Sehr geehrte Frau Präsidentin,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die vierte Welle dieser Pandemie türmt sich weiter auf, und es ist schon jetzt die schlimmste Welle, die wir seit dem Ausbruch von Covid-19 erleben mussten. Es ist deswegen notwendig und zunächst einmal gut und richtig, dass die Landesregierung Maßnahmen verschärfen und stärker gegen die Pandemie vorgehen will. Diesen Willen möchten wir Ihnen nicht absprechen. Das gehört zur Wahrheit. Zur Wahrheit gehört aber leider auch, dass WOLLEN noch nicht KÖNNEN bedeutet.

Baden-Württemberg steht in dieser vierten Welle sehr schlecht da. Die Inzidenzzahlen sind im Land zweieinhalbmal höher als zum Beispiel in Niedersachsen, bei der Impfquote haben wir den schlechtester Wert aller alten Bundesländer. Seit Jahren kritisiert die SPD einen Bummelkurs dieser Regierung, die gerne zuschaut und hofft, dass sich alles von alleine regeln wird. Dieser Kurs ist immer gefährlich, in der Pandemie ist er lebensgefährlich. Und er hat verheerende Folgen für das Vertrauen in den Staat, für die Akzeptanz gegenüber der Landespolitik. Die Landesregierung wollte am Freitag neue Regeln einführen, doch es hat mal wieder am Können gefehlt. Und was dabei rauskam, kann man nur ein CHAOS nennen.

Nehmen wir nur mal die Gastronomie: 2Gplus für alle, das hielt nur ein paar Stunden, dann wurde eilig eine Ausnahme für dreifach Geimpfte nachgeschoben. Weitere Änderungen kommen über Social Media von der CDU-Fraktion, der Amtschef im Sozialministerium erklärt fehlende Regelungen im Rundfunk und der Ministerpräsident kündigt weitere Ausnahmen an. Tatsächlich geregelt ist gar nichts. Kein Wunder, dass es erst einmal keine strengen Kontrollen oder Sanktionen geben soll. Im Klartext heißt das: Die Landesregierung gibt SELBST zu, dass man Ihre EIGENEN Regeln erst einmal nicht so ernst nehmen muss. Haben Sie eine Vorstellung, wie viel unnötigen Schaden Sie damit allein am Wochenende in der Gastronomie angerichtet haben? Wie viele Gäste absagten, weil es ihnen nicht an Impfungen, wohl aber an Tests fehlte?

Tests, von denen Sie jetzt sagen, dass man sie in vielen Fällen gar nicht gebraucht hätte? Herr Ministerpräsident: Reicht Ihnen das als Leistung Ihres Gesundheitsministers? Reicht es Ihnen, wenn er mit dem Blick auf die langen Schlangen vor den Impfangeboten zetert, die Leute hätten halt im Sommer kommen sollen? Im Sommer, als es noch gar keine Booster-Impfungen gab?

Reicht Ihnen das, während draußen Leute in der Kälte stehen, drei, vier Stunden? Reicht Ihnen das in einem Land, in dem die Impfteams regelmäßig Polizeistreifen anfordern,

wenn Sie Leute nach stundenlangem Anstehen wegschicken müssen, weil die Impfeinheiten ausgegangen sind?

Reicht Ihnen das in einem Land, in dem Menschen an den Wochenenden kreuz und quer durch das halbe Land kurven, um offene Impfstationen zu suchen? In einem Land, in dem man auf unnötige Reisen verzichten soll?

Da reicht es ihnen, wenn Minister Lucha austeilt und auf andere zeigt? Wenn er den neuen Bundeskanzler schon vor dessen Amtseinsetzung kritisiert, statt sich für die verkorkste Lage im Land zu entschuldigen? Ein Land, in dem er und sein Haus verpfuschte Regelungen liefern, die statt nach Gesetzen nach Gefasel klingen?

Das kann Ihnen nicht reichen. Und vor allem reicht es diesem Land nicht und den Menschen, die jetzt Hilfe bräuchten. Den Impfwilligen, den überlasteten Kliniken, den überlasteten Arztpraxen.

Wir fordern Sie darum gemeinsam mit der FDP-Fraktion dazu auf, das Corona-Management in neue Hände zu legen. Minister Lucha und sein Haus sind offenkundig vollkommen überfordert. Wir brauchen in dieser Lage endlich ein Corona-Management, das liefert und nicht nur labert!

