Andreas Stoch: „Kernstück des SPD-Gesetzentwurfes ist, dass „Corona-Maßnahmen“, die wesentlich in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen, in einem Gesetz und nicht wie bislang in einer Rechtsverordnung geregelt werden“

Die SPD-Landtagsfraktion hat in den Pfingstferien einen Gesetzentwurf zur Beteiligung des Landtags bei Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erarbeitet und verabschiedet. „Kernstück des SPD-Gesetzentwurfes ist, dass „Corona-Maßnahmen“, die wesentlich in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen, in einem Gesetz und nicht wie bislang in einer Rechtsverordnung geregelt werden“, so der Vorsitzende der SPD-Fraktion Andreas Stoch.

Stoch begründete die Initiative seiner Fraktion in erster Linie mit der nach der vom Bundesverfassungsgericht aus dem Vorbehalt des Gesetzes entwickelten Wesentlichkeitstheorie. Danach verpflichten Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. „Auch die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU haben eine stärkere Beteiligung des Parlaments gefordert, sind eine entsprechende Gesetzesinitiative aber bislang schuldig geblieben“, so Stoch.

Zwar habe der Bundesgesetzgeber die Landesregierungen in § 32 Satz 1 des IfSG ermächtigt, Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG per Rechtsverordnung zu erlassen. Der Landesgesetzgeber kann jedoch nach Artikel 80 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) von dieser Möglichkeit auch durch Gesetz Gebrauch machen. Hier sieht die SPD auch den wesentlichen Vorteil ihres Entwurfs gegenüber dem kürzlich in den Landtag eingebrachten Gesetzentwurf der FDP/DVP-Fraktion. Im FDP-Entwurf wird die Möglichkeit des Artikel 80 Abs. 4 GG lediglich dazu genutzt, die Landesregierung wiederum und ausschließlich zum Erlass von Rechtsverordnungen zu ermächtigen. „Die FDP verlangt zwar eine Zustimmung des Landtags zu den Rechtsverordnungen der Landesregierung, dieser Vorbehalt erfüllt aber weder die Anforderungen an die Wesentlichkeitstheorie noch wird damit dem Sinn und Zweck von Artikel 80 Absatz 4 GG, der Stärkung der Länderparlamente, tatsächlich entsprochen“, ergänzte der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Demgegenüber sieht der SPD-Gesetzentwurf ein gestuftes Verfahren vor. Die Maßnahmen, die wesentlich in Grundrechte eingreifen, werden grundsätzlich in einem Gesetz beschlossen. Alle Maßnahmen, die unter diese Wesentlichkeitsschwelle fallen, werden weiterhin durch die Landesregierung per Rechtsverordnung geregelt. Dem Landtag wird hinsichtlich der Frage, ob mit dem Erlass, der Änderung oder Aufhebung der von der Landesregierung vorgelegten Rechtsverordnung nach § 32 Satz 1 IfSG wesentlich in Grundrechte eingegriffen wird, ein Prüfungs- und Entscheidungsrecht eingeräumt, das auch zur abschließenden Erledigung auf den Ständigen Ausschuss übertragen werden kann. In Eilfällen, d.h. wenn die epidemische Lage eine vorherige Befassung des Landtags unmöglich macht, ist die erlassene Rechtsverordnung zur nachträglichen Prüfung, ob wesentlich in Grundrechte eingegriffen wird, vorzulegen.

Dr. Boris Weirauch: „Wir verlangen von der Landesregierung, dass sie notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Epidemie besser begründet und nachvollziehbarer macht“

Darüber hinaus sollen die von der SPD vorgeschlagenen Regelungen die Landesregierung dazu anhalten, bei entsprechenden Maßnahmen stärker als bisher auf den Grundsatz der Normenklarheit zu achten. „Wir verlangen von der Landesregierung, dass sie notwendige Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz besser begründet und nachvollziehbarer macht“, forderte der rechtspolitische Sprecher Dr. Boris Weirauch. In diesem Zusammenhang wies er auch darauf hin, dass selbst der an den durch die Landesregierung erlassenen Rechtsverordnungen beteiligte CDU-Justizminister Wolf Ende Mai von einem „unübersichtlichen Dickicht an Regelungen“ gesprochen habe, „das Bürgerinnen und Bürger, aber auch viele Fachleute nicht mehr überblicken“. „Es reicht nicht aus, beispielsweise in Talkshows öffentlichkeitswirksam zu fordern, die Maßnahmen besser zu begründen, es dann aber als Verantwortlicher nicht zu tun“, so Weirauch.

Darüber hinaus ist die SPD davon überzeugt, die vorgeschlagene Beteiligung des Landtags und das gestufte Verfahren innerhalb der bereits bestehenden und gut funktionierenden Strukturen des Landtags ordnungsgemäß zu bewerkstelligen. „Der Ständige Ausschuss ist für uns das richtige Gremium des Landtags, das die Prüfung, ob wesentlich in Grundrechte eingegriffen wird, übernehmen kann“, so Weirauch

Stuttgart, 19. Juni 2020

Achim Winckler
Stellvertretender Pressesprecher

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Simone Geßmann
Beraterin für Recht, Verfassung, Medienpolitik