MdL Rolf Gaßmann: „In den Großstädten herrscht eine bedrohliche Wohnungsnot – und die Landesregierung legt die Hände in den Schoß“



Landesstatistiker haben die Bevölkerungsentwicklung unterschätzt



Der Wohnungsmangel in den Ballungszentren Baden-Württembergs nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an – doch die Landesregierung legt die Hände in den Schoß. Der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rolf Gaßmann, wirft deshalb der Landesregierung „totales Versagen“ bei der Wohnungsversorgung vor. Gaßmann verweist auf Zahlen des Maklerverbandes, wonach sich in den großen Städten auf eine



Annonce für eine 3-4-Zimmer–Wohnung derzeit bis zu 200 Interessenten melden. Die Folge, so Gaßmann, seien explodierende Mieten. So würden in Konstanz, Freiburg und Heidelberg bei Neuvermietungen teilweise schon über 10 Euro/qm bezahlt, in Stuttgart bis zu 13 Euro.



Gaßmann: „Bei vielen Haushalten frisst die Miete die Hälfte des Nettoverdienstes auf – und die Landesregierung schaut tatenlos zu.“



Die mangelnde Wohnraumversorgung in den wirtschaftlichen Zentren des Landes gefährde ernsthaft deren Entwicklung, stellt der SPD-Politiker fest. Die IHK in der Region Stuttgart spreche inzwischen von einem „klaren Standortnachteil auf Grund des teueren und geringen Wohnungsangebots“. Wegen des knappen Wohnraums zögen die Menschen aufs Land und nähmen Pendlerstrecken von 50 km und mehr in Kauf.



Dass in diesem Jahr gerade einmal 700 Mietwohnungen im ganzen Land öffentlich gefördert werden, ist für Gaßmann angesichts der großen Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum schlicht ein „Skandal“. Würden wie im langfristigen Durchschnitt der letzten Jahrzehnte mindestens 20 % der benötigten Mietwohnungen in Baden-Württemberg öffentlich gefördert, so müssten jährlich Mittel für 5.000 Mietwohnungen bereit gestellt werden.



Für unverantwortlich gegenüber den Wohnungssuchenden in den Städten hält Gaßmann zudem die Aufhebung der Zweckentfremdungsverordnung in den Städten Ulm, Karlsruhe und Stuttgart. Durch die jetzt genehmigungsfreie Umwidmung von Wohnraum zu Gewerberaum fördere die Landesregierung die Wohnraumverknappung, in dem sie zulasse, dass Tausende Wohnungen nunmehr gewerblich genutzt werden können und darum nicht mehr dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen.



Auch Sozialorganisationen berichten laut Gaßmann von großen Problemen bei der Versorgung sozial schwacher Haushalte mit Mietwohnungen.



„Frauenhäuser sind überfüllt, da ihre Bewohnerinnen am Markt nichts finden. Die Notfallkarteien der Städte werden dicker, allein in Stuttgart gibt es 4.000 Dringlichkeitsfälle, das Problem der Obdachlosigkeit nimmt im Lande wieder zu.“



Selbst der Hauseigentümerverband beklage eine zunehmende Zahl von Räumungsklagen wegen Eigenbedarfs, weil die Eigentümer mangels Alternativen am Wohnungsmarkt den Wohnbedarf ihrer nahen Angehörigen nur noch per Eigenbedarfskündigung durchsetzen könnten. Auch die Mietervereine im Lande beobachteten mit großer Sorge eine drastische Zunahme der Räumungsklagen in den Großstädten.



Die Landesstatistiker stellten inzwischen selbstkritisch fest, dass ihre erst vor zwei Jahren veröffentlichten Bevölkerungsprognosen für die Großstädte Makulatur sind. So prognostizierten sie für den Zeitraum von 1999 bis 2010 abnehmende Bevölkerungszahlen in den großen Städten und daraus folgend deutlich weniger wohnraumnachfragende Haushalte. Neueste Einwohnerzahlen des Statistischen Landesamtes belegen nun aber das Gegenteil: So gab es in den Groß- und Universitätsstädten des Landes vom 1.1.1999 bis 30.09.2001 einen erheblichen Bevölkerungszuwachs. Ulm etwa wuchs um 2300 Einwohner, Heidelberg um 1200 Einwohner, Karlsruhe um 2700 Einwohner und Stuttgart um fast 5000 Einwohner.



„Trotzdem tendieren die Neubauzahlen im Geschosswohnungsbau der Großstädte gegen Null und Mietwohnungsbau findet in Baden-Württemberg kaum noch statt“, so Gaßmann.



Mit einer parlamentarischen Initiative fordert die SPD nun die Landesregierung auf, die Bevölkerungszunahme in den großen Städten endlich zur Kenntnis zu nehmen und daraus rasch die Konsequenzen zu ziehen. Bestehender Wohnraum müsse erhalten bleiben und die Mittel für den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau erheblich aufgestockt werden.

gez. Helmut Zorell

Fraktionssprecher