Und es gibt SO VIEL ZU TUN:

Die SPD hat im Sommer davor gewarnt, die Impfzentren ersatzlos zu streichen. Wir haben gesagt, es braucht keine Messenzentren mehr, aber eine Turnhalle wäre gut. Nichts ist passiert, und genau diese Turnhallen fehlen jetzt. Sie lassen die Menschen buchstäblich eiskalt stehen.

Die SPD hat gefordert, aus dem Chaos im Frühjahr zu lernen. Nicht nur in Heimen zu boostern, sondern älteren Menschen bevorzugt Termine anzubieten. Nichts ist passiert, wieder gilt das Windhundprinzip.

Wir haben auch gefordert, Impfungen an Schulen vorzubereiten. Schon vor den Sommerferien. In den Sommerferien. Nach den Sommerferien. Jetzt ist dem Kollegen Schwarz eingefallen, dass man vor Weihnachten an den Schulen impfen könnte. Kollege Schwarz: Ja! Richtig! Aber haben Sie wirklich sechs Monate gebraucht, um unseren Vorschlag zu verstehen?

Seit Monaten wissen wir, dass wir die Zahl der Impfungen dramatisch steigern müssen. Das weiß auch die Landesregierung. Aber sie hofft, dass alle anderen steigern und sie es nicht selbst muss. Minister Lucha freut sich, dass seine Impfteams 20.000 Dosen am Tag schaffen. Im Mai haben die Impfzentren im Land mehr als das Dreifache geschafft. Allein die Ärzte und die kommunalen Impfangebote retten die Zahlen. Die Lage ist viel schlimmer als im Frühjahr? Warum tut das Land dann viel weniger?

Und das Wenige tun Sie noch im Schneckentempo: Am 11. November hat Minister Lucha seine Impfoffensive angekündigt, so, als ob sie ab diesem Tag laufe. Dabei hat er erst ZWEI WOCHEN später überhaupt die Mittel dafür beantragt. Zwei Wochen später! Zwei Wochen, in denen sich im Land rund 80.000 Menschen mit Covid-19 angesteckt haben.

Von zusammengefassten Terminübersichten für ALLE Impfangebote fehlt immer noch jede Spur, und während hier die Leute in der Kälte warten, sitzt man anderswo und wartet auf Impfwillige. Hier fehlt es an Logistik, hier fehlt es an Koordination. Und die muss die Landesregierung endlich liefern. Sehen Sie nicht, dass es so nicht weitergeht?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Forderungen der SPD waren oft nichts anderes als die Forderungen der Experten. Viele dieser Forderungen haben nichts genützt. Baden-Württemberg hat viel zu hohe Inzidenzen und eine viel zu niedrige Impfquote, aber der zuständige Minister erschöpft seine Tatkraft darin, auf den Bund zu schimpfen. So als läge Bremen mit über 80 Prozent Impfquote nicht in Deutschland.

Treiben Sie die Impfungen voran. Es braucht Impfstützpunkte und es braucht sie in Turnhallen, damit man nicht in der Kälte herumsteht. Jetzt noch viel mehr als im Sommer. Und es braucht eine Impfstrategie: Vorfahrt für vulnerable Gruppen. Es ist doch eine Schande, wenn hochbetagte Menschen stundenlang in der Kälte anstehen müssen! Und das tun sie. Was soll man denn tun, wenn einem die Hausarztpraxis einen Termin zum Boostern ENDE FEBRUAR anbietet?

Und sorgen Sie dafür, dass der nötige Impfstoff nicht nur bestellt, sondern auch geliefert wird. Es reicht nicht, wenn Sie zufrieden die zugesagten Zahlen verlesen. Dass die Impfstoffe dort landen, wo man sie braucht, ist IHRE AUFGABE. Und wenn es zu Engpässen kommt, ist es IHR PROBLEM!

Dass das Land seine Regelungen so gestalten muss, dass man nicht binnen Stunden alles über den Haufen wirft und ein Chaos verursacht, muss ich nach diesem Wochenende nicht erklären. Aber Sie müssen noch weit mehr nachbessern: Schließen Sie all die handwerklichen Lücken: Wer darf bei 2G-Plus eigentlich testen? Wie lange gilt ein Test überhaupt? Das steht alles noch gar nicht in ihrer Verordnung!

