MdL Hans Georg Junginger: „Mit der Senkung des Quorums und der Abschaffung des Positivkataloges wollen wir endlich die Mitwirkungsrechte unserer Bürgerinnen und Bürger stärken“

Gesetzentwurf für mehr Bürgerbeteiligung eingebracht

Die SPD-Landtagsfraktion hat erneut einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene in den baden-württembergischen Landtag eingebracht. „Mit der Senkung des Quorums und der Abschaffung des Positivkataloges wollen wir endlich die Mitwirkungsrechte unserer Bürgerinnen und Bürger stärken“, begründet der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Hans Georg Junginger, den Gesetzesvorschlag zur Änderung der Gemeindeordnung. Darüber hinaus will die SPD damit auch der „mutlosen FDP“ unter die Arme greifen. „Seit nunmehr drei Jahren hören wir von der FDP immer wieder dieselbe Leier, ohne dass sich wirklich etwas ändert“, kritisiert Hans Georg Junginger das aus seiner Sicht nicht mehr hinnehmbare Verzögerungsmanöver der kleinen Regierungsfraktion (siehe dazu Dokumentation in der Anlage).

Der SPD-Gesetzentwurf orientiert sich an der erst kürzlich vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Ernst Pfister lautstark vorgebrachten Ankündigung, das Zustimmungsquorum von zurzeit 30 auf 25 Prozent zu senken und den Positivkatalog in der Gemeindeordnung zu streichen. Wie bereits in ihrem Gesetzentwurf (Drucksache 13/1245) vom August 2002 hat die SPD-Landtagsfraktion nach den Worten Jungingers ihre eigenen und weiter gehenden Vorstellungen bewusst zurückgestellt, um die Zustimmung der FDP zu diesem Gesetzentwurf sicherzustellen und damit die nach Pfisters Worten bestehende „Hängepartie“ beim Thema Bürgerbeteiligung nun zu beenden.

Die Regierungsfraktionen, so der SPD-Innenpolitiker, könnten sich bei den bevorstehenden Gesetzesberatungen dieses Mal auch nicht mit dem Hinweis aus der Verantwortung stehlen, man wolle die Gemeindeordnung mit „einem großen Wurf“ ändern. Diese Entschuldigung sei spätestens seit der sog. „Lex-Föll“ als „faule Ausrede“ vollständig verbraucht, so Junginger.

Chronologie: (ohne Anspruch auf Vollständigkeit!)
Bürgerbegehren in Baden-Württemberg – die quälend lange Hängepartie der FDP

10.04.2001
Koalitionsvereinbarung der Regierungsfraktionen von CDU und FDP/DVP:

„Die Regierungskoalition will die Möglichkeiten der unmittelbaren Bürgerbeteiligung in unseren Städten und Gemeinden deutlich verstärken. Wir werden deshalb in der Gemeindeordnung den sogenannten Positivkatalog für die Zulassung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid (§ 21 Abs. 1 Gemeindeordnung) aufheben. Bis auf den sogenannten Negativkatalog wird es künftig also keine thematischen Einschränkungen für Bürgerentscheide geben“

19.11.2001
Bericht im Südkurier
’Nach Angaben aus dem Innenministerium steht der Entwurf kurz vor der Anhörung durch die Landkreise und Kommunen. Der Stuttgarter Landtag könnte das Gesetz im kommenden Jahr verabschieden, heißt es weiter. Die CDU/FDP-Koalition packt damit einen Teil ihres Koalitionsvertrages an. Auf Drängen der Liberalen wurde die Absichtserklärung in die Vereinbarung hineingenommen. Auch FDP-Fraktionsvorsitzender Pfister zeigt sich zuversichtlich, dass die Vorgaben bald in ein Gesetz gegossen werden. Er fordert Innenminister Thomas Schäuble (CDU) nun auf, die Novelle in der ersten Hälfte 2002 in den Gesetzgebungsprozess einzubringen.’

