Ute Vogt: „Der Kindergarten ist die erste und wichtigste Bildungseinrichtung für unsere Kinder, daraus müssen endlich Konsequenzen gezogen werden“

Städtetag fordert auf Kindergartentag der SPD Mitfinanzierung des Landes bei der Kindergartenbildung

Experten zwingen Schavan zur Überarbeitung des Orientierungsplans

Auf dem Kindergartentag der SPD-Landtagsfraktion hat sich die SPD-Landesvorsitzende Ute Vogt vor rund 300 Erzieherinnen und Elternbeiräten für eine bessere Bildung im Kindergarten ausgesprochen und zugleich heftige Kritik an der Kindergartenpolitik der Landesregierung geübt. Die Landesregierung, so Vogt, habe den Bildungsauftrag des Kindergartens viel zu lange stiefmütterlich behandelt. Baden-Württemberg sei neben Hamburg, Hessen und Sachsen das einzige Bundesland, das noch keinen Bildungsplan für den Kindergarten hat. „Der Kindergarten ist die erste und wichtigste Bildungseinrichtung für unsere Kinder, daraus müssen endlich Konsequenzen gezogen werden.“

Vogt forderte die Landesregierung auf, sich an den Kosten für die notwenige Fortbildung der Erzieherinnen zu beteiligen, wenn der Orientierungsplan für frühkindliche Bildung und Erziehung eingeführt wird.

Ute Vogt: „Die über 47.000 Kindergarten-Fachkräfte, die die Hauptlast und die Hauptverantwortung bei der Umsetzung des Orientierungsplanes tragen müssen, erhalten für ihre Fortbildung vom Land keinen müden Euro. Das Land begnügt sich stattdessen damit, die Fortbildung von 85 Kooperationslehrern zu fördern. Dies ist ein klarer Wortbruch gegenüber den Kindergartenträgern und den Kommunen, denn noch im Sommer letzten Jahres hatte die Landesregierung zugesagt, dass sich das Land in Höhe von mindestens 50 Prozent an Qualifizierungsmaßnahmen beteiligt.“

Kritik an der Kindergartenpolitik der Landesregierung übten auch die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion auf dem Kindergartentag.

Städtetags-Präsident Ivo Gönner bezifferte die Kosten für die notwendige Fortbildung der Fachkräfte auf rund sechs Millionen Euro pro Jahr. Ivo Gönner: „Ohne die Garantie einer mindestens hälftigen Mitfinanzierung durch das Land können wir seitens des Städtetages einer Umsetzung des Orientierungsplans nicht zustimmen. Das Land kann seinen Anteil nicht auf den Einsatz der Kooperationslehrer und die wissenschaftliche Begleitung beschränken.“

Der GEW-Landesvorsitzende Rainer Dahlem betonte, dass Kindergärten keine ‚Zuliefer-Einrichtungen’ für die Grundschule, sondern eigenständige Bildungseinrichtungen seien. Deshalb sei der Ansatz des neuen Ministerpräsidenten Oettinger in seiner Regierungserklärung falsch, die Aufgabe des Kindergartens auf die Vorbereitung der Schulreife zu reduzieren. Der GEW-Landesvorsitzende hat im Vorfeld der Beratungen zum Orientierungsplan auch inhaltliche Kritik am Entwurf geübt. Mit diesem Entwurf würde Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich schlecht abschneiden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse blieben weitgehend unberücksichtigt. Der 51-seitige Bildungsplan könne so nicht in die Erprobung gehen und müsse gründlich überarbeitet werden.

Diese Kritik wird auch von den Kindergarten-Trägerverbänden geteilt und widerlegt Schavans arrogante Behauptung im Landtag, beim Orientierungsplans-Entwurf bestehe ein Konsens zwischen allen Beteiligten. In dem Expertengespräch am 15. Juni 2005, also vor wenigen Tagen, wurde die Kultusministerin gezwungen, den Orientierungsplan-Entwurf zu überarbeiten. Entgegen ihren voreiligen Ankündigungen musste Schavan daraufhin öffentlich einräumen, dass der Orientierungsplan doch nicht vor der Sommerpause veröffentlicht werden kann. Er soll nun in der zweiten Septemberhälfte vorgelegt werden. Schavans Ankündigung, dass mit der Erprobung bereits im nächsten Kindergartenjahr begonnen werden könne, entpuppt sich damit als Seifenblase.

Peter Scherer, Geschäftsführer des Landesverbandes Katholischer Kindertagesstätten in der Diözese Rottenburg Stuttgart, kritisierte die Weigerung der Landesregierung, sich an den Kosten der Fortbildung der Erzieherinnen für die Umsetzung des Orientierungsplanes zu beteiligen. Angesichts der Tatsache, dass die Erzieherinnen derzeit rund 50 Prozent ihrer Fortbildungskosten selber bezahlten, bezeichnete es Scherer als „einen Treppenwitz, dass die Erzieherinnen nun auch noch die Fortbildungskosten für den Orientierungsplan nach dem Willen der Landesregierung selber bezahlen sollen.“

Thomas Bauer vom Landeselternrat Kindertagesstätten wies auf die wachsenden Anforderungen an die Kindergärten hin und mahnte bessere finanzielle Rahmenbedingungen für die Kindergärten an. Der Kindergarten sei eine Bildungseinrichtung, dementsprechend stehe das Land bei der Finanzierung in einer Mitverantwortung. Bauer sprach sich dafür aus, den Kindergarten als Bildungseinrichtung für die Eltern kostenfrei zu gestalten und die Kooperation mit den Grundschulen zu verbessern.

Helmut Zorell
Pressesprecher