Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Einführung des Bürgergelds ist die größte Sozialreform seit 20 Jahren: Deutschland lässt Hartz IV endlich hinter sich. Das Bürgergeld bietet soziale Sicherheit und mehr Respekt für Lebensleistung. Das Bürgergeld wird zielgerichtet, unbürokratisch, digital und ohne erhobenen Zeigefinger bei den Menschen ankommen. Der Kulturwandel in unseren Jobcentern, in der Arbeitsvermittlung kommt. Das Sicherheitsversprechen unseres Sozialstaates wird gestärkt, Abstiegsängste reduziert. Das war selten so wichtig wie in diesen Tagen.

Was heißt das konkret?

  • Ersparnisse werden geschützt
  • tatsächliche Wohnkosten werden übernommen
  • Erst nach 24 Monaten werden Vermögen und Angemessenheit der Wohnung überprüft, die Altersvorsorge wird nicht angetastet. Das schützt vor Altersarmut.
  • Die Rechte der Menschen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, werden gestärkt durch die neue kooperative Arbeitsweise der Jobcenter und weitere Entschärfung der Sanktionen.
  • Substanzielle Verbesserungen bei der beruflichen Weiterbildung können neue Perspektiven eröffnen.
  • Die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs eröffnet vielen Menschen neue Chancen, die von der Hartz IV-Bürokratie daran gehindert wurden, einen Abschluss nachzuholen.
  • Die Verbesserungen für die Arbeitssuchenden werden dafür sorgen, dass sie sich auf die Jobsuche konzentrieren können.
  • Die Regelsätze werden um 52 Euro im Monat erhöht – in Zeiten der Inflation ein dringend nötiges Signal.
  • Und wer zwischen 520 und 1.000 Euro verdient, soll künftig mehr von seinem Einkommen behalten können: Die Freibeträge in diesem Bereich werden auf 30 Prozent angehoben.

Das Prinzip Fördern und Fordern wird nicht fallengelassen: Allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz: Das neue Bürgergeld sieht Mitwirkungspflichten vor und auch Sanktionen für diejenigen, die sich verweigern. Aber wer von Beginn an mitwirkt – und das sind die meisten – wird in Zukunft eben nicht mehr mit Sanktionen bedroht. Und wer nicht mitwirken kann, beispielsweise wegen einer psychischen Erkrankung, der muss unterstützt und nicht sanktioniert werden.

In Baden-Württemberg wird das Bürgergeld fast einer halben Million Menschen zugutekommen!

Jetzt trommelt die CDU ja massiv gegen das Bürgergeld. Merz‘ Wording finden wir nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern in diversen Talkshows und offensichtlich auch im Mail-Postfach aller Baden-Württembergischen Abgeordneten, die das mal besser, mal weniger klar wiedergeben können. Jetzt könnte ich Ihnen wirklich leicht parteipolitische Spielchen vorwerfen. Aber wissen Sie was? Ich habe mich entschieden, Ihre Argumente, die wir auch heute wieder hören werden, einfach mal ernst zu nehmen. Denn das sollte eine Debatte im Landtag von Baden-Württemberg doch leisten. Und deshalb habe ich ganz konkrete Fragen an Sie:

Ist es nicht bürgerlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass Menschen ihr Erspartes als Schonvermögen behalten können? Eine Karenzzeit bei der Vermögensanrechnung ist nichts Anderes als die Anerkennung, dass jemand hart gearbeitet und sich etwas erspart hat. Welches Menschenbild liegt eigentlich hinter Ihrer Kritik, eine Vertrauenszeit von sechs Monaten gehe zu weit?

Was sagen Sie eigentlich dazu, dass wir mit dem Bürgergeld den Vermittlungsvorrang abschaffen und die nachhaltige Vermittlung in gute Arbeit ins Zentrum stellen? Wollen Sie wirklich weiterhin vertreten: schnelle Vermittlung in irgendeine Arbeit?

Sie sorgen sich offensichtlich um Menschen, die arbeiten. Das ist erst mal löblich. Unser Sozialstaat ist aber so gestrickt, dass jemand mit Arbeit am Ende finanziell immer besser dasteht als jemand, der allein Transferleistungen bezieht. An diesem Prinzip wird auch das Bürgergeld nichts ändern. Die Freibeträge beim Hinzuverdienst, liebe Kolleginnen und Kollegen, entkräften übrigens auch das zentrale Gegenargument aus der CDU: Denn auch mit dem Bürgergeld wird kein Arbeitsloser bessergestellt als Erwerbstätige. Im Gegenteil: Mit dem Bürgergeldbonus wird allen ein Anreiz gesetzt sich zu qualifizieren und den Weg in den Arbeitsmarkt zu gehen.

Ich frage die CDU stattdessen: Wo waren Sie eigentlich, als wir den Mindestlohn auf 12 Euro erhöht haben? Da hatten Sie ihr Herz für die niedrigen Lohngruppen irgendwie noch nicht so ganz entdeckt. Dabei sind der Mindestlohn und mögliche Tarifsteigerungen die richtigen Instrumente, um Arbeit attraktiv zu machen – nicht aber Ihr Kampf gegen das Bürgergeld!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich will mich nicht allein an der CDU abarbeiten. Denn Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland mit grüner Führung. Und die Bundesregierung hat den Ländern einen zustimmungsfähigen Kompromiss auf den Tisch gelegt. Auf Druck der Länder:

Kommt die Vertrauenszeit erst zustande, wenn ein Kooperationsplan gemeinsam vereinbart wurde.

Werden bereits genutzte Karenzzeiten der Corona-Regelung auf zukünftige Karenzzeiten angerechnet werden.

Muss Vermögen auch in der Karenzzeit aufgelistet werden.

Werden in der Karenzzeit lediglich angemessene Heizkosten übernommen.

Müssen Umzüge in größere und teurere Wohnungen in der Karenzzeit vom Jobcenter genehmigt werden – und werden die Ausnahme bleiben.

Der Bund ist den Ländern also bereits deutlich entgegengekommen. Ich appelliere deshalb an die staatspolitische Verantwortung der Landesregierung, diesem Kompromiss auch zuzustimmen. Herr Kretschmann, sie haben in der Pressekonferenz lapidar erklärt, man sei sich da halt nicht einig. Dann komme das Bürgergeld eben in den Vermittlungsausschuss. Zitat: „Das ist auch ganz normal.“ Nein, Herr Kretschmann, so locker können Sie über ein Reformvorhaben dieser Größenordnung nicht drübergehen. Das einzig grün geführte Bundesland kann sich doch nicht vor den parteipolitischen Karren von Herrn Merz spannen lassen!!!

Wir stehen als Gesellschaft vor großen ökonomischen wie sozialen Herausforderungen. Das Bürgergeld schafft einen Sozialstaat auf der Höhe der Zeit, der all denen hilft, die aufgrund dieser Herausforderungen in Not geraten sind. Diese Reform ist eine Frage der gesamtgesellschaftlichen Solidarität!

Nun hat es der Bundesrat, hat es auch diese Landesregierung in der Hand, sich ihrer Verantwortung zu stellen. Es liegt damit jetzt an Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob es zum 1. Januar zur dringend erforderlichen Anhebung der Regelsätze kommt. Ich fordere Sie auf: nehmen Sie diese Verantwortung wahr!

Es gilt das gesprochene Wort.