20.03.2002
Gemeindetag Baden-Württemberg stellt einen eigenen Gesetzesentwurf zur Reform des Bürgerentscheids vor und fordert unter anderem, das Zustimmungsquorum von 30 auf 25 Prozent abzusenken sowie den Wegfall des sog. Positivkatalogs

26. 07.2002
Bericht im Südkurier:
‚FDP will mit der Parole Mehr Demokratie in den Herbst durchstarten’
Pfister wolle dabei vor allem dafür eintreten, dass „die Hürden für Bürgerbegehren und -entscheide niedriger gelegt werden“

06.08.2002
SPD greift die Vorstellungen des baden-württembergischen Gemeindetags auf und bringt einen eigenen Gesetzentwurf in den Landtag ein (Drs. 13/1245)

07.10.2002
Pressemitteilung der FDP/DVP Fraktion, Fraktionsvorsitzender Ernst Pfister:
„Wir haben darüber hinaus mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass sich der baden-württembergische Gemeindetag für eine Herabsetzung des Zustimmungsquorums von heute 30 auf 25 Prozent ausgesprochen hat. Bei der FDP/DVP-Fraktion stößt der Gemeindetag damit auf weit geöffnete Türen.“

16.10.2002
Erste Beratung des SPD-Gesetzentwurfs (Drucksache 13/1245):
MdL Dr. Horst Glück (FDP):
„Sie haben hier einige sehr gute Ansätze drin. Manches in diesem Gesetzentwurf ist wirklich sehr vernünftig. Das muss man Ihnen bestätigen.“
“Wir werden dies – Kollege Hillebrand hat darauf hingewiesen – gemeinsam mit einer Fülle von kommunalen Problemen – Volkswahl Landrat, Bürgermeister in den Kreistagen – neben diesen Quoren in einem Gesetzentwurf in einem Guss lösen. Haben Sie noch ein kleines bisschen Geduld. Im nächsten Jahr wird es so weit sein.“ (Plenarprotokoll vom 16.10.2002)

18.12.2002
Beratung des SPD-Gesetzentwurfs im Innenausschuss:
„Ein Abgeordneter der FDP/DVP äußert, er habe für den vorliegenden Gesetzentwurf insofern Sympathie, als darin die auch von seiner Fraktion gewollte Absenkung des Entscheidungsquorums für Bürgerentscheide auf 25% begehrt werde. Bezüglich einer solchen Absenkung, die in der Tat auch in der Koalitionsvereinbarung ihren Niederschlag gefunden habe, stehe seine Fraktion jedoch bereits in Verhandlungen mit der CDU-Fraktion. Wie die CDU-Fraktion wolle die Fraktion der FDP/DVP den Positivkatalog abschaffen und den Negativkatalog so klein wie möglich gestalten.“ (Beschlussempfehlung und Bericht, Drucksache 13/1640)

Ergebnis: Der Ausschuss beschließt mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen von CDU und FDP/DVP, dem Plenum zu empfehlen, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD abzulehnen.

22.01.2003
Zweite Beratung des SPD-Gesetzentwurfs:
MdL Dr. Horst Glück (FDP):
„Die Beschlusslage der FDP/DVP ist klar: Wir wollen eine Absenkung des Quorums für den Bürgerentscheid von 30 % auf 25 %. Wir wollen den Positivkatalog abschaffen, und wir wollen einen Negativkatalog, der so klein wie irgend möglich ist. Ich bin froh, dass wir von der CDU sowohl im Ausschuss als auch heute wieder, Herr Heinz, positive Töne gehört haben, dass wir uns nächstens – und zwar wirklich zeitnah – über den letzten strittigen Punkt, dem Sie aber auch offen gegenüberstehen, nämlich über die Absenkung dieses Quorums, unterhalten werden.“ (Plenarprotokoll vom 22.01.2003)
Abstimmung: Der SPD-Gesetzentwurf wird im Plenum durch die Regierungsfraktionen von CDU und FDP/DVP mehrheitlich abgelehnt.

