Ute Vogt: „Der Ausverkauf kommunaler Wohnungsbestände muss gestoppt werden“

Bundesminister Wolfgang Tiefensee: „Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm schafft Arbeitsplätze im Handwerk, spart Heizkosten und verringert den CO2-Ausstoß“

Petra Weis, MdB: „Wir wollen die Städtebauförderprogramme auch für Initiativen zur Sprachförderung und zur lokalen Beschäftigung öffnen“

Auf Einladung der SPD-Landtagsfraktion haben die Fachleute für Wohnungs- und Städtebau aus den SPD-Fraktionen von Bund und Ländern zusammen mit Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee und Experten der Wohnungswirtschaft über die Zukunft der Wohnungspolitik und der Stadtentwicklung beraten. Nach den Angaben von SPD-Fraktionschefin Ute Vogt ging es dabei insbesondere um das Gebäudesanierungsprogramm des Bundes, das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ und die Bedeutung des demografischen Wandels für die Stadtentwicklung, die Auswirkungen der Föderalismusreform auf den sozialen Wohnungsbau und die Förderung des Wohneigentums im Rahmen der Altersvorsorge.

Nach der Abschaffung der Eigenheimzulage besteht nach den Worten von Ute Vogt besonderer Handlungsbedarf bei der sozialen Eigentumsförderung: „In Baden-Württemberg ist das selbst genutzte Wohneigentum die populärste Form der privaten Altersvorsorge. Wir wollen deshalb, dass die Riester-Förderung für die eigene Wohnung oder das eigene Haus deutlich verbessert wird.“

Vogt dankte Bundesminister Tiefensee für die Fortführung des Programms „Soziale Stadt“, von dem das Land stark profitiere. In klarem Kontrast zu den Zielen dieses Programms stünden Pläne für einen „Ausverkauf“ des kommunalen Wohnungsbestandes, wie etwa in Freiburg. Dass der Freiburger OB 9.000 städtische Wohnungen verkaufen wolle, sei ein „Schlag gegen die Mieter“ und verletze die Pflicht der Kommune zur sozialen Daseinsvorsorge. Ein solcher Verkauf habe erhebliche negative Konsequenzen auf den städtischen Mietspiegel und die Kommunen verlören zudem eine wichtige Möglichkeit, gestalterisch auf die Stadtentwicklung einzuwirken.

Vogt: „Städtische Wohnungen sind ein soziales Pfund, das in Euro und Cent nicht aufzuwiegen ist. Die Strategie potenzieller Investoren ist bekannt: Ihnen geht es vor allem darum, die vergleichsweise günstigen Mieten so schnell wie möglich auf Marktpreisniveau zu heben, um so mit Gewinn wieder zu verkaufen. Verlierer sind dabei die Mieter.“

Föderalismusreform: Länder allein für den sozialen Wohnungsbau zuständig
Vogt wies darauf hin, dass vom 1. Januar 2007 an die Bundesländer allein für den sozialen Wohnungsbau zuständig sind. Für den Wegfall der Finanzhilfen des Bundes erhalten sie nach dem vorliegenden Gesetzentwurf jährlich einen Betrag von 518,2 Mio. Euro, wovon nur 8,15 Prozent, also rund 42,2 Mio. Euro/jährlich auf das Land Baden-Württem¬berg entfallen. Gemessen an der Zahl der Einwohner stünde dem Land ein Anteil von knapp 13 Prozent und damit etwa 67,3 Mio. Euro pro Jahr zu. Vogt warf der Landesregierung vor, sie habe beim sozialen Wohnungsbau schlecht verhandelt und zu keinem Zeitpunkt in den Verhandlungen mit den anderen Bundesländern einen höheren Anteil angemeldet.

Ute Vogt: „Mit der Föderalismusreform wird die soziale Wohnraumförderung Ländersache. In der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP stehen dazu leider nur vage Ankündigungen.“

Die SPD erwarte ein klares Bekenntnis zu einem modernen sozialen Wohnungsbau und Aussagen darüber, wie das Land die Bundesmittel einsetzt und wie viel eigenes Geld die Landesregierung für die soziale Wohnraumförderung künftig beisteuert.“

Minister Wolfgang Tiefensee: Neue Akzente in der Städtebauförderung
Stadtpolitik sei unmittelbar Ausdruck unseres Staatsverständnisses, so Minister Tiefensee. „Was soll, was darf die öffentliche Hand, was können andere besser und wo ist privates Engagement unverzichtbar.“ Städtebauförderung sei eine gesamtstaatliche Aufgabe, aktive Stadtentwicklungspolitik von zentraler gesellschaftspolitischer Bedeutung. „Wir müssen verhindern, dass ganze Wohngebiete zu sozialen Brennpunkten werden. Um die Städtebauförderung wirkungsvoll einsetzen zu können, wollen wir mit dem neuen Haushalt neue Akzente setzen: Deswegen haben wir in der Koalition durchgesetzt, dass die Mittel für die Soziale Stadt um 40 Millionen Euro auf 110 Millionen Euro erhöht werden sollen. Wir wollen erreichen, dass diese zusätzlichen Mittel auch für nicht-investive Zwecke verwandt werden können. Das sind Investitionen in die Köpfe.“

