MdL Marianne Wonnay: „Frühkindliches Lernen legt die Grundlage für den späteren Schulerfolg“

Ansturm auf den Kindergartentag der SPD-Landtagsfraktion mit der Wissenschaftlerin und Bestsellerautorin Donata Elschenbroich

Die SPD will die Rahmenbedingungen für die Kindergärten im Land nachdrücklich verbessern, damit sie ihrem gesetzlich vorgeschriebenen Bildungs- und Erziehungsauftrag angesichts immer neuer Herausforderungen auch tatsächlich gerecht werden können. Die Landesregierung tue viel zu wenig und drücke sich vor ihrer eigenen Mitverantwortung für diese große Aufgabe, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende und familienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Marianne Wonnay, auf dem Kindergartentag ihrer Fraktion an diesem Samstag im Landtag. Den riesigen Ansturm auf diese Veranstaltung, zu der sich mehr als 2000 Erzieherinnen und Elternbeiräte aus dem ganzen Land angemeldet hatten, wertete Wonnay als Beweis für deren Bereitschaft, sich dieser Herausforderung zu stellen. Wonnay bedauerte, dass wegen der beengten Verhältnisse im Landtag nur 500 Personen für die Veranstaltung zugelassen werden konnten. Als Hauptrednerin für den Kindergartentag konnte die renommierte Wissenschaftlerin und Autorin Dr. Donata Elschenbroich vom Deutschen Jugendinstitut gewonnen werden, die mit ihrem Buch „Weltwissen der Siebenjährigen“ lange Zeit auf der Spiegel-Bestsellerliste stand.

Wonnay wies im Landtag darauf hin, dass spätestens durch die erschreckenden Ergebnisse der Pisa-Studie die Bedeutung frühkindlichen Lernens für den späteren Schulerfolg wieder verstärkt ins Blickfeld der Öffentlichkeit gelangt sei. „Je früher mit der Förderung begonnen wird, umso eher lässt sich der Einfluss sozialer Benachteiligungen ausgleichen“, sagte Wonnay und weiter: „Die Fachkräfte von morgen spielen heute in unseren Kindergärten. Wir legen heute die Grundlage für die Zukunft dieser jungen Menschen und entscheiden damit auch über die Zukunft unserer ganzen Gesellschaft.“

Wonnay sprach sich dagegen aus, Kindergärten und andere Tageseinrichtungen zu reinen Vorschulen umzubauen. Notwendig sei vielmehr, Kindern Zeit für Experimente zu geben und dafür die entsprechenden Freiräume zu schaffen. Dafür allerdings bräuchten die Kindergärten auch vernünftige Rahmenbedingungen, wie z. B. die angemessene Ausstattung mit pädagogischem Personal, ausreichende finanzielle Mittel auch vom Land und landesweit verbindliche Qualitätsstandards für Gruppen und Raumgrößen. Auch die Reform der Erzieherinnenausbildung müsse von der Landesregierung endlich angepackt werden.

Donata Elschenbroich: Die Jahre vor der Schule als Bildungszeit neu entdecken!

Die Wissenschaftlerin und Bestsellerautorin Dr. Donata Elschenbroich vom Deutschen Jugendinstitut wies auf dem Kindergartentag darauf hin, dass schon das Kinder- und Jugendhilfegesetz von 1996 der Berufsgruppe der Erzieher in deutschen Kindergärten die professionelle Suche aufgetragen habe, die Jahre vor der Schule als Bildungszeit neu zu entdecken. Nach den erschreckenden Ergebnissen der Pisa-Studie richte sich nun breitere Aufmerksamkeit auf das Bildungspotenzial der frühen Jahre. „Ob es die frühe Annäherung an die Schrift ist, oder die Ermutigung der Kinder beim Aufbau elementarer naturwissenschaftlicher Konzepte, oder die Sicherheit des Selbstausdrucks in einer oder in mehreren Sprachen – neue Themen gelangen in den Horizont der Kindergartenpädagogik.“

Viele Erzieher und andere Fachleute in diesem Feld suchten mit Energie und Aufmerksamkeit nach neuen Ansätzen. Dabei bräuchten Eltern und die Berufsgruppe öffentliche Unterstützung.

