Ausgangssituation:

Zur Bewältigung der Energiewende werden neben neuen Anlagen zur klimaneutralen Energieerzeugung auch Netze benötigt, die den Strom, die Wärme, den Wasserstoff und später auch das einzulagernde CO2 transportieren.
Es erhöht sich der Bedarf, weil Elektroautos geladen und Wärmepumpen genutzt werden, wo bisher Verbrennermotoren betankt werden und Heizungen auf Basis fossiler Energie arbeiten, zudem werden industrielle Prozesse auf elektrische Verfahren umgestellt. Die Energiewende geht deshalb einher mit einer weitgehenden Elektrifizierung der Mobilität, der Industrie und der Wärmebereitstellung, daher wird für 2037 mit einer Erhöhung des deutschen Strombedarfs von heute ca. 700 TWh auf dann 1.050 TWh gerechnet. Dem muss das Stromnetz Rechnung tragen.
Dabei geht es nicht allein um die großen Gleichstrom-Autobahnen von Nord nach Süd, sondern auch um zahllose Verstärkungen und Ergänzungen im Mittel- und Niederspannungsnetz, da auch die Stromerzeugung zunehmend dezentral ist und der Strom je nach Erzeugung und Bedarf entsprechend transportiert werden muss.
Es wird, gerade angesichts eines wieder Fahrt aufnehmenden Ausbaues der Photovoltaik und der Windkraft, zunehmend deutlich, dass das Netz oft das schwächste Glied in der Kette ist. Immer mehr fertiggestellte Windkraftanlagen und ganze Windparks kämpfen bundesweit um eine zügige Einspeisung ihres Stroms ins Netz. Die großen norddeutschen Windparks können ihren Strom zwar meist einspeisen, jedoch nicht zu den Verbrauchern im Süden leiten. Zunehmend werden auch mittlere und große PV-Anlagen errichtet, deren Strom nicht abgenommen und genutzt werden kann, weil das örtliche Niederspannungsnetz diese nicht aufnehmen kann.

Für die Hoch- und Höchstspannungsnetze rechnen DENA (Deutsche Energie-Agentur) und Netzbetreiber mit Investitionen von rund 90 Mrd. Euro bis 2037, hinzu kommen Investitionen in die Verteilnetze von rund 28 Mrd. Euro bis 2031. Darüber hinaus schlagen auch die Offshore-Projekte bis 2037 mit etwa 100 Mrd. Euro an Investitionen zu Buche. Hierfür gilt es, einerseits ausreichend Kapital zu akquirieren, andererseits die Strompreise durch nicht zu hohe Netzentgelte zu belasten.
Für den in den Planungen des Bundes und der Länder vorgesehenen Transport von Wasserstoff bestehen bislang nur wenige Pipeline-Netze. Im bestehenden Gasnetz kann zwar Wasserstoff beigemischt werden, um ihn zusammen mit dem Erdgas zu verbrennen. Es wird jedoch reiner Wasserstoff von Endabnehmern benötigt. Dieser sollte, soweit möglich, auch im Land dezentral von Elektrolyseuren produziert werden. Neben den wenigen vorhandenen Leitungen sind daher in größerem Umfang neue Pipelines erforderlich. Zudem muss das Erdgasnetz sukzessive vollständig auf Wasserstoff umgerüstet und umgestellt werden.
Auch besteht weitgehende Einigkeit, das mittel- und langfristig CO2 im CCS-Verfahren (Carbon-Capture-Storage) eingelagert werden muss, um die Klimaziele zu erreichen. Diese Einlagerung kann aus geologischen Gründen nicht überall, sondern vor allem in Norddeutschland sowie unter der Nordsee stattfinden, auch hierfür werden dann Pipelinelösungen benötigt, wenn man aus der Mitte, dem Osten und dem Süden der Bundesrepublik CO2 zu diesen Einlagerungsstätten transportieren will.

Stromnetzausbau, Iststand und Perspektive
Die großen Gleichstromübertragungsleitungen Südlink und Ultranet verzögern sich um mehrere Jahre, nicht zuletzt wegen zahlloser Einwendungen, aber auch aufgrund der über lange Streckenanteile erfolgenden unterirdischen Verlegung. Diese ist deutlich teurer und zudem langwieriger. Die Baugenehmigungen sind inzwischen zwar erteilt, der Bau selbst wird sich jedoch noch bis etwa 2028 hinziehen, während zugleich teure Redispatch-Maßnahmen das Ungleichgewicht im deutschen Stromnetz auffangen müssen (das sind Eingriffe in die

