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Das Mieter:innenland Baden-Württemberg (BW) schafft Wohnraum für alle: Wohnungen für Auszubildende und Studierende, Wohnungen für Familien und Alleinstehende, für Arbeitnehmer:innen und Selbständige. Der baden-württembergische Wohnmix aus einer Chance für alle, Wohneigentum zu erarbeiten und einem vielfältig ausgestatteten Markt von bezahlbaren und lebenslagengerechten Mietwohnungen
muss neu entdeckt werden – denn in den letzten Jahren ist dieses Erfolgsmodell unter der grün-schwarzen Regierung unter die Räder gekommen.

1. Baden-Württemberg braucht eine mietenpolitische Offensive
In den vergangenen zwei Jahren haben sich massiv gestiegene Energiepreise, eine hohe Inflation und gestiegene Zinsen zu ohnehin stetig steigenden Mieten in BW gesellt und so die handfeste Krise am Wohnungsmarkt weiter verdichtet. Mangelnde Bautätigkeit wirkt sich wiederum weiter verschärfend auf die Nachfrage am Mietenmarkt aus, denn: Wer nicht kaufen kann oder will, muss mieten. Auch vor diesen
Entwicklungen, die mit der Corona-Pandemie einen ersten und mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine einen weiteren Schub erfahren haben, sind die Mieten im Land stetig gestiegen, während unterdessen kaum neuer bezahlbarer Wohnraum entstanden ist. Wir haben es in der Folge in BW also mir einer hochproblematischen Situation am Mietwohnungsmarkt zu tun.
Klar ist also: Es muss mehr Wohnraum geschaffen werden, um diese Probleme langfristig zu lösen. Aber: Es geht uns als SPD auch um bestehende Mietverhältnisse. Immerhin sind etwa die Hälfte der Haushalte
im Land Mieter:innenhaushalte. Viele dieser Haushalte müssen mehr als 30 Prozent ihres monatlichen Nettoeinkommens für Miete aufbringen. Hier sind vor allem zwei Gruppen besonders stark betroffen: Einpersonenhaushalte mit geringen Einkommen (wer unter 2.000 Euro netto im Monat verdient, gibt bis zu 47 Prozent davon für die Miete aus) und Familien mit Kindern, wobei auch hier gilt: Je geringer das monatliche Einkommen, desto höher der Anteil, der davon für die Miete ausgegeben werden muss. Viele Menschen in BW wohnen sich aktuell arm – das muss aufhören!
Wir fordern deswegen eine eigene Mietenoffensive für das Mieter:innenland BW. Es müssen alle Hebel, die auf Landesebene existieren, bewegt werden, um die Mieter:innen im Land vor weiter steigenden Mietpreisen zu schützen. Außerdem gilt: Wer Bestandsmieten schützt, nimmt auch indirekt Einfluss auf Neuvertragsmieten.

2. Mieter:innenland BW – Bezahlbar in Stadt und Land
Das Zuhause in BW muss bezahlbar für alle bleiben. Wir wollen, dass niemand in unserem Land mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Miete ausgeben muss. Das Mieter:innenland braucht darum
mehr Investitionen in die Wohnraumschaffung – vor allem in die sozial gebundene Wohnraumschaffung – und klare Leitplanken in der Mietgestaltung.

2.1 „Update 23“ für die Gebietskulisse
In BW umfasst das als Gebietskulisse bezeichnete Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt, in dem die Mietpreisbremse gilt, aktuell nur 89 von 1.101 Kommunen. Maßgeblich für die Feststellung eines angespannten Wohnungsmarktes sind überdurchschnittlich stark ansteigende Mieten, eine überdurchschnittliche Mietbelastung der Haushalte, eine geringe Neubautätigkeit und ein geringer Leerstand bei hoher
Nachfrage. Die Verordnung über diese Gebietskulisse kann entsprechend § 556d BGB bis spätestens 31.Dezember 2025 gelten. In BW tritt die aktuell geltende Mietpreisbegrenzungsverordnung bereits am 30.
Juni 2025 außer Kraft. Wir fordern, dass die bestehende Verordnung im Herbst dieses Jahres, erstens, angepasst, das heißt um weitere Gemeinden erweitert und zweitens, ihre Gültigkeit bis zum spätesten möglichen Zeitpunkt, d.h. bis 31. Dezember 2025, verlängert wird. Aufgrund gestiegener Mietpreise und Lebenshaltungskosten sowie nicht abbrechender Nachfrage nach
Wohnraum und rückläufiger Bautätigkeit, ist die Situation am Wohnungsmarkt in vielen Kommunen im Land höchst angespannt. Ein Fortbestehen der aktuell nur aus wenigen Gemeinden bestehenden Gebietskulisse bis Mitte 2025 ist unrealistisch, unverantwortlich und darüber hinaus auch nicht notwendig: Eine Erweiterung der Liste der Kommunen, die eine angespannte Situation am Wohnungsmarkt vorweisen und daher in das Gebiet der Mietpreisbremse fallen, ist unter den aktuellen Bedingungen das Gebot der Stunde und eine sinnvolle Maßnahme, durch die mehr Menschen im Land zügig, wirksam und unbürokratisch vor stark steigenden Mieten geschützt werden. Außerdem hat die Bundesregierung eine erneute Verlängerung der Mietpreisbremse angekündigt – eine Neubemessung der in BW geltenden Gebietskulisse ergibt also auch langfristig Sinn.

