Ute Vogt: „Wir wollen, dass jeder Hauptschüler und jede Hauptschülerin die Schule mit einer beruflichen Perspektive verlässt“

Auf ihrer ersten Klausurtagung nach der Landtagswahl hat die SPD-Landtagsfraktion Im Beisein eines Hauptschulrektors und des Leiters einer Berufsschule Vorschläge zur Verbesserung der Perspektiven der Hauptschulabgänger entwickelt. Die SPD fordert eine neue Qualität der gemeinsamen Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler von Hauptschulen. Eltern, Jugendhilfe, Wirtschaft und die Schulen selber müssten gemeinsam neue Wege finden, um den Schulabgängern künftig echte berufliche Perspektiven zu eröffnen, sagte die SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Ute Vogt. „Die Ausbildungsreife der Jugendlichen muss in der Schule erreicht werden.“

Die schon in der Schulzeit erreichte Ausbildungsreife sei ein entscheidender Schritt zu mehr Chancengerechtigkeit in unserem Bildungssystem und zahle sich zudem auch finanziell aus. „Es ist besser für die Schülerinnen und Schüler und auf Dauer auch billiger, früh zu investieren, statt hinterher mit viel Aufwand und geringem Erfolg die schlimmsten Versäumnisse wieder zu reparieren.“

Ziel der SPD sei es, jedem Hauptschüler und jeder Hauptschülerin mit dem Schulabschluss eine Garantie für eine Berufsausbildung oder einen Berufseinstieg zu geben. Die Schule allein sei mit einer solchen „Herkulesaufgabe“ überfordert. Die von den Referenten auf der Klausurtagung vorgestellten Beispiele zeigten, dass sich der „Mentalitätswechsel“, also die gemeinsam wahrgenommene Verantwortung aller Beteiligten, für die Hauptschüler auch auszahle. „Die Chancen für einen Berufseinstieg steigen deutlich, und dies hat wiederum Rückwirkungen auf das Lernklima in der Schule“, so Ute Vogt.

Die Expertenanhörung auf der Klausurtagung der Fraktion war nach den Worten von Ute Vogt erst der Anfang einer breit angelegten Beratung über neue Perspektiven für die Hauptschülerinnen und -schüler. „Diese Schüler brauchen dringend unsere Hilfe, denn sie stehen bisher im Schatten unseres Bildungssystems, das in Baden-Württemberg mehr als in jedem anderen Bundesland Bildungschancen nach der sozialen Herkunft verteilt.“

Viel zu lange schon würden die Hauptschülerinnen und -schüler von der Landesregierung als Stiefkinder des Bildungssystems behandelt. Vor diesem Hintergrund verwundere es nicht, dass sich nur noch etwa zehn Prozent der Eltern für ihre Kinder einen Hauptschulabschluss wünschen.

Kernpunkte für bessere Berufsperspektiven von Hauptschülern
Im Anschluss an die Fraktionsklausur nannte die SPD-Fraktionsvorsitzende fünf Kernpunkte, die aus Sicht der SPD jenseits aller Strukturdebatten über die Zukunft der Hauptschule die Perspektiven der Hauptschulabgänger jetzt verbessern sollen:

1. Die Hauptschulen müssen Berufsvorbereitung und -orientierung in den Mittelpunkt ihrer pädagogischen Arbeit rücken. Dies soll in enger Kooperation mit den beruflichen Schulen, der Wirtschaft und dem Handwerk erfolgen. Die Jugendlichen sollen bereits in der Schule so gefördert werden, dass sie „ausbildungsreif“ sind und nicht nach der Schule teure und ineffiziente Warteschleifen durchlaufen müssen, wie etwa das Berufsvorbereitungsjahr in seiner derzeitigen Form.

2. Derzeit noch nachgelagerte Hilfs- und Förderangebote sind während der Schulzeit in der Schule zu erbringen. Dazu müssen Personal und Finanzierung in die Hauptschulen umgelenkt werden. Auch die Angebote außerschulischer Träger sollen in die Arbeit der Schulen eingebunden werden und nicht erst nach der Schulzeit starten.

3. Die Schulsozialarbeit wird zum integrativen Bestandteil schulischen Arbeitens und Lernens. Schulsozialarbeit ist damit Landesaufgabe, für die entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen sind.

4. Von der 7. Klasse an sollen die Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen jahrgangsübergreifend in Gruppen mit maximal 24 Schülerinnen und Schülern lernen. Grundlage der schulischen Arbeit ist dabei das Prinzip des individuellen Lernens und Förderns.

5. Mehr Ganztagesunterricht an den Hauptschulen, mit zusätzlichem pädagogischem Personal. Der Weg über ehrenamtliche Jugendbegleiter reicht nicht aus, um die spezifischen Defizite von Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Familien in der Schule zu überwinden.

Die SPD-Fraktionschefin wies auch darauf hin, dass derzeit die Übergangsquoten auf Realschulen und Gymnasien im ländlichen Raum markant niedriger sind als in den Städten. Diese Benachteiligung sei auf Dauer nur über neue, wohnortnahe Schulformen auszugleichen: Haupt- und Realschulen unter einem Dach, die wohnortnah höherwertige Bildungsabschlüsse anbieten.

Ute Vogt: „Mit unseren Vorschlägen wollen wir mehr Chancengleichheit im Bildungswesen durchsetzen und den Schülerinnen und Schülern der Hauptschulen jetzt bessere berufliche Perspektiven eröffnen.“ Wer diesen Weg konsequent beschreite, stoße zwangsläufig an die Grenzen des überholten dreigliedrigen Schulsystems, so Vogt.

„Wir wollen aber nicht über Schulstrukturen streiten. Wir wollen uns Gedanken darüber machen, wie wir alle Beteiligten dazu bringen, ihre Verantwortung gegenüber den Hauptschülern wahrzunehmen, um deren Lebensperspektiven jetzt zu verbessern. Die überkommenen Schulstrukturen werden sich in einem solchen Prozess schleichend mit verändern und am Ende dem Druck aus Elternschaft, Schulen, Wirtschaft und Politik ohnehin nicht mehr standhalten.“

Helmut Zorell
Pressesprecher