Ute Vogt: „Die JF hat eine Scharnierfunktion zwischen Rechtsextremismus und konservativem Spektrum“

MdL Stephan Braun: „Das Land muss die politische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Inhalten der Jungen Freiheit vorantreiben“

Die SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Ute Vogt hat eindringlich vor der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit gewarnt. Die Zeitung bleibe gefährlich, auch wenn sie nicht mehr im Verfassungsschutzbericht des Landes aufgeführt werde, sagte die SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Ute Vogt bei einer Anhörung ihrer Fraktion. „Unter dem Deckmantel des Konservatismus nimmt die JF eine Scharnierfunktion zwischen Rechtsextremismus und konservativem Spektrum ein“, so Vogt.

Die Junge Freiheit gilt als das zentrale Publikationsorgan der Neuen Rechten, der einflussreichsten rechten Strömung der vergangenen 30 Jahre. Sie bezieht sich auf die konservative Revolution der Weimarer Republik, die die freiheitliche Demokratie untergrub und dem Nationalsozialismus als Stichwortgeber diente.

Bis einschließlich 2003 war die Junge Freiheit in Nordrhein-Westfalen, bis 2004 im baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht aufgeführt worden. Dagegen hatte die JF vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich geklagt. Seitdem ist ihre Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht juristisch erschwert, aber das Publikationsorgan unterliegt weiterhin der Beobachtung durch den Landesverfassungsschutz.

Stephan Braun, Sprecher der SPD-Fraktion für Verfassungsschutz und Fragen des Extremismus, mahnte eine stärkere Auseinandersetzung mit den Inhalten der neurechten Zeitung und dem darin verbreiteten Gedankengut an. Braun: „Das Land ist in der Pflicht, dafür eine Plattform zu bieten und Impulse zu setzen.“ Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei die Junge Freiheit zwar juristisch schwieriger greifbar. Gerade in Zeiten wachsenden Rechtsextremismus müsse diese Herausforderung nun aber von Politik, Wissenschaft und gesellschaftlichen Kräften offensiv angenommen werden, so der SPD-Extremismusexperte.

Bei der Anhörung im Landtag berichteten sieben Referenten aus Wissenschaft und Bildungsarbeit über ihre Erkenntnisse zur Jungen Freiheit

Experten vom Verfassungsschutz Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen berichteten darüber, warum beide Länder die Junge Freiheit in ihren Verfassungsschutzberichten bis 2004 bzw. 2003 aufgeführt hatten.

Der Hamburger Politikwissenschaftler, Prof. Wolfgang Gessenharter, von der Helmut-Schmidt-Universität, Hochschule der Bundeswehr, hob hervor, wie sehr die Junge Freiheit vom Denken Carl Schmitts beeinflusst sei, dem „wirkmächtigsten intellektuellen Zerstörer der Weimarer Republik und Steigbügelhalter der Nazis bei der Machtergreifung“.

Dabei sei festzuhalten, dass die stilbildenden Autoren der JF sehr genau wüssten, dass Carl Schmitts Denken und die klaren Intentionen des Grundgesetzes “wie Feuer und Wasser“ zueinander verhielten. Auch nach 1945 habe Schmitt die Bundesrepublik und das Grundgesetz mit „ätzendem Spott“ überzogen, die Grundrechte als „unveräußerliche Eselsrechte“ diffamiert.

Michael Pechel, Historiker und Extremismusexperte vom Onlineportal internetgegenrechts.de, setzte sich in seinem Referat mit dem Geschichtsverständnis der Jungen Freiheit auseinander. Die Zeitung fordere einen unhinterfragbaren nationalen Mythos nach dem Modell von deutschen Heldensagen ein. Kritische Auseinandersetzung und historisches Verstehen würden ersetzt durch staunende Verklärung, so Pechel.

„In ihrer Geschichtspolitik bietet die Wochenzeitung Junge Freiheit eine Grauzone zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus, die nach beiden Seiten hin offen ist“, so Pechel.