2.2 Aktiv gegen Zweckentfremdung
Jede Wohnung zählt – darum darf Wohnraum nicht zweckentfremdet werden. Wir fordern eine Stärkung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes, das seit seiner Einführung 2013 unter Regierungsbeteiligung
der SPD kommunale Zweckentfremdungssatzungen ermöglicht. Das Erlassen einer solchen Satzung ist gekoppelt an die Voraussetzung, dass die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend Wohnraum zu angemessenen Bedingungen in der betreffenden Gemeinde besonders gefährdet ist – das Instrument ist also beschränkt auf Gemeinden mit Wohnraummangel.
Wir wollen das Erlassen von Zweckentfremdungssatzungen für Kommunen erleichtern. Die Beschränkung, wonach Kommunen eine solche Satzung nur dann erlassen können, wenn sie dem bestehenden
„Wohnraummangel nicht mit anderen zumutbaren Mitteln in angemessener Zeit begegnen können“, ist überflüssig und wird daher gestrichen. Das ZwEWG wird in § 1 außerdem so verändert, dass Gemeinden
mit Wohnraummangel in Zukunft angehalten sind, eine Zweckentfremdungssatzung zu erlassen. Die Gültigkeit von kommunalen Satzungen beträgt aktuell höchstens fünf Jahre – wir wollen, dass diese
Frist auf 10 Jahre verlängert wird. Auch eine Erhöhung der Bußgelder, die beim Verstoß gegen das Zweckentfremdungsverbot fällig werden, soll festgelegt werden. In Zukunft sollen auch bei Verstößen gegen die Auskunfts-, Registrierungs- und Anzeigenpflicht statt aktuell 50.000 Euro in Zukunft 100.000 Euro fällig werden. Beispiele wie Stuttgart zeigen, dass Betreiber von Portalen zur gewerblichen Vermietung von Ferienwohnungen bisher so gut wie keine Skrupel haben, sich über bestehende Regelungen hinwegzusetzen – dem muss auch mithilfe empfindlicher Strafen Abhilfe geschaffen werden.
Das Zweckentfremdungsverbot wollen wir zudem dahingehend weiterentwickeln, dass es eindeutig auch zum Vorgehen gegen jene Eigentümer:innen ermächtigt, deren Wohnungen bereits zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens der kommunalen Satzung leer standen oder anderweitig zweckentfremdet waren.

2.3 Kommunen stärken
Daneben wollen wir Kommunen beim Kampf gegen widerrechtliche Zweckentfremdung und Leerstand unterstützen. Kommunen sollen dafür sorgen können, dass nachweislich widerrechtlich zweckentfremdeter Wohnraum wieder für Wohnzwecke zur Verfügung gestellt und vermietet wird, wenn Eigentümer:innen, Verwalter:innen oder andere Verfügungsberechtigte nachweislich innerhalb einer gesetzten Frist die
zur Wiederherstellung von Wohnraum notwendigen Maßnahmen nicht selbst einleiten. Analog zur rechtlichen Situation in Hamburg2 soll der betreffenden Kommune unter anderem das Einsetzen eines Treuhänders ermöglicht werden, der anstelle des:der Verfügungsberechtigten die notwendigen Schritte zur Wiederherstellung des Wohnraums zu Wohnzwecken in den betreffenden Gebäuden einleitet. Dieser wird von der Kommune eingesetzt und nach Verrichtung seiner Aufgaben von diesen wieder enthoben. 1 § 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) wird so geändert, dass die Subsidiaritätsbestimmung entfällt und „können“ durch „sollen“ ersetzt wird: „Gemeinden, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (Gemeinden mit Wohnraummangel), sollen Maßnahmen nach diesem Gesetz treffen.“ 2 Vgl. §§ 12a – 12b Hamburgisches Wohnraumschutzgesetz (HmbWoSchG).
Das Land unterstützt die Kommunen hierbei fachlich und fördert Stellen, die der Nachverfolgung von Zweckentfremdung und der Durchsetzung von Zweckentfremdungsverboten dienen.