Zum einen soll das Geld zur besseren Integration von Migranten, beim Spracherwerb oder bei anderen Hilfen eingesetzt werden. Mit diesen Mitteln soll aber auch ein wirkungsvoller Beitrag zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus geleistet werden. Denn die rechtsextremen Parteien suchten ihre Anhänger im sozial ausgegrenzten Teil der Bevölkerung. „Deshalb gehört die Einrichtung von Jugendclubs und Begegnungsstätten in benachteiligten Wohngebieten genauso zum Kampf gegen die Neonazis wie die Schaffung neuer Arbeitsplätze.“

CO2-Gebäudesanierungsprogramm
Auch in der Wohnungspolitik soll ein Beitrag zu Energieeinsparung und Klimaschutz geleistet werden, so Tiefensee. „Wir haben die Möglichkeit, etwas für den Klimaschutz zu tun und Energieeinsparung mit der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu verbinden.“ Die Bundesregierung stelle für die energetische Gebäudesanierung von 2006 bis 2009 insgesamt 5,6 Milliarden Euro zur Verfügung (von bisher 360 Millionen Euro jährlich auf rd. 1,4 Milliarden Euro pro Jahr):
• davon 1,0 Milliarden Euro pro Jahr für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm;
• 275 Millionen Euro pro Jahr für Steuervergünstigungen bei der energetischen Modernisierung von Wohnraum
• und weitere 120 Millionen Euro pro Jahr für die energetische Sanierung von Bundesbauten

Förderung und Energieausweis sind nach den Worten von Minister Tiefensee wesentliche Bausteine für eine energetische Erneuerung im Gebäudebestand und schaffen zusätzliche Beschäftigung. Besonders bei den Altbauten gebe es nach wie vor erhebliche Einsparreserven, die durch wirtschaftliche Techniken und ohne Verluste an Komfort erschlossen werden könnten. Der durchschnittliche Heizenergieverbrauch in Altbauten sei ungefähr doppelt so hoch wie in Neubauten. In diesem Bestand lägen also die größten Energie- und CO2-Einsparreserven.

„Das macht die Dimension der Herausforderung deutlich, vor der wir stehen. Und deshalb ist die energetische Modernisierung des Gebäudebestands ein Schwerpunkt unserer Politik. Jetzt wollen wir der Gebäudemodernisierung einen zusätzlichen Schub geben. Mit den öffentlichen Mitteln werden private Investitionen in Höhe von rund 28 Milliarden Euro angestoßen. Das sind intelligente Investitionen, die innovativ und nachhaltig im ökologischen Sinne sind und neue Arbeitsplätze schaffen.“

Petra Weis: Städtebauförderprogramme auch für nicht-investive Zwecke
Petra Weis, wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, wies auf die besonderen Herausforderungen der Stadtentwicklung durch den demografischen Wandel hin. Der wirtschaftliche Strukturwandel wie die demografische Entwicklung wirkten sich zuallererst in unseren Städten aus. Eine hoch entwickelte und noch bezahlbare Infrastruktur werde auf Dauer nur in den Städten vorgehalten werden können. Die Anpassung der Wohnungsbestände und der sozialen und technischen Infrastruktur an eine schrumpfende Bevölkerung sowie die Attraktivierung unserer Städte, nicht zuletzt auch der Innenstädte, für alte Menschen wie für junge Familien gleichermaßen, seien das Gebot der Stunde. Dazu gehöre auch die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund, vor allen Dingen der Kinder und Jugendlichen.

Die Programme „Soziale Stadt“, „Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“ seien die differenzierten Antworten auf differenzierte Problemlagen. „Wir haben die feste Absicht, den integrativen Ansatz der Städtebauförderprogramme weiterzuentwickeln, indem beispielsweise in der Sozialen Stadt auch nicht-investive Zwecke gefördert werden können, zum Beispiel die Sprachförderung Jugendlicher oder aber Initiativen der lokalen Ökonomie und damit der lokalen Beschäftigung.“

Wohnungseigentum und Riester-Rente
Neben den sozial- und beschäftigungspolitischen Impulsen setzt die SPD-Bundestagsfraktion auch auf eine bessere Förderung von Wohneigentum im Rahmen der Altersvorsorge. Petra Weis: „Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass wir das selbst genutzte Wohneigentum zum 1. Januar 2007 besser in die geförderte Altersvorsorge integrieren. Wir wollen das umsetzen. Allerdings stehen wir erst am Anfang des Diskussionsprozesses über die Umsetzung.“ Die Verbände der Bauwirtschaft und die Bausparkassen hätten dazu bereits Modelle vorgelegt. Eine weitere Variante der Vorsorge sei im Rahmen des genossenschaftlichen Wohnens möglich. Die SPD-Bundestagsfraktion habe die Modellvorhaben zum genossenschaftlichen Wohnen mitinitiiert und seither immer unterstützt.

Weis: „Wir betrachten das genossenschaftliche Wohnen als dritte tragende Säule neben dem Wohnen zur Miete und dem Wohnen im Eigentum. Wir sind überzeugt, dass genossenschaftlich organisierte Wohnformen Möglichkeiten bieten, Herausforderungen des demografischen Wandels wie auch der sozialen Integration zu bestehen.“

Helmut Zorell
Pressesprecher