Wolfgang Drexler: „Auch in Zeiten knapper Kassen muss Verkehrspolitik den Mut zur Gestaltung aufbringen“
Brief an Bundesverkehrsminister Stolpe
In einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe dringt der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Drexler, auf einen deutlichen Schwerpunkt im Bundesverkehrswegeplan zugunsten des Landes Baden-Württemberg. Drexler warnte angesichts drohender Kürzungen bei den Verkehrsinvestitionen des Bundes vor einem „absoluten Stillstand“ beim dringend notwendigen Ausbau von Verkehrswegen in Baden-Württemberg.
Drexler erinnerte weiter daran, dass Baden-Württemberg mit ausgesprochen hoffnungsvollen Planungsansätzen im anstehenden Bundesverkehrswegeplan bedacht worden sei. Angesichts der prekären Finanzsituation drohe es jetzt indessen bei der Umsetzung zu äußerst bedenklichen Verzögerungen zu kommen.
Nach Auffassung der SPD-Landtagsfraktion müssen bei der Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans die tatsächlichen Verkehrsbelastungszahlen Grundlage für eine klare Prioritätensetzung werden. Niemand bestreite, dass Baden-Württemberg besonderen Belastungen ausgesetzt sei und erheblichen Nachholbedarf bei den Verkehrsinvestitionen habe, so Drexler. Dies müsse sich nun auch in einer deutlich verbesserten Finanzausstattung für Baden-Württemberg niederschlagen.
Der Brief an Herrn Verkehrsminister Dr. Manfred Stolpe hat folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Minister,
angesichts der bereits vollzogenen schmerzlichen Einschnitte im Bundeshaushalt, drohender weiterer Einnahmeausfälle in Folge der nächsten Steuerschätzung und der aktuellen Diskussion über die Notwendigkeit eines milliardenschweren Innovationsprogramms möchte ich mit Nachdruck auf die katastrophale Situation bei der Entwicklung der Investitionen des Bundes im Bereich der Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen hinweisen.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Beratungen des Bundesverkehrswegeplanes erlaube ich mir, nachdrücklich an die dort für Baden-Württemberg fixierten Planungsansätze zu erinnern. Demnach sollen für Baden-Württemberg bis zum Jahr 2015 für den Bundesfernstraßenneu- und -ausbau 6,0159 Mrd. € zur Verfügung stehen (mit Planungsreserve). Mehr als 160 Autobahnabschnitte, Ortsumfahrungen und Bundesstraßenausbauten stehen dafür im so genannten vordringlichen Bedarf. Bei der Schiene wurde uns eine Länderquote von etwa 13 Prozent sowie ein Volumen von fast 9 Mrd. € in Aussicht gestellt. Wir haben diese ausgesprochen hoffnungsvollen Planungsansätze der Bundesregierung und ihres Ministeriums ausführlich und sehr öffentlichkeitswirksam als sozialdemokratischen Erfolg in Bund und Land dargestellt. Insbesondere stellten wir die Erhöhung der Länderquote für Baden-Württemberg heraus und konnten mit der Berücksichtigung unseres Bundeslandes bei zukünftigen Straßenbaumaßnahmen mit 16,4 % (gegenüber bisher 11,6 %) die Überwindung des verkehrspolitischen Stillstands verkünden. Dies hätte bedeutet, dass Baden-Württemberg zukünftig jährlich „netto“ über 330 Mio. € für den Bundesfernstraßenbau zur Verfügung stehen.
Die Realität sieht nun aber leider anders aus: Wir müssen vernehmen, dass im Bereich der Schieneninfrastruktur in unserem Land zwischen 2004 und 2008 lediglich knapp 142 Mio. € für Schienenprojekte des Bedarfsplans vorgesehen sind, im Jahresdurchschnitt also lediglich 28 Mio. €. Dabei erfordert allein der viergleisige Aus- und Neubau der Rheintalstrecke im Zeitraum bis 2012 Investitionen von über 2,8 Mrd. €. Wenn bis 2008 aber bei diesem Projekt tatsächlich nur Maßnahmen im Umfang von fünf Prozent verbaut würden, sind wir auch nicht mehr in der Lage, politisch glaubwürdig zu behaupten, in der zweiten Hälfte bis 2012 würden dann schon die restlichen 95 Prozent der fehlenden Mittel zur Verfügung gestellt.
Beim Straßenbau müssen wir leider die gleiche Diskrepanz zwischen Ankündigung und Wirklichkeit feststellen: Statt der bereits erwähnten 300 Mio. € stehen uns 2004 nur 234,4 Mio. € zur Verfügung, für 2005 sind 141,2 Mio. €, 2006 90,4 Mio. € sowie für 2007 nur 120,9 Mio. € vorgesehen.
Da die bisherigen Sparauflagen der Bundeshaushaltsplanung insbesondere den Investitionsbereich Ihres Ministeriums extrem belastet haben und die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses zum Subventionsabbau sowie zur Steuerentlastung weitere Einschnitte mit sich bringen, droht bei der Verkehrswegeplanung als Bereich der infrastrukturellen Daseinsvorsorge bei uns in Baden-Württemberg der absolute Stillstand. Und dies vor dem Hintergrund, dass Baden-Württemberg bei den Verkehrsinvestitionen des Bundes unbestritten Nachholbedarf hat, dem ja durch die bereits erwähnten Planansätze des BVWP auch durch Ihr Haus ausdrücklich Rechnung getragen wurde.
Baden-Württemberg und der weitere Ausbau seiner Verkehrsinfrastruktur sind für den Bund in zweierlei Hinsicht von eminenter Bedeutung. Erstens trägt Baden-Württemberg im nationalen und internationalen Rahmen erhebliche Transitverkehrsanteile, zweitens ist die baden-württembergische Wirtschaft mit ihrer herausragenden Exportorientierung auf gute Verkehrsanbindungen angewiesen und darf nicht im Stau stecken bleiben. Letzteres, die Wirtschaftskraft des Südwestens, kommt wiederum über den Länderfinanzausgleich auch maßgeblich anderen Bundesländern zu Gute. Bei der anstehenden Umsetzung des BVWP müssen deshalb – unabhängig von bestehenden Länderquoten – die tatsächlichen Verkehrsbelastungszahlen als maßgebliche Priorität angelegt werden. Aus diesem Grund ist eine deutlich verbesserte Finanzausstattung für unseren Planungsansatz unumgänglich.
Mit der Bitte, mich über entsprechende Überlegungen und Fortentwicklungen zu unterrichten, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Drexler“