MdL Gunter Kaufmann: „Die Landesregierung darf nicht tatenlos zusehen, wie immer mehr junge Leute keine Aussicht auf eine Lehrstelle oder einen Platz in einer beruflichen Schule haben“

Die SPD sorgt sich um die Zukunftschancen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Baden-Württemberg. Die jüngsten Entwicklungen zeigten, dass die unter 25-Jährigen besonders hart von der aktuellen Wirtschaftskrise betroffen sind und das Angebot an Ausbildungsplätzen der Nachfrage bei weitem nicht gerecht wird. Der Abgeordnete Gunter Kaufmann, Sprecher für berufliche Bildung seiner Fraktion, fordert daher einen „Schutzschirm für Ausbildung“, um den Ausbildungsmarkt krisenfest zu machen.

Die jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit belegten deutlich, dass von den 61.353 im Juli 2009 gemeldeten Bewerbern für eine Berufsausbildungsstelle bislang lediglich rund 19.000 (31 %) in eine Lehrstelle vermittelt werden konnten. Dabei verfügten 29.840 (49 %) der gemeldeten Bewerber für Lehrstellen über die Hochschulreife oder zumindest die mittlere Reife. Klagen von Unternehmen über die mangelnde Ausbildungsreife der Lehrstellenbewerber hält Kaufmann im Lichte dieser Zahlen nicht für plausibel.

Die beruflichen Schulen stünden angesichts des sich abzeichnenden Rückgangs bei den Ausbildungsplätzen im kommenden Schuljahr vor besonderen Herausforderungen. Schulabgänger (vor allem Hauptschüler), die keine Lehrstelle fänden, seien bis zum 18. Lebensjahr schulpflichtig und besuchten ggf. das BVJ/BEJ, wenn der weitere Besuch von Vollzeitschulen zum Erwerb von höheren Qualifikationen nicht in Frage komme.

Kaufmann: „Die vorliegenden Anmeldezahlen für die beruflichen Schulen, die auf einem mittleren Bildungsabschluss aufbauen, zeigen, dass die Kapazitäten nicht ausreichen, um diesen Andrang zu bewältigen. Wenn die Tür sowohl für eine Lehrstelle als auch für schulische Weiterqualifizierung zu bleibt, fühlen sich junge Menschen zu Recht von der Politik im Stich gelassen.“

Der SPD-Berufsbildungsexperte warf der Landesregierung vor, trotz dieser alarmierenden Entwicklung in der Beobachterrolle zu verharren. Angesichts der vorhersehbaren wirtschaftlichen Entwicklung wäre es jedoch wichtig gewesen, frühzeitig ein adäquates Lehrstellenangebot sicherzustellen und die Kapazitäten für die weiteren Bildungswege deutlich auszubauen. „Ein Aussitzen der Krise zu Lasten der jungen Menschen darf es nicht geben“, betonte Kaufmann. Noch im Herbst des vergangenen Jahres, als sich die Misere bereits abzeichnete, habe die Landesregierung Stellen an den beruflichen Schulen streichen wollen.

Um die Krise am Ausbildungsmarkt in den Griff zu bekommen und die Jugendarbeitslosigkeit einzudämmen, müsse die Landesregierung gemeinsam mit der Wirtschaft jetzt schleunigst ein ganzes Maßnahmenpaket auf den Weg bringen.

Problemfeld „Weiterführende berufliche Schulen“
Im Jahr 2009 werden nach einer Prognose des Statistischen Landesamtes mit ca. 61.600 Schülern knapp 2.000 Jugendliche mehr als im Durchschnitt der letzten 10 Jahre einen mittleren Bildungsabschluss erwerben. „Es war absehbar, dass die weiterführenden beruflichen Schulen unter gewaltigen Bewerberdruck kommen werden“, sagte Kaufmann.

