MdL Nils Schmid: „Die Vorgehensweise der Landesregierung ist eine bewusste Missachtung der Landeshaushaltsordnung“

Auch Rechnungshof und Landtagsverwaltung sehen Verstoß gegen Haushaltsordnung

„Als skandalösen Vorgang“ kritisiert die SPD-Landtagsfraktion die Entscheidung der Landesregierung, am Parlament vorbei 65 Mio. Euro als “außerplanmäßige Ausgaben“ einem privaten Bewährungshilfeverein zukommen zu lassen. Nach den Worten von Nils Schmid, Finanzexperte und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion, gibt es für ein solches Vorgehen keinerlei Rechtsgrundlage. Außerplanmäßige Ausgaben dürften nach der Landeshaushaltsordnung „nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses“ genehmigt werden (§ 37 LHO). Die Ausgaben für den privaten Bewährungshilfeverein „Neustart“ seien aber weder unvorhergesehen noch unabweisbar, so Schmid. Diese Rechtsauffassung des SPD-Finanzexperten wurde im Finanzausschuss heute auch vom Rechnungshof und der Landtagsverwaltung gestützt. Trotzdem hätten CDU und FDP den Antrag der SPD, das rechtswidrige Verhalten der Landesregierung zu missbilligen, abgelehnt.

Auch der Vorsitzende des Finanzausschusses hat nach den Angaben Schmids ausdrücklich festgestellt, dass der Landtag diese Ausgaben zeitlich und organisatorisch über eine ordentliche Nachtragsberatung hätte behandeln können. Im Übrigen, so Schmid, habe das Justizministerium den behaupteten Zeitdruck selbst herbeigeführt, weil in der Ausschreibung für die Übertragung der Aufgaben der Bewährungshilfe der 1. Januar 2007 festgesetzt worden sei.

Schmid: „Man kann nicht selber Zeitdruck herstellen, um dann mit eben dieser Begründung eine unzulässige überplanmäßige Ausgabe am Parlament vorbei zu begründen.“

Schmid wertet die Hast der Landesregierung bei der Übertragung der Bewährungs- und Gerichtshilfe an einen freien Träger als völlig unangemessen. Die Landesregierung habe dazu ein Pilotprojekt eingerichtet, weigere sich aber, die Evaluierung dieses Projektes abzuwarten und in die Entscheidungsfindung einzubringen. Stattdessen werde mit einem Schnellschuss gegen alle parlamentarischen Gepflogenheiten und entgegen dem Haushaltsrecht ein Vertrag mit einer 10-jährigen Dauer und einer Gesamtsumme von 65 Mio. Euro durchgeboxt.

Dem Landtag seien auch die vertraglichen Grundlagen der Übertragung vorenthalten worden, kritisiert Schmid. Deshalb sei völlig unklar, ob und welche Ausstiegsklauseln vorgesehen seien.

Diese Vorgehensweise der Landesregierung sei eine Missachtung des gesamten Parlaments, so Schmid, da es hier um das Selbstverständnis des Landtags gegenüber der Regierung gehe. Umso schlimmer sei, dass die Vertreter von CDU und FDP im Finanzausschuss parlamentarische Rechte in einem wichtigen Präzedenzfall freiwillig preisgegeben und sich so zum willfährigen Erfüllungsgehilfen antiparlamentarischer und rechtlich unzulässiger Praktiken der Landesregierung gemacht hätten.

Helmut Zorell
Pressesprecher