Auf der Veranstaltung im Landtag erläuterte die renommierte Autorin anhand ihrer Forschungsarbeiten und Filmproduktionen, wie die Erwartungen an „Bildungsqualität“ in den frühen Jahren gesteigert und zugleich anschaulicher werden können, auf welche Anregungen nicht nur Kinder, sondern auch Eltern ein Recht haben sollten und wie der Status der Berufserzieher angehoben werden müsste.

Wonnay: Teufel blockiert Reform der Erzieherinnenausbildung

Wonnay warf der Landesregierung vor, die Reform der Erzieherinnenausbildung zu verschleppen. Schon vor längerer Zeit habe die Kultusministerkonferenz eine Rahmenvereinbarung zur Ausbildung und Prüfung von Erzieherinnen vorgelegt, die eine grundlegende Überarbeitung der baden-württembergischen Erzieherinnenausbildung erforderlich mache. Trotz vieler Ankündigungen habe die Landesregierung jedoch bis zur Stunde keinen Reformentwurf vorgelegt und im Schulausschuss des Landtags sogar eine von der SPD gewünschte Fachanhörung zu diesem Thema blockiert.

Wonnay: “ Der Bildungsauftrag des Kindergartens muss sich endlich auch in der Ausbildung niederschlagen.“

Familienpolitischer Offenbarungseid der Landesregierung

Damit die Kindergärten ihren Bildungsauftrag erfüllen können, muss die Landesregierung nach Wonnays Worten endlich ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie dürfe nicht länger Kommunen und Kindergartenträger immer stärker belasten, sondern müsse selber einen angemessenen finanziellen Beitrag leisten. Völlig zu Recht wiesen die Kommunen darauf hin, dass für den Ausbau der Kinderbetreuung im Land etwa 100 Millionen Euro erforderlich wären. Trotz dieses enormen Nachholbedarfs sei die Landesregierung lediglich dazu bereit, sich mit 4 Millionen Euro am Ausbau der Kleinkinderbetreuung und mit rund 15 Millionen Euro an der Verbesserung des Betreuungsangebotes für Kinder insgesamt zu beteiligen. Wonnay: „Dies ist der familienpolitische Offenbarungseid der Landesregierung.“

Wonnay erinnerte daran, dass es für Kleinkinder bis zum Alter von drei Jahren derzeit im Land nur knapp 9.000 Betreuungsplätze gibt und etwa 15.300 Plätze für Schulkinder. Je 1.000 Kinder bis zum Alter von drei Jahren gebe es damit nur 29 Betreuungsplätze in Krippen oder altersgemischten Gruppen, für 1.000 Schulkinder durchschnittlich nur 14 Betreuungsplätze. Die SPD dagegen habe sich bei den Beratungen für den Doppelhaushalt 2002/2003 mit einem eigenen Konzept dafür eingesetzt, insgesamt rund 46 Mio. Euro originäre Haushaltsmittel des Landes für den Ausbau der Kinderbetreuung einzusetzen. Damit sollten nach dem Willen der SPD in diesem und im nächsten Jahr insgesamt 7.800 neue Betreuungsplätze für Kinder geschaffen werden.

Kindertagesstättengesetz überfällig

Ein modernes Kindertagesstättengesetz, das für alle Betreuungsangebote für Kinder bis zu 14 Jahren einen verlässlichen und dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Kindergärten gerecht werdenden Förderrahmen schafft, ist nach Ansicht der SPD-Fraktion überfällig. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern boykottiere die Landesregierung hier bisher ein solches Gesetz, während die SPD-Landtagsfraktion dazu schon im vergangenen Jahr ein umfangreiches Eckpunktepapier vorgelegt habe.

Wonnay: „Kindertagesstätten sind sozialpädagogische Einrichtungen, die neben der Betreuungsaufgabe einen eigenständigen Bildungs- und Erziehungsauftrag als Elementarbereich des Bildungsbereichs haben. Kindertagesstätten müssen über eigenständige altersspezifische Spiel-, Erfahrungs- und Bildungsangebote verfügen.“

Wonnay kündigte an, dass ihre Fraktion nach der Auswertung der seit einem Jahr geführten Gespräche mit Eltern, Erzieherinnen, Kindergartenträgern und Kommunen über die Eckpunkte ein eigenes Kindertagesstättengesetz vorlegen werde. Diesen Gesetzentwurf wird die SPD-Landtagsfraktion nach den Worten der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Wonnay noch vor der Sommerpause vorlegen.

gez. Helmut Zorell

Fraktionssprecher