Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Am Montagabend haben sich rund 2000 Menschen in Mannheim versammelt, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Ohne Masken und ohne Abstand zogen sie durch die Stadt, widersetzten sich Platzverweisen und es kam zu Ausschreitungen. Insgesamt wurden sechs Polizisten verletzt. Am Samstag war es auch bei Demonstrationen mit 1.500 Teilnehmenden gegen die Corona-Maßnahmen in Reutlingen zu Ausschreitungen und verletzten Polizisten gekommen. Es wurden vier Strafverfahren wegen tätlichen Angriffs auf Beamte, Beleidigung und versuchter Körperverletzung eingeleitet und 100 Platzverweise ausgesprochen.

Insgesamt nehmen die Demonstrationen gegen die Corona-Politik in Deutschland zu, auch in Baden-Württemberg. Am vergangenen Wochenende kam es zu 22 Versammlungen mit Bezug zu Corona, die Polizei ist extrem gefordert und mit vielen Kräften im Einsatz.

Wir verurteilen die Ausschreitungen aufs Schärfste. Wer sich nicht an Auflagen und Regeln hält, wer Gewalt anwendet und beleidigt, der kann sich nicht auf das Versammlungsrecht berufen. Wer sich nicht an demokratische Spielregeln hält, dem geht es nicht um eine Meinungsäußerung. Wer Gewalt dem Austausch von Argumenten vorzieht, der hat das demokratische Spielfeld verlassen und sich damit selbst ins Abseits geschossen. Dann zieht der Rechtsstaat die rote Karte und damit alle Register, die ihm rechtlich zur Verfügung stehen.

„Die Szene radikalisiert sich“ ist nun vielfach zu lesen und zu hören. Aber diese Entwicklung hat sich lange abgezeichnet. Von Beginn an fehlte eine ausdrückliche Distanzierung zu rechten Mitdemonstrierenden. Vermeintlich bürgerliche Demonstrierende haben von Beginn an kein Problem damit gehabt mit Rechtsextremisten auf den Straßen unseres Landes zu demonstrieren. Corona-Leugner, Querdenker, Reichsbürger und Rechtsextremisten sind einträchtig Seit an Seit auf den Straßen unseres Landes unterwegs. Wir sind hier in Baden-Württemberg von der Querdenken-Szene ganz besonders betroffen. Schon bei Demonstrationen im April 2021 kam es in Stuttgart zu Angriffen auf Journalisten und Gewalt gegen die Polizei. Diese Entwicklung ist äußerst besorgniserregend und eine Herausforderung, die uns als gesamte Gesellschaft fordert. Wir dürfen nicht wegschauen, es nicht zulassen, dass es normal wird mit Rechtsextremen zu demonstrieren.

Wissenschaftler stellen fest, dass bürgerliche Demonstrierende zunehmend empfänglicher für rechte Parolen werden und der Diskurs über die Corona-Maßnahmen an die Ränder des politischen Spektrums verdrängt wird. Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretiker instrumentalisieren die Corona-Pandemie für die Verbreitung rechten Gedankenguts und Staatsfeindlichkeit, manche Gruppen hoffen auf den Umsturz des „bestehenden Systems“. Zum Beispiel rechte Gruppen wie „Nordkreuz“, die sich auf den Tag X vorbereiten: den Tag des Staatszusammenbruchs und die dann ihre Zeit für Massentötungen von politischen Gegner nutzen wollen.

Trauriger Höhepunkt war der Fackelaufzug vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin unter Beteiligung von Rechten und die Morddrohungen gegen den sächsischen Ministerpräsidenten.

Auch davor gab es schon viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die ihr Amt aufgegeben haben, weil sie Angst vor Hass und Hetze haben, gegen sich selbst und ihre Familien.

Im Coronajahr 2020 ist die Zahl rechtsextremer Straf-und Gewalttaten in Deutschland um 8,5 Prozent gestiegen. Dies zeigt: Es bleibt zentrale Aufgabe, Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus, Rassismus und Antisemitismus entschieden zu bekämpfen. Wehret den Anfängen ist in diesen Zeiten wichtiger denn je.

