Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

was Sie jetzt von mir hören werden, sage ich auch nicht oft, aber am heutigen Tag fehlt Robert Habeck in diesem Haus.

Ich habe vor einigen Wochen schon einmal über das unterkomplexe Klischee von der berühmten schwäbischen Hausfrau gesprochen, die angeblich immer nur so viel Geld ausgibt, wie sie noch im Sparstrümpfle hat. Und obwohl Robert Habeck völlig unverdächtig ist, ein Schwabe zu sein, hat er erklärt: Das ist Unsinn, gerade eine vernünftige schwäbische Hausfrau wird auch investieren, wenn es sein muss.

Und eine Politik, die im Namen der schwäbischen Hausfrau den Staat verkommen lassen will, hat gar nichts begriffen.

Das sehe ich auch so, und das habe ich in diesem Jahr auch schon an dieser Stelle gesagt. Wer in der Not nicht investiert, ist nicht schwäbisch, sondern dumm.

Dies an die Adresse all derer, die unsere Haltung zu diesem Nachtragshaushalt auf ein schieres „die Opposition ist gegen Corona-Hilfen“ verdummen wollen. Das ist vollkommen falsch, aber ich habe wenig Hoffnung, dass man das verstehen will. Zumindest, solange Robert Habeck es noch nicht wiederholt hat. Deswegen fehlt er heute in diesem Haus. Aber damit müssen wir jetzt alle leben. Vergessen wir aber die schwäbische Hausfrau nicht, und zwar die echte Hausfrau und nicht das Klischee.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, eines ist klar: Ja, die schwäbisch Hausfrau wird investieren, wenn es nötig ist, und wenn es gar nicht anders geht, wird sie auch Geld aufnehmen, ehe sie ihr Haus verkommen lässt. Aber bevor sie Geld aufnimmt, wird sie einen Kassensturz machen. Und sie wird nach allen möglichen Sparstrümpfen suchen. Und wenn es zum Dach hereinregnet, wird das Geld für das Dach ausgegeben und nicht für eine neue Wohnzimmertapete.

Und damit sind wir schon beim Problem dieses Nachtragshaushalts, und das ist ein ganz grundsätzliches Problem: Erneut beruft sich die Landesregierung auf die Pandemie, auf den Katastrophenfall, erneut nimmt sie Milliarden an Krediten auf. Doch ein Corona-Nachtrag ist das nicht. Und von einem Kassensturz fehlt jede Spur.

Denn diese Landesregierung verschuldet sich mit vollen Sparstrümpfen! Allein eine Milliarde aus dem praktisch völlig ungenutzten Beteiligungsfonds wird dem Land ab Oktober zur Verfügung stehen, und die Stuttgarter Zeitung schrieb zu Recht, schon dieser Betrag führe die Neuverschuldung ad absurdum. Dabei gibt es noch weit stattlichere Reserven, Milliarden an Haushaltsüberschüssen und Milliarden an Ausgabenresten, und das sagt nicht nur die SPD, das sagt auch der Rechnungshof, das sagen eigentlich alle, die rechnen können und rechnen wollen.

Die Landesregierung aber nimmt Geld auf, ziemlich pauschal und ohne eine enge Zweckbindung an die Pandemie und ihre Folgen. Da findet man Mittel für den Breitbandausbau, da findet man natürlich Mittel für die vielen neuen Posten in der Regierung.

Da findet man sogar Mittel für ein Pilotprojekt Obstbau, dessen Bedeutung im Kampf gegen Corona wahrscheinlich einfach noch nicht ausreichend untersucht wurde. All das, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf womöglich gerne in einem Haushalt stehen, aber nicht in einem Nachtragshaushalt unter der Überschrift „Pandemie“!

Und da, wo es dann um die Pandemie geht, werden die Positionen dünn und die Summen mickrig. Bei der Verschuldung werfen Sie mit Milliardensummen um sich, aber bei der Hilfe für unsere Schulen sucht man derlei Großzügigkeit vergebens. 30 Euro pro Schülerin und Schüler wollen Sie ausgeben, um die Folgen eines Corona-Schuljahres zu mildern. Und Kommunen, die auch mit Luftfiltern einen Unterricht an den Schulen sichern wollen, bekommen maximal die Hälfte der Kosten erstattet, aber das nur in bestimmten Fällen.

Fair wäre eine volle Entlastung der Kommunen, und dazu braucht es doppelt und dreimal so viel Geld!

Und um nicht immer nur über Schulen zu reden: Wo sind Programme und Konzepte für unsere Vereine, die in der Pandemie sehr leiden mussten? Wo sind die Konsequenzen für unser Gesundheitswesen, die im vergangenen Jahr so oft und laut beschworen wurden?

Ganz einfach gefragt: Wohin gehen all die Milliarden, die diese Landesregierung angeblich wegen Corona aufnehmen will?

