Claus Schmiedel: „Es gibt eine ganze Reihe kurzfristig wirksamer Maßnahmen, aber die Landesregierung steckt im Handlungsstau“

MdL Hans-Martin Haller: „Wir müssen Verkehr so weit wie möglich vermeiden, unvermeidbaren Verkehr entzerren und den vorhandenen Verkehr besser steuern“

Die SPD-Landtagsfraktion hat ein kurzfristig wirksames Programm gegen den täglichen Horrorstau auf unseren Autobahnen vorgelegt. Stillstand während des Berufsverkehrs morgens und abends sei inzwischen fast zur Regel auf vielen Autobahnen und Bundesstraßen im Land geworden, so SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Nach Angaben des ACE stehen regelmäßige Autobahnnutzer bis zu 50 Stunden pro Jahr im Stau. Während andere Bundesländer das Stauproblem mit innovativen Lösungen angingen, beobachte die Landesregierung desinteressiert das Geschehen und lege die Hände in den Schoß. Nach Meinung von Verkehrswissenschaftlern und Stauexperten sind jedoch bis zu 50.000 Staus, fast ein Drittel des jährlichen Stillstandes auf deutschen Autobahnen, mit relativ geringem Aufwand zu vermeiden. Das Anti-Stau-Programm der SPD enthält des-halb ein Maßnahmenbündel aus intelligenter Verkehrssteuerung, besserem Baustellenmanagement und Unfallverhütung bzw. -entschärfung.

Schmiedel wirft Innenminister Rech vor, er sei nicht einmal in der Lage, eine vollständige Staustatistik für Baden-Württemberg zu erstellen, die „Kommission Stauvermeidung“ sei einfach aufgelöst worden. Selbst zur Übernahme innovativer Konzepte aus anderen Bundesländern sei das Land unfähig, so Schmiedel.

Staus werden laut Statistik vor allem durch drei Gründe ausgelöst:
•hohes Verkehrsaufkommen (Überlastung, 38 % aller Staus)
•Bauarbeiten (30 %)
•Unfälle (25 %).

Sonstige Ereignisse (7 %), die zu einem Stau führen, wie zum Beispiel Gaffer, spielen demnach nur eine untergeordnete Rolle. Langfristig könnten Aus- und Neubau wichtiger Strecken stauvermeidend wirken, ebenso eine gezielte Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene. Da sich das Stauproblem in Baden-Württemberg wegen der Untätigkeit der Landesregierung aber immer weiter zuspitze, seien jetzt kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Stauvermeidung gefordert, so Schmiedel.

Antistauprogramm: Überlastung vorbeugen, Baustellen besser managen, Unfallfolgen entschärfen

I. Überlastung vorbeugen – intelligente Verkehrssteuerung
Es sei offenkundig, so der SPD-Verkehrsexperte Hans-Martin Haller, dass ein sehr großer Teil unserer Straßen nur punktuell überlastet ist. Statt diese Straßen für die kurze Dauer der Höchstbelastung immer weiter auszubauen und damit eben diese Höchstbelastung immer weiter nach oben zu treiben, müsse moderne Verkehrspolitik das Problem genau andersherum angehen. Haller: „Wir müssen Verkehr so weit wie möglich vermeiden, unvermeidbaren Verkehr entzerren, und den vorhandenen Verkehr besser steuern.“

Stauinformationssysteme einführen: Haller setzt dabei auf präzise Stauinformationssysteme wie in NRW, wo Autofahrer schon vor Antritt der Fahrt Informationen darüber erhalten, wo Staus entstehen und wie sie sich vermutlich entwickeln. Unter der Internetadresse www.autobahn.nrw.de zeige eine Karte die kompletten 2.250 Autobahn-Kilometer in Nordrhein-Westfalen. Schon mit einem Klick könne man sich über das aktuelle Verkehrsgeschehen bzw. die Prognosen für die nächsten 30 oder 60 Minuten informieren. Für die folgenden sieben Tage könne man sich eine Prognose für jede beliebige Uhrzeit auf den Rechner laden. Die Genauigkeit liege dabei bei erstaunlichen 90 Prozent, selbst für die Sieben-Tage-Prognose.

Haller: „Es gibt offenbar genügend Autofahrer, die ihre Abfahrtszeiten in gewissen Grenzen variieren und den Stauprognosen anpassen können. Manchmal können da schon 10 oder 15 Minuten Wunder wirken.“

Das Projekt sei in Nordrhein-Westfalen ein voller Erfolg, so Haller. 25.000 Klicks täglich verzeichne die Webseite, bei extremen Wetterlagen oder ungewöhnlichen Ereignissen sogar bis zu 300.000 Klicks. In Baden-Württemberg dagegen gebe es lediglich das 2004 eingeführte Baustelleninformationssystem (nur 5.000 Klicks im Monat). Dort könne man tagesaktuell zwar einsehen, wo sich Baustellen befinden. „Aber ob der Verkehr fließt oder nicht, darüber gibt es hier vom Land keine Information.“