Vor wenigen Wochen erschütterten die Vorwürfe gegen den Inspekteur der Polizei die gesamte Polizei in Baden-Württemberg. Wir warten nun auf die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft. Unabhängig davon, steht aber eines schon fest: Zwischen der Führung der Polizei in Baden-Württemberg

und der Basis gibt es handfeste Probleme. Anders ist es nicht zu erklären, wie es zu einer derart hohen Anzahl von „Durchstechereien“ kommen kann und man jeden Tag andere Details in der Zeitung lesen kann. Das betrifft nicht nur die Vorfälle um den Inspekteur der Polizei. Sondern auch die Probleme rund um die Besetzung der Führungsebene des SEK oder Mauscheleien bei der Besetzung von Führungspositionen der Polizei, bei denen womöglich auch der Inspekteur mitgemischt hat. Nicht zuletzt auch die Vorwürfe gegen den heutigen Staatssekretär im Justizministerium, der wohl auch aufgrund der öffentlichen Berichterstattung nicht wie gewünscht Staatssekretär im Innenministerium wurde.

Der Innenminister hat die Aufgabe (gemeinsam mit der Landespolizeipräsidentin) den Laden aufzuräumen und dafür zu sorgen, dass die Führung der Polizei respektiert wird und die öffentliche Austragung von Konflikten in der Presse ein Ende nimmt. Respekt aber kann man nicht von oben verordnen, die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Land müssen auch daran glauben, dass die Polizeiführung ihren Respekt verdient hat und ihr vertrauen. Das scheint nicht der Fall zu sein. Und es darf bezweifelt werden, dass exklusive Sektrunden am Freitagabend dazu beitragen, dass es besser wird.

Wir unterstützen es, dass die Einstellungen bei der Polizei auf hohem Niveau fortgeführt werden. Denn trotz der Einstellungsoffensive des Innenministers liegen wir bei der Polizeidichte im Bundesvergleich weiterhin ganz weit hinten.

Der Innenminister hat die Aufgabe nicht nur für ausreichend Personal zu sorgen, sondern auch dafür, dass das Stellengefüge stimmt.

Hier hat der Rechnungshof schon 2018 festgestellt, dass es zu wenig Stellen im gehobenen Dienst gibt und das obwohl die überwiegende Mehrheit der Anwärterinnen und Anwärter im mittleren Dienst (85 %, Zahl aus 2018) die formalen Voraussetzungen (Abitur, vergleichbarer Schulabschluss) für den gehobenen Dienst erfüllt. Dieses Problem ist noch nicht angegangen worden ebenso wenig wie die Erhöhung der Zulage für den lageorientierten Dienst der Polizei. Wir fordern weiterhin, dass die längst überfällige Erhöhung der Zulage für Dienste am Wochenenden und an Feiertagen endlich auf mindestens 5 Euro die Stunde erhöht wird. Obwohl der Innenminister dies sogar schon zugesagt hatte, ist bislang nichts passiert. Respekt vor der Arbeit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten drückt sich aber auch in der Bezahlung aus.

Der Innenminister wird völlig zu Recht nicht müde zu erklären, dass die Cybersicherheit eine unserer größten Herausforderungen ist. Zuletzt erklärte er im Rahmen der IMK in Stuttgart:

„Die Cyberkriminalität und die Cybersicherheit sind zwei der großen Herausforderungen dieses Jahrzehnts. Wir müssen alles dafür tun, um unsere Systeme, unsere IT, unsere kritischen Infrastrukturen bestmöglich gegen Cyberangriffe zu schützen. In einer zunehmend vernetzten Welt wird vieles einfacher. Wir machen uns damit aber auch verwundbarer.“

Die Verwundbarkeit haben wir in Baden-Württemberg auch schon erlebt. Insbesondere seit Beginn der Pandemie gibt es nahezu wöchentliche Angriffe auf Unternehmen, vorher wurde zum Beispiel im badischen Landesteil nur ein Angriff pro Quartal beobachtet. Nicht nur Unternehmen sind betroffen, sondern auch Behörden des Landes, Landesbetriebe und die Kommunen.

  • Im Oktober 2021 wurde der Autozulieferer Eberspächer Angriff eines Cyberangriffs mit der Folge von Kurzarbeit, da die gesamte IT lahmgelegt wurde
  • Im August 2021 gab es einen Angriff auf den baden-württembergischen Sparkassenverbund
  • Im März 2019 gab es einen Angriff auf das Staatstheater in Stuttgart mit der Folge, dass die E-Mail-Kommunikation und das Online-Kartensystem für fünf Tage gestört war

Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Die Gefahr von Cyberangriffen ist also so hoch wie nie, aber es läuft absolut nicht rund bei der Cybersicherheit in Baden-Württemberg.

Die Cyberwehr seit 2017 die Feuerwehr des 21. Jahrhunderts, erreichbar an sieben Tage in der Woche, 24 Stunden am Tag war am Ende des Tages nur ein Forschungsprojektprojekt und wird nun wieder eingestampft.