Prüfen Sie auch, warum Sie behaupten, besonders streng zu sein, bei manchen Regeln aber nicht einmal die Standards anderer Länder halten. Warum sind Menschen unter 18 im Land von vielen Regeln ausgenommen, in Bayern aber nicht? Sind Teenager in Baden-Württemberg weniger gefährdet als in Bayern?

Was ist mit absurden Ungerechtigkeiten? In der Nachhilfeschule gilt 2G, in der Fahrschule aber 3G? Was ist mit Baumärkten? Banken? Reinigungen? Wie gehen wir mit religiösen Veranstaltungen um? Denken wir auch an die Wirtschaft: 2Gplus mag in der Gastronomie besser sein als gar nichts, und man sieht noch Gäste in den Restaurants. Aber der Umsatz geht deutlich runter, auch durch die Absage so vieler

Weihnachtsfeiern. Deswegen braucht es Wirtschaftshilfen auch ohne die vollständige Schließung der Gastronomie. Das Land darf diese und andere Branchen nicht im Stich lassen, wenn es das übliche Geschäft stark einschränkt. Und auch an den Schulen sind die bisherigen Pläne einfach zu simpel: Immer noch schwarz/weiß, immer noch Schule auf oder Schule zu. Da hören wir bemerkenswerten Unsinn über Tempotaschentücher oder über 2000er Inzidenzen, das erinnert an die Idee, man könne eine Coronawelle weglüften.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht egal, wenn Kinder sich mit Corona infizieren, denn diese Kinder stecken nicht nur sich selbst an. Wer das glaubt, hat nicht begriffen, wie ein Virus funktioniert. Schulen brauchen Impfungen, jetzt bevorzugt, um Lehreinnen und Lehrer zu boostern. Es ist ein Unding, wenn Lehrkräfte in dieser Situation nicht an den optimalen Impfschutz herankommen! Aber es muss auch vorbereitet werden, auch dann schnell die Kinder impfen zu können, wenn das möglich wird.

Und die Schulen brauchen ein anständiges Instrumentarium, einen Stufenplan zwischen ganz auf und ganz zu: Wechselunterricht, Distanzunterricht für ältere, größere Räume und so weiter, alles, was wir seit eineinhalb Jahren an Krisensicherung fordern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Corona-Politik der Landesregierung als „unglücklich“ zu bezeichnen, wäre eine drastische Untertreibung. Wir haben schlechte Impfquoten und trotzdem schlechte Impfangebote, wir haben Kliniken am Limit und müssen kranke Menschen zur Behandlung außer Landes bringen und dennoch tun viele Leute, als ginge sie das nichts an.

So kann das nicht weitergehen. Und es kann auch nicht mit konfusen Regelungen weitergehen, von denen die Landesregierung dann selbst sagt, man werde sie erst mal nicht kontrollieren.

Ist Ihnen klar, wie Sie damit das Vertrauen in den Staat in Scherben schlagen? Wie sie mangelnden Respekt vor staatlichen Regeln aktiv unterstützen? Wo es Regeln gibt, muss man sie kontrollieren, und auch hier kann das Land nicht einfach Handel und Gastronomie alleine lassen!

Und schließlich: Ist Ihnen klar, wie demokratisch es wirkt, wenn wir Ihre Schnellschüsse immer wieder erst nachträglich im Landtag beraten können?

Die Pandemie fordert uns allen viel ab. Wir müssen uns einschränken, wir müssen verzichten. Viele Branchen geraten wieder in wirtschaftliche Not. Viele warten auf Impfungen und frieren. Viele arbeiten in den Kliniken bis zur Erschöpfung.

All diese Menschen haben mehr verdient als das, was diese Landesregierung bisher leistet.

Sie müssen raus aus der Schmollecke, dieses Land muss raus aus dem Tabellenkeller bei den Impfungen. Und unser Gesundheitssystem muss die Unterstützung erhalten, die es gerade so bitter nötig hat. Das ist Chefsache, und es braucht eine Stelle, ein Ministerium, das an diesen Aufgaben nicht so kläglich scheitert wie das Sozialministerium!

Wir sagen Ihnen: Machen Sie es besser als bisher. Machen Sie es endlich richtig. Und wir sagen Ihnen das als eine Opposition, die im Kampf gegen die Pandemie jeden vernünftigen Schritt mitgehen wird. Das bedeutet aber, dass auch die Regierung Laufen kann. Und nicht über die eigenen Füße stolpert.

Vielen Dank.