Helmut Kellershohn vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) schilderte Konturen des völkischen Nationalismus in der Junge Freiheit. Um ihre Anschlussfähigkeit nach allen Seiten, insbesondere in den konservativen und nationalliberalen Bereich, zu ermöglichen, habe sich die Junge Freiheit zu einem Blatt mit reduziertem Weltanschauungsangebot entwickelt. Die zentrale Klammer sei nun der „nationale Imperativ“, der alle politischen und kulturellen Fragestellungen in das Licht der nationalen Frage tauche. Danach sein „Deutschsein“ nicht eine Gemeinsamkeit, die ein Merkmal neben anderen Merkmalen einer Person darstelle, sondern bestimme deren Identität wesentlich. Erst durch dieses völkische „Wir“ kristallisiere sich ein unverwechselbarer deutscher Lebensentwurf heraus, ein „Wir“, das der Forderung der Homogenität und Exklusivität unterliege.

Daraus folge die Abwehr des Multikulturalismus, der sich nach Angaben der Autoren durch Dekadenz, demographische (Fehl-)Entwicklung, kulturelle Verfallserscheinungen, einen Mangel an sozialer Differenz, eine fehlende rituelle Gliederung des Alltags und die Zunahme von Korruption auszeichne. Diese Dekadenz könne nur überwunden werden durch „Traditions-Kompanien“, deren Aufgabe es sei, nicht nur für den „ideologischen Paradigmenwechsel“ in der nationalen Frage zu sorgen, sondern auch deutlich „auf die biologischen Aspekte einer zukünftigen Regeneration des Volkes“ hinzuweisen.

Albert Scherr, Professor für Soziologie und Jugendarbeit an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, sieht die Junge Freiheit als „Bestandteil und Element der Tendenz zur Konturierung einer intellektuellen neuen Rechten, deren deklariertes Ziel es ist, eine Verschiebung des politischen Meinungsspektrums“ nach rechts zu erreichen. Der Freiburger Professor sieht in der Wochenzeitung eine ernstzunehmende Herausforderung für die politische Bildung. Schon deshalb, weil sie sich als Forum und Resonanzboden der Neuen Rechten gezielt an potenzielle Multiplikatoren richte. Scherr: „Die Gefahr der möglichen Ausbreitung eines intellektuellen Rechtsextremismus für die politische Kultur sollte deshalb nicht unterschätzt werden.“

Scherr mahnt deshalb eine stärkere Auseinandersetzung von Institutionen der Politischen Bildung mit der Jungen Freiheit an. Die Landeszentrale für politische Bildung sowie eine neu zu gründende Beobachtungsstelle Rechtsextremismus wären hierfür geeignet. Ausgestattet mit den erforderlichen Ressourcen könnten ihre Forschungs- und Arbeitsergebnisse als wichtige Informationsgrundlage für Lehrer und Journalisten zur Verfügung stehen.

Der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten Baden-Württemberg e.V. (AGJF) Martin Bachhofer verdeutlichte in seinem Vortrag, dass den verdeckten Strategien der intellektuellen Rechten nur durch eine offene Auseinandersetzung mit ihrem Gedankengut beizukommen sei. Bereits in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit müssten dafür die Grundsteine gelegt werden.

Die Strategien und Inhalte der Neuen Rechten sollten deutlich gekennzeichnet und sowohl argumentativ wie erfahrungsorientiert in ihrer Widersprüchlichkeit und in ihrer Demokratie- und Menschenfeindlichkeit entlarvt werden. „Diese Aufgabe ist mühsam, schwierig und braucht Ressourcen wie auch engagierte Menschen“, so Bachhofer.

Die Jugend- und Bildungsarbeit sei ein wichtiger Baustein in einer Gesamtstrategie gegen Rechtsextremismus und gegen extremistische Orientierungen. Auch die Schulen dürften sich nicht auf ihren formalen Auftrag zurückziehen. Bachhofer: „Notwendig ist eine demokratische Schulkultur, in der Kinder und Jugendliche die Erfahrung machen, dass sie wirksam werden können mit ihren Handlungen, dass Mitbestimmung tatsächlich Veränderungen zur Folge hat.“

Helmut Zorell
Pressesprecher