Dafür gibt’s ja nun die Cybersicherheitsagentur, bislang aber vor allem auf dem Papier. Denn obwohl der Landtag schon in den Beratungen zum Doppelhaushalt 2019/2020 insgesamt 83 Stellen bewilligte, sind zwei Jahre später nur 46 der 83 Stellen besetzt. Obwohl von Beginn an klar war, dass der Markt für IT Experten leergefegt ist und sich das Land etwas einfallen lassen sollte, um mit der Konkurrenz aus der Wirtschaft mithalten zu können, unternahm die Landesregierung nichts. Um nun festzustellen, dass die Situation suboptimal sei. Wenn man sich nun die Haushaltsanträge der Regierungsfraktionen anschaut, weiß man wohin die Reise gehen soll: weil es dem Land nicht gelingt qualifiziertes Personal für die Cybersicherheitsagentur zu finden, wird nun der Topf für die berufliche Weiterqualifizierung aufgestockt. Die eingestellten Beschäftigten müssen dann erst einmal weiterqualifiziert werden, um ihre Tätigkeit in der eigens neu geschafften Landesbehörde wahrnehmen zu können. Das ist natürlich auch eine Strategie: runter bei den Einstellungsvoraussetzungen, hoch mit den Geldern für die Weiterbildung. Ob die Strategie aufgeht, werden wir bald sehen.

Wenn wir durch Baden-Württemberg fahren merken wir alle, dass wir noch immer ganz schön oft nicht erreichbar sind. Funklöcher insbesondere im ländlichen Raum müssen dauerhaft geschlossen werden. Wenn private Anbieter dies nicht hinbekommen, muss das Land sich selbst kümmern, Geld in die Hand nehmen und eine eigenständige, staatliche Mobilfunk-Infrastruktur aufbauen. Das Land muss prüfen, wo Mobilfunkmasten aufgestellt werden können, welche Landesliegenschaften geeignet sind und sich auch um die Umsetzung kümmern.

Nach den Unwettern und Hochwasserkatastrophen im Sommer dieses Jahres war der Aufschrei groß. Es müsse mehr in den Bevölkerungsschutz investiert werden, dieser müsse stärker auf Starkregen und Unwettergefahren ausgerichtet werden und insgesamt zukunftsfest aufgestellt werden. Im Haushalt finden wir nun 5 zusätzliche Stellen für die Stärkung des Krisenmanagements und Bevölkerungsschutzes, die im Ministerium angesiedelt sind. Völlig unklar bleibt aber, auch nach den Beratungen im Finanzausschuss, was mit diesen Stellen konkret passiert und um welche Aufgaben sich gekümmert werden soll. Der Bevölkerungsschutz aber muss neu aufgestellt werden, denn die Ereignisse in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben uns gezeigt, dass wir klare Führungsstrukturen und einheitliche Kommunikationswege brauchen, dass wir uns auch technisch anders aufstellen müssen, auch weil sich die Art der Katastrophen verändert.

Die Kommunen sind aktuell geforderter denn je. Die Umsetzung der Corona-Maßnahmen kostet weiterhin jede Menge Kraft, Zeit und Nerven. Nicht besser wird es dadurch, dass die Corona-Verordnungen auch weiterhin kurz vor Mitternacht kommen und den Verantwortlichen in den Kommunen viel Arbeit und manchen Ärger bescheren. Beim Aufbau von Impf-und Testkapazitäten, bei der Umsetzung und Kontrolle der Corona-Maßnahmen, bei Demonstrationen von Corona-Leugnern und bei vielem mehr sind die Kommunen gefordert. Die Gefahr ist groß, dass viele andere wichtige Projekte liegen bleiben. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie die Kommunen unterstützt und nicht mit dem von ihr verantworteten Regelungschaos alleine lässt.

Unser herzlicher Dank gilt den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in unserem Land, den Rettungskräften, der Feuerwehr und den Angehörigen der Hilfsorganisationen dafür, dass sie tagtäglich für unsere Sicherheit sorgen. Vielen Dank!

Ebenfalls möchten wir uns bei den Ober-und Bürgermeistern, Landräten, Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sowie bei allen Beschäftigten in den Kommunen bedanken. Wir wissen darum, dass die meisten Probleme direkt vor Ort aufschlagen und gelöst werden müssen. Die Corona-Pandemie hat dies auch nicht einfacher gemacht, sondern ihnen allen viele zusätzliche Aufgaben beschert. Vielen Dank.

Es gilt das gesprochene Wort.

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