22.01.2003
Bericht im Offenburger Tagblatt:
FDP-Fraktionschef Ernst Pfister: „Das Innenministerium muss jetzt aber mit dem Entwurf zur Abschaffung der Positivliste kommen“, formulierte er seine Erwartungen in der Sache.

’Aus dem Innenministerium war dann im Februar 2002 zu erfahren, dass gerade „eine Kabinettsvorlage“ erarbeitet wird. Und Detlef Wiens aus der FDP-Fraktion tönte am gleichen Tag: „Noch in diesem Quartal wird die Gemeindeordnung geändert.“ Knapp ein Jahr später (…) heißt es aus dem Stuttgarter Innenministerium lapidar: “Die Initiative ruht auf dem Stand von vor einem Jahr in der entsprechenden Fachabteilung.“ Und die Frage, warum der Entwurf nun schon so lange ruht erhält folgende Antwort: Man habe dem Landtag keine Vorschläge zu unterbreiten, sondern das mache die Regierung oder die Fraktionen. Man sei jedoch in der Lage, kurzfristig einen Entwurf zu präsentieren.’

25.02.2003
Bericht in der Südwest Presse:
’Die FDP-Landtagsfraktion kündigtegestern einen entsprechenden Gesetzentwurf an. Zudem will sie das Zustimmungsquorum im Entscheid von 30 auf 25 Prozent senken.’

25.11.2003
Bericht in der Stuttgarter Zeitung:
‚Im Koalitionsverfahren haben CDU und FDP zwar eine Stärkung der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene vereinbart, ein entsprechendes Gesetzesverfahren gibt es jedoch immer noch nicht. „Zu gegebener Zeit werden wir eine Gesetzesvorlage machen“, erklärte gestern ein Sprecher des Innenministeriums. „Wir haben ja noch nicht das Ende der Legislaturperiode“, sagte er. Konkrete Vorarbeiten für ein Gesetz würden momentan nicht gemacht, erklärte der Sprecher, „das geht noch eine Weile.“’

Kommentar: „Kurzum: die Landesregierung ist gewaltig im Verzug. Selbst die sich aufmüpfig gebende FDP, die händeringend nach Chancen zur Profilierung sucht, schweigt beharrlich.“

11.12.2003
Gemeinsame Pressekonferenz von Wirtschaftsminister und FDP-Landesvorsitzenden Walter Döring, Fraktionsvorsitzenden Ernst Pfister und Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck in Stuttgart;
Döring stellt 10 Initiativen der FDP für die nächste Zeit vor :

„Die FDP will die Rahmenbedingungen für Bürgerentscheide verbessern. Thematische Einschränkungen für Bürgerbegehren sollen aufgehoben werden
(aus dem Koalitionsvertrag: „Wir werden in der Gemeindeordnung den sogenannten Positivkatalog für die Zulassung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
(§ 21 Abs. 1 Gemeindeordnung) aufheben.

Bis auf den sogenannten Negativkatalog wird es künftig also keine thematischen Einschränkungen für Bürgerentscheide geben.“)
Die FDP will außerdem das erforderliche Zustimmungsquorum für das Zustandekommen eines Bürgerentscheids auf 25 % absenken.“

05.01.2004
FDP-Landesparteitag in Stuttgart
Verabschiedung des Kommunalwahlprogramms 2004:

„Damit die Bürgergesellschaft leben kann, müssen die Fristen bei Bürgerbegehren auf acht Wochen verlängert, und die Quoren bei Bürgerbegehren und -entscheid gesenkt werden.“

13.02.2004
Pressemitteilung der FDP/DVP Fraktion, Fraktionsvorsitzender Ernst Pfister:

„Regierung muss Hängepartie bei Reform des Bürgerentscheids beenden“

1. April 2004
Landtag: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der SPD „Mehr Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene“

Haltung der FDP: Endlich Zustimmung? Oder wieder nur „April, April“?

Helmut Zorell
Pressesprecher