Kritik an kommunalfeindlicher Blockadehaltung der CDU

Treffen der SPD-Landtagsfraktion mit sozialdemokratischen Stadtoberhäuptern und Kommunalpolitikern in Mannheim

Auf ihrem Kommunalforum in Mannheim forderten die sozialdemokratischen Kommunal- und Landespolitiker eine zügige Reform der Gemeindefinanzen. Der von der Bundesregierung vorgesehene Zeitplan zur Inkraftsetzung der Gemeindefinanzreform zum 1.1.2004 müsse trotz der Blockadehaltung einiger unionsgeführter Bundesländer in allen Punkten unbedingt eingehalten werden, sagten SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler, Mannheims Bürgermeister Dr. Peter Kurz und der frühere Freiburger OB und Gemeindefinanzexperte Dr. Rolf Böhme zum Abschluss dieses Treffens auf einer Pressekonferenz in Mannheim. Böhme, der auch an den Sitzungen der von der Bundesregierung bestellten Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen teilnimmt, erläuterte den aktuellen Stand der Verhandlungen nach der Kommissionssitzung in Berlin am vergangenen Freitag. An dem Treffen in Mannheim nahmen rund fünfzig sozialdemokratische Oberbürgermeister/innen und Bürgermeister/innen sowie zahlreiche Landes- und Kommunalpolitiker aus dem ganzen Land teil.

Mit der Neuregelung der Gemeindefinanzen sollen die Kommunalfinanzen dauerhaft verstetigt werden. Die Teilnehmer des Kommunalforums in Mannheim unterstützen das Reformmodell der kommunalen Spitzenverbände, das hier im Land auch vom Städtetag Baden-Württemberg vertreten wird. Es sieht vor, den Kreis der Gewerbesteuerpflichtigen auf Freiberufler zu erweitern und die Bemessungsgrundlage zu verbreitern. Existenzgründer und kleinere Gewerbetreibende sollen allerdings nicht stärker als bisher belastet werden.

Nein zu den Gewerbesteuerplänen von Teufel, Stratthaus und Döring
Eine scharfe Abfuhr erteilte das Kommunalforum den Gewerbesteuerplänen der FDP und der Wirtschaft, die in Baden-Württemberg auch von der Landesregierung unterstützt werden. Sie unterstützen die Forderung des BDI und wollen die Gewerbesteuer ersetzen durch ein kommunales Heberecht bei der Körperschafts- und Einkommensteuer. Nach den Worten von SPD-Fraktionschef Drexler führt dieses Modell zu einer unverantwortlichen Steuererhöhung bei den Bürgern, während die Unternehmen entlastet werden.

Drexler: „Wenn es nach dem Willen von Teufel, Stratthaus und Döring ginge, würde der Beitrag der Wirtschaft zu den Gemeindefinanzen von jetzt 52,4 auf 36,2 Prozent sinken und der Anteil der Lohn- und Einkommensteuerzahler von jetzt 47,6 auf 63,8 Prozent steigen. Ein solche verkappte Steuererhöhung bei den Bürgerinnen und Bürgern zur Entlastung der Unternehmen machen wir nicht mit.“

Teufel und Finanzminister Stratthaus hätten bisher auch kein Wort dazu gesagt, wie sie die mit ihrem Reformmodell verbundenen zusätzlichen Steuerausfälle für Bund und Länder auffangen wollen. Die Gewerbesteuer wird am Ort des Unternehmens erhoben, die Einkommensteuer dagegen am Wohnort des Steuerpflichtigen. Pendlergemeinden ohne eigenes Gewerbe würden dadurch gegenüber den Gewerbezentren finanziell deutlich besser gestellt. Eigenes Gewerbe vor Ort lohnt sich nach diesem Modell noch weniger als bisher.

Union soll Selbstblockade bei der Gemeindefinanzreform überwinden
Die Teilnehmer des Kommunalforums in Mannheim richteten an den Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden Teufel den dringlichen Appell, die Selbstblockade der Union bei der Gemeindefinanzreform im Interesse der Kommunen rasch zu überwinden. Angesichts der Finanznot der Kommunen sei es unverantwortlich, wenn die Union die Umsetzung der Finanzreform zum 1.1.2004 nun blockieren wolle, weil sich die unionsregierten Länder intern noch immer nicht auf ein Reformmodell verständigen konnten. Hier stünden der Ministerpräsident sowie die Kultusministerin und stv. CDU-Bundesvorsitzende Schavan in einer besonderen Verantwortung, innerhalb der Union rasch für eine Klärung zu sorgen.

Teufels Steuerblockade im Bundesrat kostet Kommunen und Land viel Geld
Die Landesregierung steht bei der Gemeindefinanzreform nach den Worten von Wolfgang Drexler auch deshalb in der Pflicht, weil sie durch ihre Blockade des Steuerabbau- und –vergünstigungsgesetzes im Bundesrat nicht nur beim Land, sondern auch bei den Kommunen hohe Einnahmeausfälle verursacht hat. Durch die parteipolitisch motivierte Ablehnung dieses Gesetzes verlieren die Kommunen in Baden-Württemberg nach Angaben Drexlers rund 900 Mio. € bis zum Jahr 2006, dem Land entgehen in diesem Zeitraum etwa 1,6 Mrd. €.