Energieeinspeisung, bei denen z.B. Stromerzeuger abgefahren werden müssen, um Überlastungen oder Strom zusätzlich eingespeist werden muss, um Netzungleichgewichte zu vermeiden).
Im Verteilnetz (Stromtransport bis zum Endverbraucher, rund 900 Verteilnetze, Spannungen zwischen 1 kV bis 220 kV) gibt es zunehmend Engstellen, die dazu führen, dass fertiggestellte Solar- oder Windkraftanlagen oder auch Ladestationen für Elektromobilität nicht ans Netz gehen können, oder gar nicht erst genehmigt werden. Damit wird die Energiewende spürbar ausgebremst, was durch den zunehmenden Stromverbrauch für Wärme und Mobilität noch verschärft wird.
Wasserstoff: Bisherige Aktivitäten in Bund und Land
Im Juni 2020 stellte die Bundesregierung die nationale Wasserstoffstrategie vor, mit der erste Grundsätze und Bedarfsprognosen sowie Prioritäten der Versorgung veröffentlich und festgelegt wurden. Diese Strategie wurde im Sommer 2023 fortgeschrieben. Mit der Wasserstoff-Roadmap des Landes wurde Ende 2020 eine Agenda zur Forschung und Markteinführung der Wasserstoffinfrastruktur entwickelt. Zur Roadmap des Landes gibt es einen Fortschrittsbericht vom November 2023.
Die Landesregierung hat zwischenzeitlich, ebenso wie zuvor die Bundesebene, damit begonnen, mögliche Lieferkorridore und Lieferanten aus dem Ausland zu identifizieren, so in Spanien in diesem Jahr.
Eine Abfrage in der Wirtschaft des Landes hat nun einen deutlich höheren Bedarf gezeigt, als er bislang prognostiziert wurde.
Eine gute Forschungslandschaft ist im Land vorhanden, diese (oft bundeseigenen) Institute forschen an der Technologie für Elektrolyseure, Transport und Nutzung von Wasserstoff.

Wasserstoffhochlauf – finanzielle und technische Herausforderungen
Insbesondere die energieintensiven Industriezweige sollen mit Wasserstoff als Energiequelle versorgt werden, damit sie klimaneutral produzieren können. Besonders trifft dies auf die Stahlindustrie, die Zementherstellung, die Chemieindustrie und die Papier- und Glasindustrie zu. Auch im Verkehrssektor (Flug-, Schiffs und Bahnverkehr, evt. Teile des Schwerlastverkehrs) wird Bedarf für eine Wasserstoffversorgung gesehen, um auf Basis von Brennstoffzellen oder synthetischem Methan/ Methanol Antriebe mit Energie zu versorgen.
Schon früh wurden von EU und Bundesregierung Prognosen zu Bedarfen und Produktionskapazitäten erstellt. Dabei waren die Erwartungen der EU von 2020 noch deutlich zu optimistisch und zudem technisch unrealistisch.
Derzeit ist von Preisen für ein kg Wasserstoff zwischen 4,50 und 6,00 Euro auszugehen, wenn der Wasserstoff (als Ammoniak oder Methan) aus Südamerika oder in einer Pipeline aus Afrika oder Spanien kommt. Zudem wird davon ausgegangen, dass er zum größten Teil (60-80%) importiert werden muss.
Die EU schätzt den Bedarf für 2030 auf eine Produktionskapazität von 10 Mio. t Wasserstoff, wofür Strom mit einer Leistung von 120 GW benötigt würde, das sind etwa 50% mehr als in Deutschland an konventioneller Kraftwerks-Erzeugungskapazität zur Verfügung stehen.
Im Landesinnern Deutschlands soll ein Wasserstoff-Basisnetz von rund 11.000 km Länge entstehen, mit dem die größten Verbraucher direkt erreicht werden können. Zudem gibt es die Möglichkeit, den Wasserstoff für kleinere Verbraucher sowie Verkehrsanwendungen direkt oder indirekt (als Ammoniak, Methan oder in Ölen gebunden) zu transportieren, was ein Tankstellennetz voraussetzt.
Daneben ist es erforderlich, eine Infrastruktur aus Elektrolyseuren zu errichten, die dezentral Wasserstoff erzeugen und bereitstellen. Diese haben jedoch einen hohen Energiebedarf, so benötigt man für die Erzeugung von 1 kg Wasserstoff schon rein physikalisch 41 kWh Strom, praktisch etwa 55 kWh, was bei der Annahme eines Börsenstrompreises von 10 Cent dann um die 5 Euro pro kg Wasserstoff bedeuten würde, zuzüglich der Kosten für Transport und Elektrolyseur (1 kg Wasserstoff hat den Energieinhalt von 33 kWh).
Da es kaum möglich sein wird, die Umstellung in der Industrie auf Wasserstoff, den Pipelineausbau, den ausreichenden Import und die Herstellung über Elektrolyseure vollkommen synchron ablaufen zu lassen, ist die temporäre Verwendung von „blauem Wasserstoff“ (der aus Erdgas erzeugt wird) sinnvoll und muss entsprechend gesetzlich mitberücksichtigt werden.