Doch anstatt weitere Lehrerstellen einzurichten, habe die Regierung zunächst 90 Vollzeitstellen an beruflichen Gymnasien gestrichen. Diese Streichungen seien zwar aufgrund des Drucks der SPD wieder zurückgenommen worden. Doch gebe es immer noch 10.000 qualifizierte Bewerber, die trotz Erfüllung aller Kriterien an den beruflichen Gymnasien keinen Schulplatz bekommen haben. Diese müssten sich nun ebenfalls nach Lehrstellen umsehen.

Problemfeld „Ausbildungsmarkt“

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt habe sich seit 2007 gegenüber den Vorjahren zwar leicht verbessert, falle aber noch keineswegs zufriedenstellend aus. Noch immer seien über 40 Prozent der Bewerber um eine Lehrstelle Altbewerber, die schon mindestens ein Jahr auf einen Ausbildungsplatz warten. Zudem gehe dieses Jahr aller Voraussicht nach die Zahl der angebotenen Lehrstellen wieder zurück. Überdies drängten die ca. 10.000 an den beruflichen Gymnasien abgewiesenen Bewerber auf den Markt.

Gunter Kaufmann: „Somit ist das Versprechen der Landesregierung ´Kein Abschluss ohne Anschluss´ nicht mehr als eine leere Sprechblase.“

Die Landesregierung müsse die Wirtschaft auffordern, mindestens zehn Prozent zusätzliche Ausbildungsplätze verbindlich zuzusagen. „6.000 zusätzliche Ausbildungsplätze heute sind für die Wirtschaft 6.000 dringend benötigte, zusätzliche Fachkräfte im nächsten Aufschwung“, so Kaufmann. Weiter betonte er, dass man zusätzliche Plätze verlange, dass die Wirtschaft also nicht nur neue Ausbildungsplätze akquirieren, sondern darüber hinaus auch den Wegfall von bisher existierenden Plätzen ausgleichen müsse.

Dieses und nächstes Jahr werde der Lackmustest für die Bemühungen der Landesregierung um mehr Ausbildungsplätze. „Auf dem Lehrstellenmarkt tickt eine Zeitbombe. Staat und Wirtschaft stehen gemeinsam in der Verantwortung, diese rasch zu entschärfen, damit sich für alle Jugendlichen eine berufliche Perspektive eröffnet“, sagte Kaufmann.

Problemfeld „Übernahme nach der Ausbildung“

In Baden-Württemberg lag die Übernahmequote nach Ausbildungsende in den vergangenen Jahren zwischen 62 Prozent und 67 Prozent. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass jedes Jahr weit über 20.000 Jugendliche nach ihrer Ausbildung einen neuen Arbeitgeber suchen müssen oder eine Weiterqualifizierung an den beruflichen Schulen anstreben. Das Resultat dieser Entwicklung ist ein teils dramatischer Gegensatz zwischen Bewerberandrang und Platzangebot an den Schulen. Nach SPD-Recherchen kommen auf 50 Plätze in Technikerschulen teilweise über 200 Bewerber.

Kaufmann: „Es ist unglaublich, dass die Landesregierung jugendliche Arbeitslose in Kauf nimmt anstatt diesen lernwilligen Menschen eine für ihre zukünftige Berufslaufbahn wichtige Qualifizierung zu ermöglichen.“

Anstatt wie Vogel Strauß den Kopf in den Sand zu stecken, sei die Landesregierung gefordert, ein besonderes Augenmerk auf die Fortbildung junger Beschäftigter zu legen. So seien die einjährigen Berufskollegs, Technikerschulen und Berufsoberschulen gerade in der jetzigen Situation geeignete Einrichtungen, in denen sich junge Menschen weiterqualifizieren könnten. Ihre personelle, räumliche und finanzielle Ausstattung müsse aber dringend erweitert werden, um bedarfsgerecht weiterbilden zu können.

Stuttgart, 18. August 2009
Martin Mendler
Stellv. Pressesprecher