MdL Hans-Martin Haller: „Mehr bauen, weniger planen – auf Papier fahren keine Autos!“

SPD fordert klare Prioritätenliste für Landesstraßenbau


Der erbärmliche Zustand vieler Landesstraßen bremst nach Ansicht der SPD-Landtagsfraktion die wirtschaftliche Entwicklung, nervt die Autofahrer und gefährdet die Verkehrssicherheit. Zwar sei die Landesregierung nun endlich auf die jahrelangen Forderungen der SPD-Fraktion nach mehr Geld für den Landesstraßenbau eingegangen. Aber allein durch die finanziellen Versäumnisse der vergangenen zehn Jahre sei inzwischen ein Investitionsstau von über einer Milliarde Euro entstanden, stellt der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Hans-Martin Haller fest. Haller verlangt jetzt von der Landesregierung, den Bürgern endlich reinen Wein einzuschenken und offen zu sagen, welche Landesstraßen in absehbarer Zeit gebaut werden – und welche nicht.

Trotz des schlechten Zustands des Landesstraßennetzes habe die Landesregierung in der Vergangenheit immer weiter Straßen geplant und den Bürgern vor Ort vorgegaukelt, alles was geplant sei, werde auch gebaut. Über 1.000 Landestraßenbaumaßnahmen habe die Landesregierung im vordringlichen Bedarf und erwecke den Eindruck, als ob alles demnächst gebaut werde, so Haller. Der SPD-Verkehrsexperte fordert die Landesregierung nun in einem Fraktionsantrag auf, mit diesem Verwirrspiel aufzuhören und endlich eine klare Prioritätenliste für den Landesstraßenbau vorzulegen. Eine solche Priorisierung fordere der Rechnungshof schon seit Jahren, so Haller.

Haller: „Dass man auf Straßen nur fahren kann, wenn sie auch gebaut worden sind, muss allmählich auch bei der Landesregierung zu Konsequenzen führen.“ Die Landesregierung habe bisher offenbar Angst davor, den Bürgern die Wahrheit zu präsentieren.

Der Schwarze Peter für den katastrophalen Zustand der Landesstraßen liege ausschließlich bei der CDU/FDP-Regierung und den Regierungsfraktionen, insbesondere der CDU. Wenn erst mal eine Prioritätenliste für den Landesstraßenbau vorliege, könnten sich die Landesregierung und die CDU-Abgeordneten vor Ort dieser Verantwortung nicht mehr entziehen und könnten nicht weiterhin allen alles versprechen.

Wie „segensreich“ Prioritätenlisten für die „politische Ehrlichkeit“ sind, habe sich bereits im Fernstraßenbau gezeigt, so Haller. Seitdem die Landesregierung ihre Wünsche an den Fernstraßenbau selber priorisieren müsse, könne sie die Schuld für nicht gebaute Straßen nicht mehr einfach nach Berlin schieben. „Jetzt muss die Landesregierung selber Farbe bekennen und sagen, welche Projekte für sie Priorität haben.“


Landesregierung gibt sich selber miserable Noten
Das Netz unserer Landestraßen hat eine Länge von knapp 9.900 km. Als Vermögen des Landes hat es, grob geschätzt, einen Wert von mindestens 15 Mrd. Euro. „Historisch über lange Zeit gewachsen, muss es gepflegt, modernisiert und für den wachsenden Verkehr ertüchtigt werden, sonst wird der ererbte Wert verzehrt“, so Haller.

Dass es tatsächlich schlimm bestellt ist um den Landesstraßenbau, hat die Landesregierung selber zugegeben. In ihrer Antwort auf einen SPD-Antrag hat sie eingeräumt, dass mindestens 50 Prozent der baden-württembergischen Landesstraßen in einem schlechten bis sehr schlechten Zustand sind. Mit dieser Feststellung habe sich das Innenministerium auf ein Gutachten aus dem Jahre 2004 bezogen und seither seien die Investitionen des Landes in den Erhalt der Landesstraßen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, so Haller. „Jeder, der über unsere Landesstraßen rumpelt, weiß, dass es noch schlechter geworden ist.“

Im Generalverkehrsplan (GVP) des Landes von 1995 wurde ein jährlicher Bedarf für Erhaltungsinvestitionen in Höhe von rund 90 Mio. € (180 Mio. DM, damalige Preise) ermittelt. Das entspräche einer Abschreibungsrate von unter 1%! In Wirklichkeit aber ist ein neuer Belag im Durchschnitt alle 12-15 Jahre nötig, was bei Kosten von 30 €/m² einen Aufwand von rund 150 Mio. € jährlich zur Erhaltung des Werts und der Verkehrssicherheit nötig mache, rechnet Haller vor.

