Der SPD-Bildungsexperte Dr. Stefan Fulst-Blei fordert von der Landesregierung, die Kriterien zur Einrichtung von gymnasialen Oberstufen an Gemeinschaftsschulen zu lockern. Das Prognosekriterium Vierzügigkeit zur Einführung der gymnasialen Oberstufe an Gemeinschaftsschulen müsse aufgehoben werden. Der Kultusministerin warf Fulst-Blei vor, bei Gemeinschaftsschule und Gymnasium mit zweierlei Maß zu messen.

Er begründet diese Einschätzung mit Befunden, die sich aus einer Stellungnahme der Landesregierung zu einem Parlamentsantrag der SPD ergeben. Die SPD hatte sich an die Landesregierung gewandt, als bekannt wurde, dass das Kultusministerium nur solchen Gemeinschaftsschulen die Genehmigung zur Einrichtung erteilen will, die in der Sekundarstufe I mindestens stabil vierzügig geführt werden. Gesetzlich festgelegt für Gemeinschaftsschulstandorte ist die Zahl von mindestens 60 Schülerinnen und Schülern an der Schwelle zur gymnasialen Oberstufe. Die Antwort des Kultusministeriums bestätigt diese Annahme und beruft sich dabei auf Erfahrungen aus anderen Bundesländern.

Um einen Vergleich zu den Gymnasien ziehen zu können, bat die parlamentarische Anfrage auch um Angaben zu allgemeinbildenden Gymnasien, die in den letzten fünf Schuljahren in den Jahrgangsstufen der gymnasialen Oberstufe jeweils nur weniger als 60 Schülerinnen und Schüler ausweisen konnten. Insgesamt listet das Ministerium in seiner Antwort über 120 Gymnasien in Baden-Württemberg auf, die seit dem Schuljahr 2011/2012 immer wieder weniger als 60 Schülerinnen und Schüler in den Jahrgangsstufen der gymnasialen Oberstufe ausweisen.

Die Zahlen belegen, dass knapp vierzig Schulen sogar regelmäßig jedes Jahr deutlich unter der 60er-Grenze liegen. Teilweise erreichen die Jahrgangsstufen nur Zahlen von 25 bis 30 Schülerinnen und Schülern. Betroffen von diesen zurückgehenden Schülerzahlen in der gymnasialen Oberstufe seien keineswegs nur Gymnasien im ländlichen Raum, sondern auch Gymnasien in Städten wie Freiburg und Stuttgart.

Fulst-Blei: „Wir stellen diese betroffenen gymnasialen Oberstufen in keinster Weise in Frage und sehen absolut ihre Daseinsnotwendigkeit. Doch wir müssen uns schon fragen, warum bei der Einführung der gymnasialen Oberstufe an den Gemeinschaftsschulen ganz enge und harte Kriterien gesetzt werden, obwohl viele allgemeinbildenden Gymnasien derartige Kriterien, sofern sie diese erfüllen müssten, schon lange unterschreiten würden. Für uns misst die Kultusministerin mit zweierlei Maß. Wir verlangen hier die entsprechende Gleichbehandlung und Fairness gegenüber den Gemeinschaftsschulen“

Fulst-Blei regt an, in den betroffenen Regionen Schulkooperationen aus Gymnasien und Gemeinschaftsschulen in Erwägung zu ziehen. Davon könnten beide Seiten profitieren, um leistungsstarke gymnasiale Oberstufen zu realisieren und gleichzeitig effizient Ressourcen einsetzen zu können. „Wir dürfen die beiden Schularten nicht gegeneinander ausspielen, sondern sollten ihre unterschiedlichen Potenziale heben und dort Synergien bilden, wo sie notwendig und zielführend sind“, unterstrich Fulst-Blei.

Fulst-Blei ist gespannt auf die Reaktion der CDU-Landtagsfraktion, habe sie doch erst diese Woche wieder eindrücklich unter Beweis gestellt, dass ihr die Gemeinschaftsschule nach wie vor ein Dorn im Auge ist: „Wie sonst muss man den Plan verstehen, den Klassenteiler an den Gemeinschaftsschulen von 28 auf 30 zu erhöhen, um Stellen in anderen Schulbereichen finanzieren zu können?“ Er warnte Grün-Schwarz davor, den Entwicklungsprozess an den Gemeinschaftsschulen zu untergraben und Erreichtes zurückzudrehen. „Hier sind auch die Grünen in der Pflicht“, appellierte Fulst-Blei.

Stuttgart, 14. Oktober 2016
Martin Mendler, Pressesprecher