Redemanuskript Georg Nelius
Aktuelle Debatte Fraktion GRÜNE: „Der kurze Draht zum Parlament – Petitionen als Baustein einer modernen Verwaltung“

am 16. Oktober 2019

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren,

mit ihrer aktuellen Debatte haben die Grünen dankenswerterweise die Arbeit und Bedeutung des Petitionsausschusses aufgegriffen, eine Arbeit, die das Geschehen im Landtag diskret und kontinuierlich begleitet und es absolut verdient, hin und wieder beleuchtet und gewürdigt zu werden.

Die unvergessene frühere Sozialministerin Brandenburgs, Regine Hildebrand, sagte einmal zu ihrer Motivation, Politik zu gestalten: „Ich interessiere mich nicht für Politik, nur für Menschen und ihre Schicksale.“

Genau darum geht auch die Arbeit des Petitionsausschusses. Hier geht es um Einzelfälle, die im Getriebe des Rechtsstaats und seiner Verwaltung unterzugehen drohen und die der Petitionsausschuss auf die höchste staatliche Ebene, das Parlament, hebt.

In den Medien und öffentlichen Debatten kommt der Petitionsausschuss in der Regel nicht vor, was aber in der Natur seines Auftrags und damit seiner Arbeit liegt. So gesehen kann einem zwischen Bürgern und Verwaltung strittigen Sachverhalt gar nichts Besseres passieren, als diskret im Petitionsausschuss behandelt zu werden.

Ich bin immer wieder beeindruckt von der Sorgfalt und dem Umfang, mit dem Petitionen von der Verwaltung behandelt und in ihren Stellungnahmen gewürdigt werden. Die Tatsache, dass die Mehrzahl der Petitionen zurückgewiesen wird, spricht dabei nicht gegen unseren Rechtsstaat, sondern zeugt in Wirklichkeit von seiner Qualität und Professionalität.

Dennoch zeichnet gerade das Maß der Sorgfalt, mit dem Verwaltung und Parlament das Petitionswesen behandeln, den Rechtsstaat als besonders solide und seinem eigenen Anspruch gemäß aus. Wundert man sich oft über die Tiefe und Detailgenauigkeit, mit der selbst geringfügig erscheinende Anliegen von Petenten durch die Verwaltung und den Ausschuss behandelt werden, so ist es gerade diese Sorgfalt, die ein sehr hohes Maß an Rechtssicherheit und auch Gerechtigkeit vermittelt. Dies ist geeignet, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat zu festigen und wenn das gelingt, dann hat der Petitionsausschuss seine Existenz bereits gerechtfertigt.

Gleichwohl möchte ich kritisch anmerken, dass der Titel unserer Aktuellen Debatte ein wenig an der Sache vorbeigeht. Petitionen sind weniger ein Baustein, als vielmehr eine mögliche und notwendige Kontrolle einer modernen Verwaltung. Petitionen sind Interventionen. Sie sind das, was man an anderer Stelle oft als „cum grano salis“ bezeichnet. Sie unterbrechen nur den allzu geschmeidigen Verwaltungsvollzug, im günstigsten Fall für die Verwaltung ohne ihn grundsätzlich infrage zu stellen. Im günstigsten Fall für den Petenten stoppen sie aber den Verwaltungsvollzug sogar, ohne dass er ordentliche Gerichte in Anspruch nehmen muss.

Deshalb sind Petitionen eher Bausteine einer modernen Demokratie und Ausdruck ihrer ständigen Selbstkontrolle. Die Verwaltung würde grundsätzlich wohl lieber auf das Instrument der Petition verzichten, aber kluge Verfassungsväter haben mancherlei „checks and balances“, wie man in den USA so trefflich sagt, in den Verwaltungsvollzug eingebaut. Nichts ist vollkommen und deshalb braucht auch die beste Verwaltung im Interesse ihrer Bürgerinnen und Bürger ihre Kontrollinstanzen.

Den ersten Teil des Titels der Aktuellen Debatte dagegen möchte ich unterstreichen: Petitionen sind tatsächlich der kurze Draht zum Parlament. Wenn man die oft langwierigen Stufen des Verwaltungsrechtswegs bedenkt – über Widerspruch, Widerspruchsbescheid und anschließend die Gerichte, dann erreicht man mit einer Petition unmittelbar die obersten Landesbehörden und über den berichterstattenden Abgeordneten auch das Parlament in Form des Petitionsausschusses.

Hier war der absolutistische Staat des Barock immerhin soweit ein Vorbild, als sogar der Sonnenkönig Ludwig der Vierzehnte und viele andere Herrscher den Bürgern die Möglichkeit einräumten, direkt beim König vorzusprechen. Ein Recht darauf bestand freilich nicht und so sind wir doch sehr froh, in einem modernen Verfassungsstaat zu leben, wo uns sowohl der Rechtsweg, als auch der informelle Weg des Petitionswesens garantiert ist.

In den letzten Jahren hat sich der Petitionsausschuss auch einen großen Schritt auf die Bürgerinnen und Bürger zubewegt, indem er in vielen Vor-Ort-Terminen die sprichwörtliche Bürgernähe praktiziert hat.

Heute ist der Petitionsausschuss mehr denn je eine wirkungsvolle Einrichtung für die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Kampf gegen von ihnen so wahrgenommene scheinbar willkürliche Entscheidungen.

In vielen Fällen können im Ausschuss immer wieder durch gemeinsam getragene Beschlüsse passgenaue Lösungen gefunden werden. Dazu trägt auch die von mir als ausgesprochen konstruktiv empfundene Arbeitsatmosphäre im Ausschuss bei. Ich hoffe, es wird uns gelingen, diese auch weiterhin zu pflegen.

Abschließend möchte ich betonen, dass der Petitionsausschuss mit Recht als Glücksfall für unser Parlament bezeichnet werden kann.

Vielen Dank!

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Geßmann Fraktion
Simone Geßmann
Beraterin für Recht, Verfassung, Medienpolitik