Verkehrsbeeinflussungsanlagen bauen: Intelligente Verkehrssteuerung ist für den SPD-Verkehrsexperten Haller ein weiteres kurzfristig wirksames Instrument zur Staubekämpfung. Die Staukommission des Landes habe bereits 2003 gefordert, dass „Ver-kehrsbeeinflussungsanlagen zur Staureduktion forciert gebaut werden“ müssen. Als besonders dringlich wurden dafür die A 5, A 6, A 61, A 656, A 659, A 8 und A 81 genannt. Gebaut wurde davon bis heute keine einzige Anlage, kritisiert Haller. Die Landesregierung müsse deshalb alle Hebel in Bewegung setzen für den Bau von Netzbeeinflussungsanlagen, die in die Verkehrsführung eingreifen und die beispielsweise den Fernverkehr mittels Wechselwegweiser über weniger belastete Routen zum Ziel führen. Die überfällige Modernisierung der Verkehrsrechnerzentrale Ludwigsburg (bzw. Stuttgart-Feuerbach), 2003 noch mit hoher Priorität gefordert, sei immer noch nicht abgeschlossen.

Wie wirksam die präventive Verlagerung von Verkehr auf Alternativrouten Staus vermeiden kann, zeigen Statistiken der Verkehrszentrale Hessen (VZH): Bis zu 20 % kürzere Reisezeiten, bis zu 20 % weniger Staus!

Standstreifen freigeben: Weitere Möglichkeiten zur Optimierung des Verkehrsflusses und damit zur Stauvermeidung sieht Haller in der punktuellen und überwachten Freigabe von Standstreifen auf der Autobahn. Die Fahrbahnkapazitäten bei erhöhtem Verkehrsaufkommen könnten so um bis zu 30 Prozent erhöht werden. Diese Methode werde schon vielerorts mit Erfolg praktiziert, so etwa in Hessen und Bayern. Baden-Württemberg habe zwar auch schon den einen oder anderen Seitenstreifen freigegeben, es fehle jedoch ein systematisches Gesamtkonzept.

Um den Verkehr flüssig zu halten, verlangt die SPD von der Landesregierung zudem, sich für folgende Maßnahmen stark zu machen:

•Strikte Absage an eine Lockerung des Sonntagfahrverbots für den Güterkraftverkehr, restriktive Handhabung bei der Genehmigung von Ausnahmen, bessere Überwachung des Fahrverbots
•Bessere Öffentlichkeitsarbeit zur Verbreitung von cleveren Konzepten wie z. B. der ACE-Aktion Clever-Pendeln.
•Die Landesregierung sollte verstärkt für Job-Tickets werben. Denn Verkehr, der erst gar nicht entsteht, ist die beste Entlastung für unsere Straßen.
•Bessere Unterstützung für Car-Sharing.

II. Baustellen besser organisieren
Baustellen sind die zweithäufigste Ursache für Staus auf Autobahnen. Sie müssen des-halb so organisiert werden, dass der Verkehr möglichst wenig behindert wird. Katastrophal etwa wirken sich die parallel ausgeführten Ausbauarbeiten auf der A8 zwischen Pforzheim und Karlsruhe sowie der A6 zwischen Sinsheim und Heilbronn aus. Sinnvoller wären hier zwei zeitlich aufeinander folgende Baustellen.

Nacht- und Wochenendbaustellen einrichten: Die SPD-Landtagsfraktion schlägt vor, mehr Nacht- und Wochenendbaustellen einzurichten. Die CDU müsse ihre Bedenken dagegen zurückzustellen, so Haller. Wenn nachts gebaut werde, erhöhten sich zwar der Aufwand für Verkehrssicherheit und für den Arbeits- und Gesundheitsschutz, doch im volkswirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Verhältnis brächten Nachtbaustellen nach einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) klare Vorteile.

Mittelvergabe konzentrieren: Die SPD tritt zudem dafür ein, die Mittel zu konzentrieren, also auf weniger Baustellen zu verteilen. Das führe zwar in Einzelfällen zu höheren Ausgaben. Aber die schnellere Fertigstellung der Bauarbeiten durch die Konzentration auf weniger Baustellen vermeide Staus und volkswirtschaftlichen Schaden. So müssten etwa Baustellen wie die zwischen Sinsheim und Heilbronn mit der vorübergehenden Reduzierung auf nur eine Spur mit größtmöglichem Tempo fertig gestellt werden.

III. Unfällen vorbeugen, unfallbedingte Staus entschärfen
Weil immerhin 25 Prozent der Staus durch Unfälle verursacht werden, müsse auch hier gehandelt werden, so Haller. Die SPD unterstütze Oettingers Vorschlag, auf zweispurigen Autobahnen ein absolutes Überholverbot für Lkws zu verhängen. Haller forderte den Regierungschef zugleich auf, dazu im Bundesrat endlich eine Initiative zu starten.

Da unangepasste Geschwindigkeit eine der häufigsten Unfallursachen auf Autobahnen ist, spricht sich die SPD-Landtagsfraktion für ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen aus. Nach Angaben des Landespolizeipräsidenten ist jeder zweite Verkehrstote und jeder vierte Personenschaden im Land auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen. Die SPD fordert die Landesregierung auf, ihre ideologischen Vorbehalte gegen ein Tempolimit aufzugeben. „Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen fördert die Verkehrssicherheit und hilft so, den Verkehr flüssig zu halten.“


Helmut Zorell
Pressesprecher