Wasserstoff in Baden-Württemberg
Baden-Württemberg benötigt als hochentwickeltes Industrieland mit einer dichten Wirtschaftslandschaft viel Wasserstoff und verfügt über weniger eigene erneuerbare Stromerzeugungskapazitäten als z.B. der Norden. Zudem liegt das Land bezogen auf die bisherigen Pipelines für Wasserstoff und mögliche Einspeisungen aus dem Ausland und über Seehäfen eher ungünstig.
Es ist daher unerlässlich, dass Baden-Württemberg sich aktiv um eine gute Anbindung seiner Wirtschaft an die künftigen nationalen und europäischen Wasserstoffnetze bemüht und zugleich ausreichend Elektrolyseure im Land selbst zur Versorgung beitragen können.
CCS: Kohlendioxyd sicher einlagern erfordert Pipelines
Inzwischen besteht weitgehende Einigkeit, dass, trotz aller Bemühungen um Erneuerbare Energien und Energieeinsparung, CO2 auch abgeschieden und eingelagert werden muss (CCS= Carbon Capture Storage), um am Ende als Gesellschaft klimaneutral zu sein. In manchen Produktionszweigen (Glas, Zement, Kalk) lassen sich trotz aller Bemühungen CO2-Emissionen kaum vermeiden.
Bislang ist davon auszugehen, dass solche sicheren Einlagerungsmöglichkeiten nur unter dem Meer wie der Nordsee oder evt. auch in den heutigen Gaskavernen in Norddeutschland möglich ist. Daher ist es erforderlich, hierzu auch ein Pipelinenetz für CO2 zu schaffen, dass das Gas, dass sich auch langfristig nicht vermeiden lässt, aus ganz Deutschland einsammelt und dorthin schafft. Dieses Pipelinenetz sollte daher zusammen mit der H2-Pipeline mitgeplant werden, auch wenn es nicht zeitgleich gebaut werden muss. Nur so sind die Trassen und Genehmigungen bereits vorhanden, wenn mit dem Bau im kommenden Jahrzehnt begonnen wird. CCS darf kein Ersatz für die Nutzung Erneuerbarer Energien sein und soll nur für die CO2-Emissionen genutzt werden, die technisch nicht oder nur mit einem nicht vertretbaren Aufwand vermeidbar sind.

Unsere Forderungen:
1. Die überregionalen Übertragungsnetze von der Küste in den Süden sind zügig fertigzustellen, dabei sind alle Möglichkeiten, die die Planungsbeschleunigung bietet, auszuschöpfen.
2. Gemeinsam mit den Netzbetreibern und Stromversorgern im Land muss die Landesregierung die Netzengpässe und Ausbaunotwendigkeiten im Mittelspannungsnetz identifizieren und zu beseitigen helfen, dabei sind absehbare künftige Engpässe einzubeziehen.
3. Das Land muss sich für eine grundlegende Reform der Anreizregulierung einsetzen, um das Kapital für die hohen Investitionskosten in den Stromnetzausbau erschließen zu können, welches die Netzbetreiber sonst nicht aufbringen können.
4. Das Land muss über Darlehen der L-Bank und durch Bürgschaften sicherstellen, dass der Ausbau und die Verstärkung des Nieder- und Mittelspannungsnetzes mit den Anforderungen durch die Energiewende mithält und neue Anlagen zur Energieerzeugung zeitnah angeschlossen werden können.
5. Die Landesregierung muss darauf hinwirken, dass grüner Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen im ganzen Land zur Verfügung steht und nicht nur entlang der großen Verteilnetze.
6. Für einen ausreichenden und rechtzeitigen Aufbau und Anschluss eines Wasserstoffverteilnetzes soll die Terranets BW zur Infrastrukturgesellschaft des Landes auf- und ausgebaut sowie perspektivisch um weitere infrastrukturelle Komponenten ergänzt werden.
7. Neben dem zügigen und massiven Aufwuchs der Nutzung erneuerbarer Energien im Land (v.a. Windkraft, Solarenergie und Geothermie) muss der Aufbau eigener Erzeugungskapazitäten für Wasserstoff im Land gefördert und forciert werden.
8. Das langfristig erforderliche Pipelinenetz für CO2 ist im Zuge des Pipelinenetzes für Wasserstoff mitzudenken und vorzubereiten.

Ansprechpartner

Opitz-Leifheit Fraktion
Nils Opitz-Leifheit
Berater für Energie und Umwelt, Ländlicher Raum, Verbraucherschutz