Die Landesregierung habe aber nur ca. 60 Mio. € in ihre langfristigen Haushaltspläne aufgenommen, nehme also einen erheblichen Wertverzehr von vornherein in Kauf. Tatsächlich investiert wurde von 1995 bis 2006 im Durchschnitt nur 31,6 Mio. € im Jahr.

Das gleiche Bild zeige sich beim Neubau und beim Unterhalt, wenn man die Planungen mit den tatsächlichen Investitionen vergleiche.


Verwaltungsreform: Kompetenzwirrwarr beim Straßenbau
Wegen der „verkorksten“ Verwaltungsreform schieben sich das Land und die Kreise bei der Ausbesserungspflicht von Straßenschäden gegenseitig den Schwarzen Peter zu, kritisiert Haller. Denn die Finanzierung richtet sich danach, ob es sich um Unterhalts- oder um Erhaltungsmaßnahmen handele. Kleine Ausbesserungen (Unterhalt) müssen die Kreise direkt erledigen, für aufwendigere Erhaltungsmaßnahmen dagegen muss das Land aufkommen. Da die Kreise aber vom Land zu wenig Geld für die laufenden Kosten erhielten, zögerten sie notwendige Reparaturen so lange hinaus, bis die Schäden schließlich so groß seien, dass das Land selber handeln und zahlen muss.

Haller: „Durch falsche Mittel- und Kompetenzzuweisung wird die ohnehin schon katastrophale Situation im Landesstraßenbau verschärft und die Verkehrsteilnehmer werden zu Geiseln im Streit um die Zuständigkeit für die Straßenreparatur.“


Einige Beispiele
Man müsse nicht lange suchen, um das ganze Ausmaß der Misere zu begutachten, so Haller. Beinahe vor jeder Haustüre seien Landesstraßen in miserablem Zustand zu finden. Beispielhaft führte der SPD-Verkehrsexperte einige Landesstraßen auf, deren Zustand er auch fotografisch dokumentierte: Die L1151 zwischen Schorndorf und Schlichten, die L1140 zwischen Winterbach und Rohrbronn, sowie zwischen Rohrbronn und Hößlinswart und die L1205 zwischen Wolfschlugen und Nürtingen.

Hans-Martin Haller: „Was mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger über Jahre an Wert geschaffen wurde, hat die CDU/FDP-Landesregierung verkommen lassen.“


Mittelstand als Verlierer der Entwicklung
Der SPD-Verkehrsexperte Haller erinnerte daran, dass die Landesregierung in diesen Tagen in Richtung Berlin lautstark darauf aufmerksam machte, dass schlechte oder schlecht ausgebaute Fernstraßen den wirtschaftlichen Erfolg gefährden. Nach den Worten von Hans-Martin Haller gilt dies für den Landesstraßenbau in gleicher Weise. Und anders als beim Fernstraßenbau habe der Ministerpräsident beim Landesstraßenbau selber das Heft des Handelns in der Hand. Das eklatante Versagen der Landesregierung hier mache ihre Appelle zum Fernstraßenbau nicht unbedingt glaubwürdiger.

Leidtragende der miserablen Situation im Landesstraßenbau sei insbesondere der Mittelstand. Haller: „Wenn der Handwerker jeden Tag eine halbe Stunde länger im Auto sitzt, weil er nur 50 km/h fahren kann, ist das für alle Beteiligten teuer.“ Wenn die Unternehmen im exportstärksten Bundesland des Exportweltmeisters Deutschland zu lange bräuchten, um ihre Waren zu versenden, gefährde das Arbeitsplätze.

„Auch schlechte Landesstraßen sind ein Standortnachteil.“ Haller betonte, dass nicht jeder Mittelständler den Einfluss von Porsche habe. Um das Entwicklungszentrum Weissach der Firma Porsche nicht zu gefährden, habe Oettinger spontan eine schnelle Sanierung der L1177 versprochen. Wo aber kein Wiedeking rufe, müsse der Mittelstand lange auf Abhilfe warten. Und kaputte Straßen gebe es zuhauf, die den Mittelstand in der Peripherie benachteiligten und zu einem Ausbluten des ländlichen Raums führten.

Haller: „Die Landesregierung darf die Landesstraßen nicht weiter verkommen lassen. Sie muss ein Konzept vorlegen, das den Menschen vor Ort deutlich macht, in welcher Zeit was und wo gebaut wird. Dafür muss sie schleunigst die lange geforderte Prioritätenliste auch für Landesstraßen erstellen und veröffentlichen.“

Helmut Zorell
Pressesprecher