Die Bundesregierung habe demgegenüber bereits jetzt auf die Finanznot der Gemeinden reagiert: Den Kommunen soll ihr Anteil an der Flutopferhilfe in Höhe von rund 800 Mio. Euro erlassen werden, für etwaige fehlende Flutmittel wird der Bund mit eigenen Mitteln einstehen. Die Bundesregierung habe zudem ein kommunales Investitionsprogramm mit zinsverbilligten Krediten mit einem Volumen von 7 Mrd. € aufgelegt.

Kehrtwende der Union beim Ausbau der Ganztagesschulen muss auch im Land vollzogen werden
Die sozialdemokratischen Stadtoberhäupter, Kommunal- und Landespolitiker begrüßen, dass die Landesregierung nun doch die Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund für mehr Ganztagsschulen unterzeichnen will. Mit den damit verbundenen Finanzmitteln der Bundesregierung von mehr als 500 Mio. Euro könnten bis 2008 mehr als 1.000 Ganztagsschulen in Baden-Württemberg neu geschaffen oder ausgebaut werden.

Wolfgang Drexler, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag, zeigte sich zudem erleichtert über die von Eltern und der Wirtschaft erzwungene Kehrtwende der Union bei der Einrichtung von Ganztagsschulen. Nach einem langen internen Streit hatte sich die Union Anfang der vergangenen Woche für ein „bedarfsgerechtes Angebot von Ganztagesschulen für alle Schulformen“ ausgesprochen. Dort, wo Eltern den Wunsch äußerten, solle es künftig auch Ganztagesschulen geben, beschlossen die Bildungs- und Familienpolitiker der Unionsfraktion im Bundestag. Dagegen wollen die Konservativen in der Union, wie die stv. CDU-Vorsitzende Schavan und CDU-Landeschef Teufel Ganztagesschulen bisher nur an Brennpunkten fördern.

Die Teilnehmer des Mannheimer Kommunalforums fordern Ministerpräsident Teufel und Kultusministerin Schavan auf, die Ganztages-Beschlüsse der Union zu akzeptieren und auch im Land umzusetzen, zumal Baden-Württemberg mit seinen Ganztagesangeboten im Ländervergleich noch immer am unteren Tabellenende rangiere.

Zusammen mit den sozialdemokratischen Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern verlangte die SPD-Landtagsfraktion von der Landesregierung, von der bisherigen Praxis bei der Genehmigung von Ganztagsschulen abzurücken: „Die Förderung darf nicht wie bisher auf Hauptschulen beschränkt bleiben. Wir wollen ein Netz an Ganztagesschulen in allen Schularten.“ Nur mit einem solchen Angebot könnten die Eltern Beruf und Familie tatsächlich besser vereinbaren. Auch die Wirtschaft fordere seit langem nachdrücklich den bedarfsgerechten Ausbau der Ganztagesschulen in Baden-Württemberg.

Die sozialdemokratischen Oberbürgermeister und Bürgermeister forderten die Landesregierung auf, die Kriterien, nach denen im Land Ganztagesschulprojekte mit Bundesmitteln gefördert werden, umgehend zu veröffentlichen, damit die Kommunen rasch mit konkreten Planungen beginnen könnten.

Verwaltungsreform: Kommunen wollen nicht die Zahlmeister sein
Die SPD-Landtagsfraktion und die in Mannheim versammelten Kommunalpolitiker sind sich darin einig, dass die Kommunen nicht die Zahlmeister der von Ministerpräsident Teufel vorgeschlagenen Verwaltungsreform sein dürfen. Es müsse auf alle Fälle verhindert werden, dass sich Land und Landratsämter auf eine Verwaltungsreform verständigen, die dann von Städten und Gemeinden über die Kreisumlage finanziert wird. Die Stadtkreise fordern zudem individuell zugeschnittene Verträge statt einer Verwaltungsreform per Gesetz. Einer Eingliederung der Polizei in die Landratsämter stehen die SPD-Kommunalpolitiker überaus skeptisch gegenüber, die Landtagsfraktion lehnt diese Eingliederung ab. Eine effiziente Polizeiarbeit werde dadurch unnötig erschwert.

Wie die SPD-Landtagsfraktion sind auch die Kommunalpolitiker der Auffassung, dass die von der Landesregierung angestrebte Effizienzrendite von 20 % viel zu hoch angesetzt ist. Offensichtlich wolle die Landesregierung ihre eigenen Sparprobleme auf die kommunale Ebene abwälzen. Daher bleiben die großen Städte weiterhin bei ihrer Forderung, den finanziellen Ausgleich vertraglich zu regeln.

Die SPD-Landtagsfraktion lehnt den Teufel-Vorschlag ab und hält weiterhin an ihrem eigenen, bereits im Januar vorgestellten Regionalmodell fest. Während das Teufel-Modell lediglich zu einer Verschiebung von Ämtern führe mit übermächtigen Landräten als einer Art Staatskommissare, bringe das SPD-Modell eine echte Verwaltungsreform an Haupt und Gliedern. Die Verwaltung werde effizient, bürgernah und Kosten sparend organisiert.

Das von der SPD-Landtagsfraktion im Januar dieses Jahres vorgestellte Konzept für eine durchgreifende Verwaltungsreform sieht im Kern vor, die Aufgaben der bisherigen Mittelinstanzen in acht Regionalkreisen mit Regionalämtern zu bündeln und die Zahl der Ministerien zu verringern.

Helmut Zorell
Pressesprecher