Claus Schmiedel: „Angesichts von Trends in der dualen Ausbildung, rückläufigen Schülerzahlen und des drohenden Fachkräftemangels gilt es rasch Weiterentwicklungen in Angriff zu nehmen“

Gerhard Kleinböck: „Die duale Ausbildung soll für junge Menschen auch künftig attraktiv bleiben. Dafür stellt das Land den beruflichen Schulen Gelder in erheblichem Umfang zur Verfügung“

Angesichts eines Versorgungsniveaus auf historischem Höchststand sieht die SPD-Landtagsfraktion die beruflichen Schulen im Land auf einem guten Weg, will aber auch Akzente für ihre Stärkung setzen. Dies erklärten Fraktionschef Claus Schmiedel und der Berufsschulexperte Gerhard Kleinböck in Stuttgart vor der Landespresse.

„Angesichts von Trends in der dualen Ausbildung, rückläufigen Schülerzahlen und des drohenden Fachkräftemangels gilt es rasch Weiterentwicklungen in Angriff zu nehmen“, sagte Schmiedel. In deren Mittelpunkt stünden drei Ansätze: die Aufwertung der dualen Ausbildung, der direkte Übergang von der Schule in eine Ausbildung und die Stärkung der beruflichen Gymnasien.

Schmiedel warnte davor, bei der Bildungspolitik der neuen Landesregierung die Maßstäbe zu verlieren. „Die grün-rote Landesregierung hat bis zur Stunde keine einzige Lehrerstelle gestrichen“, unterstrich der SPD-Fraktionsvorsitzende. Der Berufsschullehrerverband sei schlecht beraten, die Lage an den beruflichen Schulen schlechtzureden. Schließlich habe es das SPD-geführte Kultusministerium geschafft, das strukturelle Defizit an den beruflichen Schulen binnen zwei Regierungsjahren auf 2,6 Prozent im Schuljahr 2012/13 zu senken. Unter der alten Landesregierung von CDU/FDP habe es noch durchgehend zwischen 4,4 und 4,6 Prozent gependelt.

Die Verbesserung der Unterrichtsversorgung gehe in erster Linie auf die – gemessen am Schülerzahlenrückgang – weit überproportionalen Klasseneinsparungen durch die Schulen selbst zurück.

Auch künftig besitze der Bereich der beruflichen Schulen mit seinen unterschiedlichen Facetten der Voll- und Teilzeitausbildung einen außerordentlich hohen Stellenwert. So blieben die beruflichen Schulen die wichtige Schnittstelle zwischen den allgemeinbildenden Schulen und der Wirtschaft. Deshalb werde die SPD-Landtagsfraktion die direkte und enge Zusammenarbeit mit den Schulleitungen und Kollegien intensivieren.

Drei Ansätze für die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung

Zur Stärkung der beruflichen Bildung tritt die SPD für eine Weiterentwicklung ein, die drei Ansätze umfasst: Stärkung der beruflichen Gymnasien, Aufwertung der dualen Ausbildung sowie der direkte Übergang von der Schule in eine Ausbildung.

Der Berufsschulexperte Gerhard Kleinböck verwies darauf, dass zum Schuljahr 2012/13 15 neue sechsjährige Berufliche Gymnasien an den Start gingen. Die Profilfächer "Technik" sowie "Ernährung, Soziales und Gesundheit" seien in den Klassen 8 bis 10 an Beruflichen Gymnasien neu eingeführt worden. „Das Kultusministerium bringt den Ausbau der Beruflichen Gymnasien voran. Im Schuljahr 2012/13 wurden 50 zusätzliche Klassen eingerichtet“, sagte Kleinböck.

Zugleich würden die Empfehlungen der Enquetekommission "Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft" zum Ausbau der Ganztagsbetreuung an beruflichen Schulen seit 2011/12 umgesetzt. Insgesamt stünden bis zu 60 Deputate für Ganztagsunterricht in den Berufsvorbereitenden Bildungsgängen und im Berufskolleg zur Verfügung. Nicht benötigte Deputatsstunden blieben den Schulen erhalten und verbesserten die individuelle Förderung.