2.4. Kommunale Unternehmen und Genossenschaften als Vermieter Kommunen und kommunale sowie gemeinwohlorientierte Wohnungsbauunternehmen sowie Genossenschaften und Syndikate haben großen Einfluss auf den Bestand von bezahlbarem Wohnraum und damit auf ortsübliche Vergleichsmieten – und das soll auch so bleiben. Kommunen müssen deswegen beim Ankauf von Grundstücken und Gebäuden, die durch Sanierung oder Neubau für den geförderten Wohnungsbau geeignet sind, finanziell und organisatorisch stärker vom Land unterstützt werden. Der bestehende Grundstücksfonds des Landes ist mit 100 Millionen Euro zu schwach aufgestellt und stellt außerdem lediglich eine Form des Zwischenerwerbs durch das Land dar, denn: Am Ende muss die Kommune das Geld nach wie vor selbst aufbringen, um das Grundstück vom Land zurückzukaufen.
Wir wollen im Gegensatz dazu eine zuverlässige finanzielle Unterstützung für Kommunen, die Grundstücke ankaufen wollen, um darauf bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen: Bis zu 75 Prozent des Kaufpreises müssen hierbei durch das Land übernommen werden können. Die Mittel in diesem Fonds müssen also
massiv aufgestockt und außerdem in eine Landesentwicklungsgesellschaft überführt werden. Vorkaufsrechte von Kommunen müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls gestärkt werden.
Nur, wenn wir Kommunen, kommunale und gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen und -Initiativen stärker als bisher unterstützen, in Form von Beratung ebenso wie finanziell, wird weiter bezahlbarer
Wohnraum entstehen können. Diese Unterstützung muss Teil einer nachhaltigen, solidarischen und verantwortungsvollen Mietenpolitik sein.

3. Mieter:innenland BW – Stabile Quartiere und gutes Leben
Das Mieter:innenland sorgt für eine gute Durchmischung, die unsere Quartiere stabil hält. Denn wo Menschen sich begegnen und gemeinsam ihre Nachbarschaft gestalten, wächst Zusammenhalt. Unser Ziel
sind Mischgebiete, in denen es gleichermaßen unterschiedliche Wohnformen, beste Einkaufsmöglichkeiten und sichere Betreuungs- und Bildungsangebote für die Kinder gibt wie Büroflächen, Ärzt:innen und
Apotheken. Hier zu wohnen sollen sich nicht nur Topverdienende leisten können, sondern Menschen in
allen sozialen Lagen. Wer nur Luxuswohnungen plant, wird dieses Ziel nicht erreichen.

3.1 „Langfristig denken statt kurze Rendite“-Klausel
Wir brauchen im Land nicht nur mehr bezahlbaren Mietwohnraum; dieser muss auch langfristig und verlässlich zur Verfügung stehen. Entsprechend der Landeswohnraumförderung entstandener Wohnraum
soll daher mehrheitlich mit einer 60-jährigen Bindungsdauer versehen werden und – angelehnt an das
Hamburger Modell – im Rahmen einer „Langfristig denken statt kurze Rendite“-Klausel bei einer 100-jährigen Bindung eine zusätzliche Förderung erhalten. Diese Zusatzförderung soll ebenfalls aus Mitteln der
Landeswohnraumförderung kommen.

