbst umfänglich und effizient veräußert. Deshalb wurde die Übertragung auf die LIG nie durchgeführt.

Danach sollte die LIG für Verkäufe und Rückmietungen für die vom Land weiterhin selbst genutzten landeseigenen Immobilien zuständig sein. Das Finanzministerium habe aber nach längerer Prüfung zu Recht solchen Paketverkäufen im Stile von „Sale and Lease Back“ eine Absage erteilt, weil sie zwar kurzfristig Geld einbringen, langfristig aber hohe Mietzinsen das Land teuer zu stehen kommen.

Schmid: „Die LIG konzentriert sich neuerdings auf den Verkauf nicht mehr genutzter Landesimmobilien als Folge der Verwaltungsreform sowie in unverantwortlicher Weise auf aggressive Verkaufsstrategien bei Erbbaurechten des Landes“. Es könne jedoch nicht angehen, dass die Erbbauberechtigten in Baden-Württemberg den Aufgabenmangel bei der LIG ausbaden müssen.

Die Beteiligung des Konsortiums aus Sireo und LBBW an der LIG hat sich bislang nach Einschätzung Schmids aufgrund fehlender tatsächlicher Immobiliengeschäfte für die privaten Partner bis auf die Vergütung von Bestandsanalysen und Marktpotentialerhebungen nur wenig gerechnet. Der bislang geringe Ertrag sei aber als wirtschaftliches Risiko der privaten Vertragspartner zu werten und die Folge davon, dass die Tätigkeit der LIG bislang im Grunde über Analysetätigkeiten kaum hinausgegangen sei.

Diese Auslastungsmängel dürften nun aber nicht auf der Suche nach dem „schnellen Euro“ für das private Konsortium zu unverantwortlichem Geschäftsgebaren zu Lasten der Erbbauberechtigten im Land führen. „Die Gründung der LIG Baden-Württemberg GmbH als koalitionspolitisches Bonbon für die FDP gegen bessere Einsicht zumindest im Finanzministerium ist von Anfang an unnötig und politisch falsch gewesen“, sagte Schmid.

Schmid und Stober riefen die Landesregierung zu einer unverzüglichen Kurskorrektur beim Immobilienverkauf auf. Nach der Auflösung der LIG müsse man zum früheren ordentlichen Verfahren zurückkehren, das ein Kaufangebot an die Erbbaunehmer vorsehe, ohne zugleich den Weiterverkauf des Erbbaurechts des Landes an private Investoren anzudrohen.

Martin Mendler, Stellv. Pressespreche