„Insgesamt stehen für die beruflichen Schulen zur Umsetzung von Handlungsempfehlungen der Enquetekommission in 2013 rund 4,3 Mio. Euro und in 2014 rund 5,3 Mio. Euro zur Verfügung, beispielsweise für individuelle Förderung, Inklusion oder die Weiterentwicklung des Übergangssystems“, so Kleinböck. „Diese Summen sind kein Pappenstiel, jedenfalls kein Anlass, der Landesregierung ein Aushungern der beruflichen Schulen anzukreiden.“

Kleinböck bezeichnete die Ausbildung zum Berufsschullehrer als „zukunftssicher“. Im vergangenen Jahr seien sämtliche Referendare übernommen worden. Zur weiteren Verbesserung der Versorgungssituation wurden Gymnasiallehrkräfte für die Dauer von drei Jahren an berufliche Schulen im Umfang von 100 Deputaten abgeordnet und weitere 29 Stellen an die beruflichen Schulen umgeschichtet. Zugleich könnten die Schulen in zahlreichen Fällen eigenständig über die Personalauswahl entscheiden.

„Das Kultusministerium hat den beruflichen Schulen in diesem Jahr für das vorgezogene Ausschreibungsverfahren jetzt schon insgesamt 300 Deputate zugewiesen und damit ein deutlich höheres Stellenkontingent zur Verfügung gestellt als im vergangenen Jahr, wo es 120 Deputate waren“, betonte Kleinböck.

Die Ergebnisse des Berufsbildungsberichts 2013 der Bundesregierung sowie die letzten Mitteilungen der Wirtschaft verlangen nach Ansicht von Fraktionschef Claus Schmiedel eine Aufwertung der dualen Ausbildung. Die SPD unterstütze deshalb die bisherigen Anstrengungen von Wirtschafts- und Kultusministerium. „Wir streben allerdings an, die bisherigen Initiativen unter Federführung des Kultusministeriums zu bündeln, um so die Effektivität der vorhandenen Ressourcen und Netzwerke zu erhöhen“, so Schmiedel.

Ein zentraler Erfolgsfaktor für die weitere Schulentwicklung der beruflichen Schulen sei die Einbeziehung der Wirtschaft. Deren Kompetenz müsse insbesondere bei der Weiterentwicklung der beruflichen Schulen Gehör finden und mit einbezogen sein. Für einen besseren Austausch plane die SPD-Fraktion für die zweite Jahreshälfte eine Veranstaltung mit dem Titel „Tag der dualen Ausbildung“, kündigte Schmiedel an.

Der Anspruch der dualen Ausbildung als gleichwertige Alternative zum Studium müsse sich in der Entwicklung der neuen Bildungspläne wiederfinden. Insbesondere die Berufsorientierung ab der 7. Klasse in sämtlichen Schularten solle Schülerinnen und Schülern alternative Berufswege aufzeigen und die unterschiedlichen Berufswege und -bilder erkennbar machen. Bei der Berufsorientierung hätten Eltern und Lehrkräfte sowie die Wirtschaft eine besondere Verantwortung. „Aus diesem Grund soll die Kommunikation der Wirtschaft mit den Eltern und die konsequente Weiterbildung der Lehrkräfte in diesem Bereich ausgebaut werden“, sagte Schmiedel.

Der individuellen Förderung muss nach Ansicht der SPD auch an den beruflichen Schulen ein größerer Stellenwert eingeräumt werden. Berufsbildungsexperte Kleinböck verlangte deshalb einen Modellversuch, mit dem Jugendliche, die ein Berufsvorbereitungsjahr bzw. eine Berufseinstiegsqualifizierung absolvieren, stärker individuell gefördert werden. Gleichzeitig müsse aber rasch das System der begleiteten Ausbildung ausgebaut werden. „Es wird auch künftig junge Menschen geben, die in besonderem Maße gefördert werden müssen. Auch denen wollen wir den direkten Einstieg in die duale Ausbildung ermöglichen“, meinte Kleinböck.

Die Ergebnisse sollen Impulse liefern für eine Weiterentwicklung in diesem Segment der beruflichen Schulen. Angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels und rückläufiger Schülerzahlen müssten alle Jugendlichen für den Weg in eine erfolgreiche berufliche Zukunft fit gemacht werden. „Wir können es uns nicht erlauben, vorhandene Potentiale nicht auszuschöpfen. Dieser Anspruch verbindet bildungspolitische, ökonomische und zugleich soziale Ziele“, erklärte Kleinböck. Nur so werde es überdies gelingen, die Jugendarbeitslosigkeit in Baden-Württemberg auch in den kommenden Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau zu halte

Stuttgart, 22. Mai 2013
Martin Mendler
Pressesprecher