Stephan Braun: „Es ist ein Armutszeugnis, dass der Justizminister erst auf meine Anfrage hin handelt“

Golls Devise: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß

Als Reaktion auf eine parlamentarische Anfrage des Verfassungsschutzexperten der SPD-Landtagsfraktion, Stephan Braun, muss die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Umgang mit verfassungsfeindlichen Symbolen einen radikalen Kurswechsel vornehmen. Bisher mussten die Polizeibehörden in deren Bezirk auf Weisung der Staatsanwaltschaft Stuttgart das Tragen verfassungsfeindlicher Symbole auch dann verfolgen, wenn diese in abgewandelter Form als Zeichen des Protests gegen Neonazismus verwendet wurden. Dementsprechend musste die Polizei auch gegen Demonstranten vorgehen, die durchgestrichene oder in Mülleimern versenkte Hakenkreuze auf Kleidung und Rucksäcken trugen. Künftig soll die Staatsanwaltschaft Stuttgart in solchen Fällen von „Exekutivmaßnahmen Abstand nehmen“, teilte Justizminister Goll dem SPD-Abgeordneten Braun nun mit.

Der SPD-Verfassungsschutzexperte ist zwar mit dem Ergebnis seiner Anfrage hochzufrieden, nicht aber mit einigen „unrühmlichen Vorgängen“, die im Rahmen seiner Anfrage nun ans Licht kamen.

So behauptet Justizminister Goll in seiner schriftlichen Antwort, er habe von der Weisung der Staatsanwaltschaft Stuttgart an die Polizeibehörden „erstmals im Rahmen der zum Antrag des Abgeordneten Braun erbetenen Stellungnahme“ erfahren. Braun nennt dieses Eingeständnis ein „Armutszeugnis“. „Liest denn der Justizminister keine Zeitungen?“

Golls Untätigkeit sei im Übrigen typisch und die zwangsläufige Folge einer Amtsführung nach der Devise “Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!“ Wer, wie Goll, den Staatsanwaltschaften die Weisung erteile, von heiklen Berichten möglichst verschont zu bleiben, der müsse auch die politische Verantwortung für die Folgen übernehmen.

Braun: „Die bisherige Praxis der Strafverfolgung der Staatsanwaltschaft Stuttgart hat dem Kampf gegen den Rechtsextremismus geschadet. Zivilcourage und zivilgesellschaftliches Engagement wurden durch kleinlichen Bürokratismus ausgebremst, statt sie zu fördern. Für diese Fehlentwicklung trägt Goll die Hauptverantwortung.“

Die Untätigkeit des Justizministers ist für Braun auch deshalb völlig unverständlich, weil die Staatsanwaltschaft Stuttgart laut der schriftlichen Antwort Golls mit ihrer Rechtsauffassung völlig isoliert dasteht: „Im Ergebnis teilen die Generalstaatsanwaltschaften wie auch die übrigen Staatsanwaltschaften des Landes nicht die von der Staatsanwaltschaft Stuttgart vertretene Rechtsauffassung“ (Antwort Goll auf die Anfrage von MdL Braun).

Vor diesem Hintergrund erstaune es umso mehr, dass das Justizministerium von einer klaren Weisung an die Staatsanwaltschaft Stuttgart absieht. Der Generalstaatsanwalt in Stuttgart habe stattdessen die Leitenden Oberstaatsanwälte „gebeten“, von ihrem bisherigen Kurs bei der Strafverfolgung in solchen Fällen „Abstand zu nehmen“. Nach den Worten von Stephan Braun gibt das Gerichtsverfassungsgesetz dem Justizminister durchaus das Recht, über die Generalstaatsanwaltschaften Weisungen an die Staatsanwaltschaften zu erteilen.

Braun: „Dass Justizminister Goll in einem so gravierenden Fall vor einer klaren Weisung zurückschreckt, verdeutlicht einmal mehr sein inakzeptables Amtsverständnis. Goll handelt nach dem Motto: Nichts sehen, nichts hören und Hände nicht schmutzig machen.“

Helmut Zorell
Pressesprecher