Davon liest man im Nachtragshaushalt wenig, aber was Sie mit einem Löwenanteil des Geldes wirklich vorhaben, hat man zumindest schon gehört, aus erster Hand, von Ihnen selbst.

Denn 2022 wollen Sie gar keine Schulden machen. Das wissen Sie jetzt schon, obwohl Corona noch nicht vorbei ist. Obwohl Ihre eigene Finanzplanung Lücken von über drei Milliarden Euro voraussagt.

Wie das gehen soll? Man hat den Eindruck, die Schulden die Sie im kommenden Jahr nicht machen wollen, machen Sie einfach jetzt schon, denn jetzt können Sie ihrer Haushaltspolitik noch das Deckmäntelchen der Pandemiehilfe überwerfen. In der Hoffnung, dass niemand den faulen Trick durchschaut. Nicht die Bevölkerung, nicht der Rechnungshof, nicht die SPD, die ja immer nach mehr Tatkraft des Landes ruft.

Und wenn wir gerade beim Ruf sind, ich zitiere noch einmal die Stuttgarter Zeitung: „Dieses Gebaren“, steht dort, „erfüllt den Tatbestand der missbräuchlichen Aktivierung einer Notregel der Schuldenbremse“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Trick mit dem Deckmäntelchen ist der Landesregierung erkennbar nicht gelungen. Es ist zu deutlich, dass es hier kaum um Coronafolgen geht, sondern darum, sich finanzielle Spielräume zu schaffen, sich Speck anzufuttern, damit man bei der für 2022 angekündigten Diät nicht wirklich auf die eigenen Leibspeisen verzichten muss. So handeln Eichhörnchen, aber keine schwäbischen Hausfrauen!

Und wenn Sie diesen verheerenden Eindruck korrigieren wollen, dann bleibt Ihnen nur eines: Liefern Sie eine genaue Auflistung Ihrer Maßnahmen gegen Corona und die Folgen, und listen Sie genau auf, wieviel Geld Sie für was benötigen. Listen Sie auch genau auf, wieviel Geld Sie noch in den Kassen haben.

Begründen Sie, warum das Land weitere Kredite aufnehmen muss, um in diesem Jahr die Pandemie und ihre schädlichen Folgen zu bekämpfen. Und geben Sie an, welche Aufwendungen unmittelbar und welche mittelbar notwendig sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Landesregierung geht bei den Schulden in die Vollen, macht gegen die Pandemie aber nur die halbe Arbeit. Die Milliardenkredite dienen größtenteils nicht der Coronahilfe, sondern der Bequemlichkeit der grün-schwarzen Landesregierung. Ganz offen sagt der Ministerpräsident gestern vor der Landespresse, man wolle ja einfach nur Vorsorge treffen für alle Fälle, vielleicht mache man ja all die Schulden nicht. Da fehlen mir die Worte. Es heißt NACHTRAGSHAUSHALT, nicht VORTRAGSHAUSHALT!

Wir fordern diese Landesregierung auf: Setzen Sie endlich das um, was zur Bewältigung der Corona-Krise dringend notwendig ist.

Dieses Land braucht einen Schutzschirm für seine Schülerinnen und Schüler. Finanzieren Sie die Maßnahmen, die an den Schulen zu Beginn des neuen Schuljahres endlich für Entlastung sorgen und eine Konzentration auf Unterricht ermöglichen.

Wir fordern eine Einstellungsoffensive für Pädagogische Assistentinnen und Assistenten mit ein bis zwei Stellen pro Schule.

Wir fordern ein Landesnachhilfeprogramm.

Und wir fordern Luftreinigungsgeräte in allen 67.000 Klassenzimmern in Baden-Württemberg.

Jawohl! Nehmen Sie sich ein Beispiel an Bayern. Markus Söder hat angekündigt: „Im Herbst soll es in jedem Klassenzimmer und den Kitas mobile Luftfilter geben.“ Etwa 60.000 Klassenzimmer und 52.000 Kita-Räume sollen bis nach den Sommerferien in Bayern ausgestattet werden. Warum ist diese Landesregierung dazu nicht in der Lage?

Ist es Ihnen nicht peinlich, Herr Ministerpräsident, den Schülerinnen und Schülern in diesem Land Luftreinigungsgeräte zu verwehren, während Sie sich selbst Ihr eigenes Staatsministerium großzügig damit ausstatten lassen. Das ist wahrlich bürgernahe Politik.

Die SPD lehnt diesen Nachtragshaushalt ab. Ihre Pläne sind methodisch falsch, sie sind nicht begründet, und es fehlt jeder Beweis, dass die Kassenlage sie nötig macht.

Sie wollen keine Pandemiehilfen finanzieren, sondern einen Blankoscheck für Winfried Kretschmanns letztes Kabinett.

So geht es nicht!