3.2 Wohnraumschutzgesetz
Gerade, weil Wohnraum ein knappes Gut ist, müssen wir mit dem vorhandenen Mietwohnraum verantwortungsvoll umgehen. Nach dem Vorbild anderer Bundesländer soll deswegen auch im Mieter:innenland
BW ein Wohnraumschutzgesetz verabschiedet werden, das weitergehende Regeln zum Schutz von Mieter:innen enthält. Es geht uns beim Schutz von Mieter:innen nämlich nicht nur um den Schutz vor ungebührlich steigenden Mieten, sondern auch darum, Maßstäbe für würdevollen, qualitativ angemessenen Wohnraum zu bestimmen. Dies sorgt für Transparenz und Fairness nicht nur auf Seiten der Mieter:innen, sondern auch der Vermieter:innen: Viele Menschen, die ihr Eigentum zur Miete anbieten, halten selbstverständlich angemessene Standards ein. Für diejenigen jedoch, die das nicht tun, werden solche Standards benötigt – zum Schutz der Mieter:innen und aus Fairness gegenüber der Mehrheit derjenigen Vermieter:innen, die das von sich aus bereits tun.
Ein solches Gesetz enthält Mindestanforderungen und konkrete Vorgaben, etwa zu Instandsetzungspflichten von Vermieter:innen, Vorgaben zu ordnungsgemäßen Heizungsmöglichkeiten, Wasserversorgung, Anschlussmöglichkeiten für z.B. elektrische Beleuchtung, aber auch Vorgaben zu Mindestanforderungen für Böden und Decken, vor allem im Zusammenhang mit Witterungseinflüssen und Feuchtigkeit,
sowie Möglichkeiten zur Belüftung. Das Wohnraumschutzgesetz stellt sicher, dass Mieter:innen angemessenen, geeigneten und würdevollen Wohnraum bewohnen und trägt bei zum guten Leben für alle.

4. Eine neue Partnerschaft zwischen Mieter:innen und Vermieter:innen, Land und Kommunen
Unter Grün-Schwarz wurden alle notwendigen Wohnbauziele verfehlt. Es muss darum möglichst viele unterschiedliche Akteur:innen am Wohnungsbau geben: Genossenschaften, kommunale Wohnbauunternehmen, neue gemeinwohlorientierte Modelle, eine Landeswohnungsbaugesellschaft – aber die privaten Investitionen sind entscheidend. Wir wollen ein Klima im Land, in dem Vernunft und Verantwortung an einem Wohnungsmarkt zusammenkommen, der von Transparenz, Kooperation und Unterstützung geprägt ist.

4.1 Mehr Sicherheit und Transparenz durch Mietspiegel
Ein sinnvolles Instrument bei der Bekämpfung von stark steigenden Mieten ist der Mietspiegel. Bisher ist das Erstellen eines Mietspiegels für Kommunen mit über 50.000 Einwohner:innen verpflichtend. Das betrifft aktuell lediglich 25 Städte im Land. Wir wollen auch hier eine Verbindung zur Gebietskulisse herstellen und damit die Regelung ergänzen: Kommunen mit über 50.000 Einwohner:innen sowie zusätzlich alle diejenigen, die entsprechend ihrer Zugehörigkeit zur Gebietskulisse einen Wohnraummangel aufweisen, müssen Mietspiegel erstellen. Sie werden hierbei, analog zur aktuellen Regelung, vom Land unterstützt.
Daneben sollen Kooperationen von kleineren Gemeinden zur Erstellung gemeinsamer Mietspiegel auch weiterhin vom Land unterstützt werden.
Wir treten zudem dafür ein, die Standardisierung des qualifizierten Mietpreisspiegels um eine gesetzliche Veröffentlichungspflicht zu erweitern. Denn der Erfolg der Mietpreisbremse kann nur gewährleistet werden, wenn die Erhebung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht auf individuellen Annahmen beruht, sondern auf belastbare, statistische Daten zurückgreift.

4.2 Beratung vor Ort ausbauen
Beratungsangebote für Mieter:innen sollen ausgebaut und vom Land finanziell unterstützt werden. Außerdem sollen Bemühungen, wie etwa die Schaffung von Wohnraumplattformen, gefördert werden. Es
gibt bereits jetzt Kommunen, die hier beispielhaft vorangehen und eigene Plattformen schalten, auf denen ohne kommerzielles Interesse (d.h. ohne Gebühren) Wohnraum angeboten werden kann – durch private
Vermieter:innen, Wohnungsunternehmen und andere Akteure am Markt. Auch kommunale Programme, die alleinstehenden älteren Menschen eine barrierefreie Wohnung im Ortskern anbieten, sodass deren Einfamilienhaus am Ortsrand für Familien frei werden kann, sollen systematisch unterstützt und gefördert werden.
Gemeinden, die Stellen für Wohnraumbeauftragte schaffen wollen, werden bei diesem Vorhaben in Zukunft vom Land unterstützt

Ansprechpartner

Emilia Keller
Parlamentarische Beraterin für Landesentwicklung und Wohnen