Wolfgang Drexler: „Teufels Verwaltungsreform schiebt Behörden nur hin und her, bringt mehr Bürokratie und weniger Bürgernähe“
Rainer Bliesener: „Innovative Ansätze bleiben auf der Strecke und die Beschäftigten werden nicht mit einbezogen“
Volker Stich: „Es ist zu befürchten, dass am Ende die Bürger die Zeche für dieses verkorkste Reformwerk bezahlen müssen“
Die SPD-Landtagsfraktion, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Beamtenbund Baden-Württemberg (BBW) haben der Verwaltungsreform der Landesregierung am Freitag in Stuttgart auf einer erstmals gemeinsam veranstalteten Pressekonferenz erneut eine klare Absage erteilt. „Teufels Verwaltungsreform ist in der Sache ein völliger Irrweg. Und das geplante Durchpeitschen des Gesetzes im Landtag verhöhnt parlamentarische Spielregeln“, betonten SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler, DGB-Chef Rainer Bliesener und der Vorsitzende des Beamtenbunds, Volker Stich, übereinstimmend. „Weniger Effizienz, noch mehr Bürokratie und kein bisschen mehr Bürgernähe“, so brachten SPD, DGB und BBW ihre generelle Kritik an Teufels Verwaltungsreform auf den Punkt.
Wolfgang Drexler: „Es droht der Marsch in den Landrätestaat“
Als eine der „schlimmsten Fehlentscheidungen der Ära Teufel“ kritisierte der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Drexler, die Verwaltungsreform. Die Landesregierung habe „den Marsch in den Landrätestaat“ vorprogrammiert, „teuer, bürgerfern und undemokratisch“, so Drexler. Statt sich der Mühe zu unterziehen, die staatlichen Aufgaben kritisch zu durchleuchten, sei bei Teufels Verwaltungsreform das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt worden. Die Folge sei, dass Behörden letztlich nur hin und her geschoben und zu einem „Verwaltungsmonster“ aufgebläht würden. Das Verwaltungsstrukturreformgesetz sei zudem vollkommen bürgerfern, weil so gut wie keine Aufgaben auf die Kommunen verlagert worden seien.
Als „Brüskierung des Parlaments“ tadelte SPD-Fraktionschef Drexler den von der Landesregierung festgesetzten Zeitplan für die Beratung des Gesetzentwurfs zur Verwaltungsreform: 1. Beratung am 9. Juni 2004, anschließend Beratungen in den Ausschüssen, 2. und abschließende Beratung am 30. Juni 2004! Das „Mammutwerk“ verfüge inklusive Begründung über rund 800 Seiten, für die Beratungen in den Fachausschüssen stünden jedoch lediglich 4 Tage zur Verfügung.
„Die Regierung Teufel hat offenkundig eine Heidenangst davor, sich der sachkundigen Kritik der Fachleute zu stellen“, so Drexler. Dieses „Durchpeitschen“ mache auch deutlich, mit welcher Verachtung der Ministerpräsident über das Parlament hinweggehe.
Rainer Bliesener: „Die Interessen der Beschäftigten kommen völlig zu kurz“
Nach Ansicht von DGB-Chef Rainer Bliesener lässt die Verwaltungsreform der Landesregierung echte innovative Ansätze völlig vermissen. „Ich sehe wenig Strukturreformen, stattdessen kommt eine Reform von oben, die nur dem Sparzwang dient und auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger und der Beschäftigten im Land geht.“
Gerade viele Veränderungsprozesse in der privaten Wirtschaft hätten indessen gezeigt, wie wichtig es ist, hierbei die Beschäftigten mit ihrem Erfahrungswissen einzubeziehen und die notwendige soziale Absicherung vertraglich zu garantieren. Bliesener wies darauf hin, dass der DGB dem Ministerpräsidenten im März einen Vertrag zur Beschäftigungsgarantie vorgelegt habe. Nachdem eine Antwort lange ausgeblieben sei, habe mittlerweile Staatsminister Palmer mitgeteilt, dass die Landesregierung keine schriftliche Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung mit den Gewerkschaften treffen wolle. Die mündliche Aussage des Ministerpräsidenten würde ausreichen.
Es sei kein Zeugnis von politischer Glaubwürdigkeit, auf der einen Seite von den Gewerkschaften betriebliche Bündnisse einzufordern, aber im eigenen Haus diese zu verweigern. Bliesener warf der Landesregierung vor, die Gewerkschaften nicht in den Reformprozess mit einzubeziehen, obwohl heute schon klar sei, dass ohne Mitwirkung der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen eine positive Umsetzung der Reform kaum möglich sein werde.
Auf Kritik stößt beim DGB auch der Umgang mit den Mitbestimmungs- und Gleichstellungsrechten der Beschäftigten. Die Arbeit der Personalräte werde durch die Gesetzespläne erschwert und die Interessenvertretung von Frauen noch mehr beschnitten. Das Landespersonalvertretungsgesetz werde ausgehöhlt, das mühsam erkämpfte Landesgleichstellungsgesetz mit den darin fest verankerten Frauenvertretungsstrukturen werde praktisch außer Kraft gesetzt. „Das ist ein Schritt zurück in Richtung Obrigkeitsstaat“, sagte Bliesener.
Volker Stich: „Der Verwaltungsreform müssen die Giftzähne gezogen werden“
Der Vorsitzende des Beamtenbunds Baden-Württemberg (BBW), Volker Stich, appellierte an die Regierungsfraktionen im Landtag, wenigstens in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens so viel Rückgrat zu zeigen, dass die schwerwiegendsten Schwachpunkte dieses Reformvorhabens verhindert werden. „Es ist höchste Zeit zur Einsicht und Umkehr. Der Verwaltungsreform müssen zumindest die schlimmsten Giftzähne gezogen werden“, mahnte Stich. Insbesondere die Abgeordneten der FDP sollten sich daran erinnern, dass ihre Fraktion vor wenigen Wochen noch geschlossen Korrekturen an Teufels Verwaltungsreform gefordert und dies auch in einem Brief an Innenminister Schäuble dokumentiert habe. Bedenken an bestimmten Passagen des Reformwerkes hätten aber genauso auch Abgeordnete der CDU, an ihrer Spitze Fraktionschef Oettinger, geäußert.
Bekennende Sätze allein sind dem Beamtenbund jedoch bei weitem nicht genug. BBW-Chef Volker Stich fordert nun rasch Taten. Zunächst müsse der Zeitdruck aus dem Gesetzgebungsverfahren heraus. Schließlich gehe es um eine gravierende Umgestaltung der öffentlichen Verwaltung, an deren Ende ein öffentlicher Dienst stehen sollte, der zumindest funktionstüchtig ist.
Nach wie vor ist der BBW davon überzeugt, dass die Verwaltungsreform nicht halten kann, was die Landesregierung verspricht. „Diese Reform vereinfacht keine Verwaltungsvorgänge, sie bringt auch nicht mehr Bürgernähe und niemals eine Effizienzrendite von 20 Prozent“, fasste Volker Stich seine Kritik zusammen. Diese Zahl sei durch nichts belegt, außer durch vollmundige Versprechungen der Landräte, den einzigen Gewinnern dieser Reform. „Die Zeche dieser verkorksten Verwaltungsreform zahlen am Ende die Kommunen über eine höhere Kreisumlage und als letzte in der Reihe die Bürgerinnen und Bürger“, befürchtet Stich.
Frank Zach
DGB-Pressestelle
Heike Eichmeier
Pressesprecherin des Beamtenbunds